Anfang 2025 wurde in Deutschland erstmals seit 1988 wieder ein Fall von Maul- und Klauenseuche (MKS) bestätigt. Die hochansteckende Tierseuche traf einen Betrieb im Bundesland Sachsen-Anhalt – und versetzte Veterinärbehörden, Tierhaltende und Politik in höchste Alarmbereitschaft. In Windeseile mussten Sperrzonen eingerichtet, Tiere gekeult und Schutzmassnahmen aktiviert werden. Der Ausbruch konnte eingedämmt werden – doch das Schreckensszenario bleibt.

MKS gilt als eine der gefährlichsten Seuchen für Wiederkäuer und Schweine. Die Krankheit ist hochansteckend, führt zu schweren Symptomen wie Bläschen an Maul und Klauen, und sie breitet sich extrem schnell aus – insbesondere über Tiertransporte, Personen, Fahrzeuge oder kontaminierte Lebensmittel. Zwar ist die Krankheit für den Menschen ungefährlich, der wirtschaftliche Schaden bei einem Ausbruch ist aber enorm.

Die Schweiz ist seit vielen Jahrzehnten MKS-frei – ohne Impfung. Doch wie lange noch? Welche Vorkehrungen trifft der Bund? Wie rasch kann reagiert werden, und welche Bedeutung haben importierte Wurstwaren im Koffer eines Ferienrückkehrers? Wir haben Daniela Hadorn vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) zur aktuellen Lage rund um Maul- und Klauenseuche (MKS) befragt.

Frau Hadorn, in Deutschland wurde im Januar erstmals seit 1988 wieder ein MKS-Ausbruch bestätigt. Gibt es vergleichbare Seuchenvorsorgeübungen oder Risikoanalysen in der Schweiz, und wann wurden diese zuletzt durchgeführt?

Daniela Hadorn: Ja, in der Schweiz führen wir regelmässig Krisenvorsorgeübungen durch, bei denen ganze Abläufe erprobt werden – bis hin zum Töten von Tieren. Technische Elemente, wie etwa die Organisation am Ort des Geschehens, sind kantonale Zuständigkeit. Die Kantone verfügen über Schadenplatzkonzepte und entsprechende Strukturen.[IMG 2]

Wir koordinieren auf Bundesebene die Massnahmen bei hochansteckenden Seuchen, wie etwa der MKS, die sehr leicht übertragbar ist. Es werden Schutz- und Überwachungszonen eingerichtet. Dabei ist es entscheidend, dass der Bund die Kantone unterstützt und diese wissen, was im Ernstfall zu tun ist.

Aber MKS wirkt heute nur noch wie eine ferne Erinnerung.

Das ist so. Für viele Beteiligte – auch Tierärztinnen und Tierärzte – ist MKS neu. Die Krankheit ist zwar bekannt, aber nur wenige haben sie je live gesehen. Deshalb ist die Schulung und Sensibilisierung der Tierärzte von grosser Bedeutung. Die Reaktionsfähigkeit ist zentral. Ein ganz zentrales Instrument dabei sind sogenannte Ausschlussuntersuchungen. Ich selbst war 2001 in Grossbritannien während eines Monats in der aktiven MKS-Seuchenbekämpfung tätig – und es ist wichtig, MKS bei Bäuerinnen und Bauern sowie in der Praxis immer wieder in Erinnerung zu rufen. Auch wenn sie exotisch erscheint, kann MKS jederzeit durch menschliche Aktivitäten in die Schweiz gelangen.

Die deutsche Professorin Christa Kühn (FLI) vermutet, dass ein importiertes kontaminiertes Lebensmittel – etwa Fleisch – der Auslöser des MKS-Ausbruchs in Deutschland war. Wie bewerten Sie diese Hypothese für die Schweiz?

