«Ich bin froh, muss ich nicht mehr so lange machen.» Für den Berufsfischer Silvano Solcà aus Gerolfingen war schon als Kind klar, dass er den Fischereibetrieb auf dem Bielersee in dritter Generation übernehmen würde. Dies tat er im Alter von 25 Jahren auch. Jetzt aber, mit knapp 61 Jahren, ist die uneingeschränkte Freude gewichen. Die Arbeit bereitet ihm immer noch viel Freude, aber die Umstände sind viel schwieriger geworden. Seit Jahren ist die gefangene Fischmenge rückläufig. Hat Solcà in den letzten super Jahren von 2009 und 2010 rund elf Tonnen Fisch jährlich gefischt, sind es heute noch etwa fünf Tonnen.
Der Brotfisch Felchen fehlt an allen Ecken
Die Felchen, einst Brotfisch der Bielerseefischer, sind weniger geworden und wachsen viel weniger. Hätten früher drei bis vier Felchen ein Kilo ergeben, brauche es heute sechs bis acht Fische. Was im Winter vermehrt gefischt werden könnte, vorausgesetzt der Absatz wäre da, sei der der Weissfisch Rotauge. Lange wurde dieser Fisch hierzulande als Katzenfutter und nicht als Speisefisch verwendet. Er hat festes weisses Fleisch, aber sehr viele Gräten. Die Fischerei Solcà lässt die Rotaugenfilets durch eine spezielle Maschine laufen, welche die Gräten zerkleinert und den Fisch als Chnusperli oder als Fischburger problemlos geniessbar macht. Dennoch verlangen viele Kunden weiterhin lieber Felchen oder Egli. «Ohne das auswärtige Einkommen von Ehefrau Sandra ginge es finanziell nicht», erklärt der Fischer, der heuer 61 Jahre alt wird.
Kiemenschnitt für Berufsfischer ist nicht nötig
Kurz vor halb sieben Uhr morgens. Silvano Solcà verlässt sein Bootshaus in Gerolfingen. Es ist dunkel, kalt und klar. Spiegelglatt liegt der See da. Der Fahrtwind bläst eisig ins Gesicht, während der Fischer sein Boot zielsicher durch die Dunkelheit steuert. Nach ein paar Minuten sucht er das Wasser mit einem Scheinwerfer ab. Plötzlich leuchtet etwas rot – die erste Boje ist gefunden. Silvano Solcà stoppt das Boot. Mit rhythmischen Bewegungen zieht er das Netz an Bord. Ab und zu hängt ein Fisch im Netz, der befreit und mit gezieltem Kopfschlag an die Reling fachmännisch getötet wird. Hobbyfischer sind verpflichtet einen Kiemenschnitt vorzunehmen. Die Berufsfischer sind von dieser Pflicht ausgenommen.
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Ein Arbeitstag von Fischer Silvano Solcà
Im Sommer fährt der Berufsfischer um 4.30 Uhr auf den See raus, im Winter zirka um 6.30 Uhr. Während zwei bis vier Stunden holt er die Netze ein. Müssen sie nicht geputzt oder geflickt werden, werden sie gleich wieder gesetzt, also ausgeworfen. Zurück an Land wird der Fang verarbeitet (geschuppt und filetiert), verpackt und ausgeliefert. Am Nachmittag werden Netze geputzt und geflickt. Teilweise räucht Silvano Solcà Fische. Wenn nötig, fährt der Fischer nachmittags nochmals raus, um Netze auszuwerfen. Im Sommer nimmt er diese nach dem Einholen des Fangs jeweils am Samstag mit an Land. Erst am Sonntagabend werden sie wieder ausgeworfen. Da das Wasser wärmer ist, hätte es sonst am Montag zu viele tote Tiere im Netz.
Die Nahrung fehlt und ist zu wenig nahrhaft
[IMG 2]Gründe für den Rückgang der Fischmenge und der Grösse gibt es mehrere. Zum einen ist das Wasser zu sauber geworden. Durch fehlendes Phosphat fehlen die Nährstoffe für das Wachstum von Plankton, was wiederum die Nahrung der Fische ist. Problematisch sei auch der hohe Nitratgehalt sowie Rückstände von Medikamenten, welche nicht rausgefiltert werden können, sowie vermehrt Mikroplastik. Eingeschleppte Quagga-Muscheln filtern zudem das Wasser und verbreiten sich rasend schnell. Es werde nun untersucht, ob diese Muscheln dafür verantwortlich sind, dass das Plankton ausserdem weniger Nährwehrt hat.
