Die Stierenbeschaffung sah vor 30 Jahren noch ganz anders aus als heute. Wenn eine Delegation nach Kanada oder Amerika reiste, wurden die Stierenmütter vor Ort noch punktiert, die Töchter akribisch beurteilt. Auch 1990 reiste eine Red-Holstein-Stier-Auswahlkommission nach Übersee. Dabei waren Kurt Josi, Wimmis BE, Fritz Linder, Büetigen BE, Hansueli Moser und Hansueli von Steiger vom KB- beziehungsweise noch vom damaligen Schweizerischen Fleckviehzuchtverband.

Speckle war sehr gefragt

Für die Auswahldelegation standen damals folgende Aufträge im Vordergrund:

  • Auswahl von jungen RH-Stieren, die im Rahmen des schweizerischen Prüfprogramms getestet werden sollten.
  • Besichtigung von Nachzuchten geprüfter RH- und RF-Stiere, die für die Schweizer Zucht interessant sein könnten.

Im Speziellen galt es damals, abzuklären, ob sich der Stier Sellcrest Inka Lass auch als Stierenvater eignen würde. Auch bei den vielen Enhancer-Söhnen galt es, einen strengen Massstab anzuwenden. Vor 30 Jahren war bei der RH-Zucht die rote Triple-Tochter Nandette Speckle hoch im Kurs. Sie war auch die Mutter der späteren legendären Royal-Winter-Fair-Siegerin Stookey Elm Park Blackrose.

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Hans oder Hernandez

Von Speckle wurden auch die beiden roten Valiant-Star-Söhne Stookey Elm Park Swatch und Stookey Elm Park Sayso angeboten. So machte sich 1990 die Auswahldelegation daran, Speckle und ihre Söhne unter die Lupe zu nehmen. Speckle mit ihrem Stockmass von 156 cm wurde von der Delegation mit der kantonalen Punktzahl von 44 44 punktiert. Man rühmte ihr langes Becken und ihr langes Voreuter. Zu tadeln gaben ihre obere Linie und ihr enges, gerades Sprunggelenk.

Swatch und Sayso wurden angekauft und kamen später in der Schweiz zum Einsatz. Swatch hinterliess ganz klar die besseren Töchter als Sayso. Vor 30 Jahren waren viele Stierenmütter in Übersee Triple-Töchter. Nicht nur Speckle war eine von ihnen, sondern auch Savagedale Val Triple Daisy. Mit ihren 146 cm war Daisy nicht die grösste Kuh, trotzdem wurde sie von der Schweizer Auswahldelegation mit 44 55 punktiert. Von Daisy wurde der rote Enhancer-Sohn Imperial angeboten. Auch Imperial beeindruckte, wurde angekauft und kam in der Schweiz in den Prüfeinsatz. Wie bei anderen Enhancer-Söhnen waren die Töchter von Imperial schlecht im Fundament und hatten eine langsame Melkbarkeit.

In den 90er-Jahren war auch die Rotfaktorkuh Sky-Hi Mars Tony Helen eine begehrte Stierenmutter für die Schweiz. Ihre Söhne Hans, Hernandez oder Hoya kamen in der Schweiz zum Einsatz. Der Boy-George-Sohn Hans hatte am meisten Töchter mit einer nachhaltigen Wirkung auf die Schweizer Red-Holstein-Zucht. 1990 hat die Schweizer Delegation auch Töchter von Deslacs Boy George selber unter die Lupe genommen. Da Boy George eigentlich sehr gut vererbte, aber ein «Black-Red-Carrier-Stier» war (Umfärber) wie seinerzeit Triple, wurde er als Stierenvater in der Schweiz nicht berücksichtigt und man bevorzugte seine Söhne wie eben Hans oder Hoya.

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Grosser Einfluss

In den 1990er-Jahren war in Übersee nicht nur der Enhancer-Einfluss sehr gross, auch der Rotfaktorstier Jubilant erfreute sich grosser Beliebtheit. Im kanadischen Quebec war er in dieser Zeit der gefragteste Stier. So war es nicht verwunderlich, dass den Schweizern etliche Jubilant-Söhne wie der Stier Troubadour angeboten wurden. Doch die meisten Jubilant-Söhne vererbten ein zu grosses Eutervolumen mit einer schlechten Zellzahl und ihre Töchter wurden nicht alt. In den Augen der Schweizer Delegation gehörte 1990 das Triple-Blut nach wie vor zum Besten, was die RH-Zucht zu bieten hatte. Triple selber wurde auch in der Schweiz eingesetzt; da der Stier ein Umfärber war (bei der Geburt war er rot, mit der Zeit wurde er schwarz), vererbte er dieses Gen auch ab und zu an seine Töchter. Noch in den 1990er-Jahren duldete man beim Fleckviehzuchtverband keine Kühe mit schwarzen Haaren und so bekam mehr als eine Schönheit von Triple an der Viehschau ein Kreuz und wurde nicht ins Herdebuch aufgenommen.

Er züchtete zu klein

In den 1990er-Jahren reiste man nicht nur nach Übersee, um wertvolle Genetik in die Schweiz zu holen. Auch Deutschland oder Holland waren Länder, die man bereiste. In den 1980er-Jahren schienen in Deutschland vor allem die RH-Stiere Creation und Cavemen – beide hinterliessen auch in der Schweiz ihre Spuren – gefragt zu sein. Wobei Caveman in unserem Nachbarland mehrheitlich zu klein züchtete. Die tragende, ja dominierende Blutlinie in der deutschen RH-Zucht war damals Telstar mit seinen bekannten Nachkommen wie Triple und Thor. So waren an der 6. Rotbuntschau 1977 in Münster (D) von den 198 im Katalog aufgeführten Kühen 88 Triple- und 42 Thor-Töchter aufgelistet. An dieser Rotbuntschau war auch die Schweizer Delegation voll des Lobes und man fragte sich schon damals, ob sich die RH-Kuh in Zukunft nur noch durch die Farbe von einer Holsteinkuh unterscheiden werde.