Aus Sicht der Schweiz stellt genau das – der Eintrag über kontaminierte Lebensmittel – das grösste Risiko dar. Das ist die wahrscheinlichste Einschleppungsquelle. Wir beobachten insbesondere den Reiseverkehr in Länder, in denen MKS noch aktiv zirkuliert. Wenn jemand in einem solchen Land Lebensmittel mitnimmt, diese verpackt und hierher mitbringt, ist ein Eintrag grundsätzlich möglich. Das können wir nicht mit Sicherheit ausschliessen.

«Dann muss landesweit der gesamte Tierverkehr sofort gestoppt und das Virus ausgerottet werden.»

Daniela Hadorn, Leiterin Fachbereich Tiergesundheit am BLV.

Frau Kühn bezeichnet Deutschland als «naiv, was die Einfuhr von Lebensmitteln angeht». Wie steht es um das Risikobewusstsein in der Schweiz, besonders an Flughäfen und im Transitverkehr?

Das BLV setzt seit mehreren Jahren konsequent auf Informationskampagnen zu den geltenden Einfuhrregeln. Der grenztierärztliche Dienst führt risikobasierte Kontrollen durch. Ziel ist es, im Gepäck mitgebrachte Gegenstände zu identifizieren, die nicht eingeführt werden dürfen, solche Kontrollen erfolgen regelmässig.

Gibt es eine präventive Kommunikationsstrategie wie in Australien oder Neuseeland, um Reisende auf das Risiko von eingeschleppten Tierseuchen durch Lebensmittel aufmerksam zu machen?

Ja, wir sensibilisieren vor allem Tierhaltende über alle verfügbaren Kanäle. Die Kommunikation spielt eine zentrale Rolle. Bei der Afrikanischen Schweinepest (ASP) wurde das bereits gezielt gemacht – und ähnliche Massnahmen sind bei MKS ebenso vorgesehen.

Wie wird der höchste Seuchenfreiheitsstatus ohne Impfung, den auch die Schweiz anstrebt, gegenüber der realen Bedrohung durch MKS abgewogen? Wird genug auf Biosicherheit gesetzt?

MKS ist für uns der absolute Worst Case an der Tierfront. Wir sind sehr erleichtert, dass die Fälle in Deutschland erfolgreich bekämpft werden konnten. Verglichen mit den letzten 20 Jahren ist die aktuelle Lage sehr ernst zu nehmen – was da auf uns zukommen kann, ist enorm. Wir alle wollen gesunde Tierbestände. Die Einhaltung von Biosicherheitsmassnahmen ist dabei zentral. Falls ein Ausbruch geschieht, müssen die Massnahmen zur Eindämmung des Ausbruchs und zum Schutz der Betriebe sofort greifen. Es handelt sich dabei nicht nur um eine nationale, sondern eine gesamteuropäische Herausforderung. Die Schweiz kann hier nicht isoliert handeln. Für uns ist die Früherkennung entscheidend. Nur so können betroffene Betriebe rasch identifiziert und die Virusausbreitung schnell eingedämmt werden. Bauern müssen sich dabei zwingend an die Tierverkehrsrestriktionen halten. Würde man impfen, verlöre man den Seuchenfreiheitsstatus ohne Impfung.

Und impfen?

Die Impfung gegen MKS hätte Konsequenzen – es wäre eine andere Kategorie, denn geimpfte Tiere müssten aufwendig freigetestet werden.

Wäre die Schweiz bereit, im Falle eines Ausbruchs suppressive Impfstrategien wie in der Slowakei oder Ungarn umzusetzen? Also dass gezielt Tiere in betroffenen oder gefährdeten Betrieben geimpft werden – nicht flächendeckend, sondern lokal und zeitlich begrenzt, um die Ausbreitung der Seuche einzudämmen.

In diesen Ländern wurde auf betroffenen Betrieben gezielt geimpft, um die Virusausscheidung zu reduzieren und Zeit bis zur Tötung der Tiere zu gewinnen. Denn wenn man zum Beispiel 4000 Tiere auf einem Betrieb töten muss, dauert das sehr lange. In der Schweiz wären solche Impfstrategien derzeit nicht vorgesehen, da wir gar keine derart grossen Tierbestände haben.

Wie schnell kann die Schweiz auf einen plötzlichen MKS-Ausbruch reagieren – gerade bei kleineren, wenig professionellen Tierhaltungen?

Abo Yvo Rindlisbacher, Abteilungsleiter des Thurgauer Zivilschutzes, koordinierte die Seuchenübung auf dem Eichhof in Oberneunforn. Seuchenschatz Maul- und Klauenseuche: Der Kanton Thurgau simuliert den Ernstfall Friday, 27. June 2025 Sofort. Die Reaktionsfähigkeit ist ausschlaggebend. Entscheidend ist die schnelle Erkennung des ersten Falls. Dann muss landesweit der gesamte Tierverkehr sofort gestoppt und das Virus ausgerottet werden. Die Zusammenarbeit mit den Kantonstierärzten ist dabei zentral – sie wissen genau, was zu tun ist. Die Maschinerie würde sofort anlaufen: Information an die Branche, Einberufung Krisenstab usw.

Ist das BLV im Austausch mit deutschen Behörden bezüglich MKS-Ausbruch, Nachverfolgung und mutmasslichem Eintragsweg?

Ja, wir sind in intensivem Austausch – mit dem Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) arbeiten wir seit rund zehn Jahren eng zusammen, auf wissenschaftlicher Ebene fast täglich. Bei Vollzugsfragen sind wir eng verbunden mit Deutschland und Österreich. Wenn ein Land betroffen ist, erfolgt sofort ein Kontakt.

Welche Lehren zieht die Schweiz aus den deutschen Fällen?

Die Tierhaltenden spielen gemeinsam mit den Bestandestierärztinnen und -tierärzten eine zentrale Rolle bei der Früherkennung. Entscheidend ist, dass im Verdachtsfall niemand zögert oder denkt: «Ich sage lieber nichts.» Da auch die Blauzungenkrankheit klinisch ähnlich verlaufen kann, ist es unerlässlich, bei unklaren Symptomen eine Ausschlussuntersuchung durchführen zu lassen – insbesondere dann, wenn der Test auf Blauzunge negativ ausfällt.

Gehen wir zur Blauzunge: In Deutschland waren im März erst 15 Prozent der Rinder gegen Blauzunge geimpft. Wie sieht es in der Schweiz aus – vor allem in den Grenzregionen?

Genaue Zahlen liegen uns noch nicht vor. In der Schweiz ist die Impfung freiwillig, laut Rückmeldungen aus der Praxis ist die Impfbereitschaft jedoch gut bis sehr gut.

Wie ist die Verträglichkeit?

Der Impfstoff wird sehr gut vertragen – es gibt keine Berichte über nennenswerte Nebenwirkungen, auch nicht in bereits infizierten Betrieben. Die Diskussion um diese «Dummy-Kälber», also missgebildete Kälber, sollte nun abnehmen. Dort hat man übrigens das Schadenspotenzial der Krankheit sehr gut erkannt und damit auch die Tatsache, dass nichts tun nicht der richtige Weg ist.

Welche Erfahrungen hat die Schweiz mit einer Impfpflicht gegen Blauzunge, wie sie in den Nullerjahren für BTV-8 bestand? Wird derzeit über eine Pflicht diskutiert?

Die Wiedereinführung einer Impfpflicht ist derzeit kein Thema. In den Nullerjahren wurde diese Massnahme zusammen mit den Nachbarländern umgesetzt – die Durchimpfungsrate war damals so hoch, dass man jahrelang Ruhe hatte vor BTV-8. Heute zeigt sich, dass wir keine echte Alternative haben. Die Diskussion wird zunehmend europäisch geführt: Wollen die Länder ihre Tiere schützen oder nicht? In der Schweiz überlassen wir die Entscheidung den Bauern. Unser Ziel ist klar: die Tiere gesund erhalten – und die Impfung ist dabei der beste Schutz.