Die Fischer und die Landwirtschaft
Silvano Solcà macht der Landwirtschaft wegen dem Nitrat keinen Vorwurf. Im Gegenteil: «Die Bauern bewegen sich einfach im Rahmen des von Gesetzes wegen Erlaubten.» Diese Ansicht teilen Hobbyfischer nicht. Dass die Berufsfischer zu den Trinkwasserinitiativen vom letzten Jahr, keine Empfehlung abgaben, sei vom Fischerverband entsprechend kritisiert worden. Was viele wohl nicht wissen ist, dass der Schweizerische Berufsfischerverband Mitglied des Schweizer Bauernverbands ist und wo immer möglich mit selbigem zusammenarbeitet.
Zu viele Kormorane fressen zu viel Fisch
Dann ist da noch der Kormoran der sich breit macht und vor allem im Sommer, ähnlich wie bei Delfinen, in Schulen daherkommt und auf Fischfang geht. Ein Kormoran vertilgt täglich ein Pfund Fisch, weiss Silvano Solcà. Er erzählt vom Sommer 2020 als plötzlich eine schwarze Wand an Kormoranen daherkam. Um die 1000 Stück seien das gewesen.[IMG 3]
Die Vögel nisten mittlerweile nicht nur im nahegelegenen Naturschutzgebiet Fanel sondern auch in der Region Hagneck. «Wir können nicht viel dagegen tun», erklärt der Fischer und seufzt. Zwar sei das Vergrämen möglich, indem die Fischer den Kormoranen hinterherfahren, um sie vom Tauchgang abzuhalten. Doch das sei nur für kurze Dauer wirksam. Ansonsten bleibt nur der Abschuss.
Jäger jagen nicht nur Reh und Co. sondern auch Kormorane
Im Kanton Bern gebe es 20 Jäger, welche die Kormorane schiessen dürfen. Diese würden von Zeit und Zeit von den Fischern zur Jagd eingeladen, verköstigt und bekämen etwas an die Munition bezahlt. «Jeder Kormoran der weg ist, frisst nicht mehr, aber das ist nur ein Tropfen auf den heissen Stein», bedauert Solcà.
Fischzuchten auf den Bauernhöfen
Im Kanton Bern gibt es noch 15 Berufsfischer. Von den acht auf dem Bielersee sind nur drei unter 60-jährig. Wo steht die Fischerei angesichts dieser Tatsache in zehn Jahren? Essen wir dann nur noch Schweizer Fisch aus Zuchtbecken, die in Industriezonen in Hallen stehen? Silvano Solcà verneint. Seefisch werde es noch geben. Aber klar sei, dass Fischzuchten zunehmen. Solchen Fisch zu kaufen sei wegen des Tierschutzes aber besser als ausländischen. Mühe bereiten ihm jedoch Zuchten auf Bauernhöfen. Seine Erfahrung zeige, dass oft zu blauäugig ans Werk gegangen werde. Ein guter Fischzüchter brauche drei bis vier Jahre Ausbildung. Das fehle in der Regel bei Bauernhof-Zuchten.
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Früher Vekauf an den Fischhändler - heute Selbstvermarktung
In all den Jahren hat sich das Handwerk auf dem See für Fischer Solcà nicht verändert. Er verzichtet auf eine Netzhebemaschine, da diese zu viele Schäden an den Netzen verursache. Zudem halte die Arbeit fit. Verändert hat sich hingegen der Verkauf. Wurde zu Beginn seiner Laufbahn der grösste Teil einem Fischhändler verkauft, sind Sandra und Silvano Solcà seit langem eingerichtet, um die Fische selbst zu verarbeiten und zu vermarkten. Zum Schluss hat der Berufsfischer, der sich auch in Verbänden engagiert und seit 22 Jahren den Berner Berufsfischerverband präsidiert, einen Wunsch: «Ich wünsche mir, dass die Kunden auf einheimische Fische achten und auch im Restaurant danach fragen.»
Betriebsspiegel Fischerei Solcà
Betriebsleiter: Silvano und Sandra Solcà, zwei erwachsene und Familie Söhne
Ort: Gerolfingen
Fischfangmenge: Etwa fünf Tonnen pro Jahr (früher rund elf Tonnen)
Fischarten: Felchen, Egli, Hecht, Rotaugen, Trüschen und andere
Abnehmer: Gastronomie, etwas Privatkunden
Betriebszweige: Catering, Take-away-Angebot, Teilnahme mit Fischknusperli an Messen wie BEA
Zuständigkeiten: Silvano für Fischfang, Verarbeitung und Auslieferungen. Sandra für Buchhaltung, Catering und teilweises Ausliefern. Zudem auswärtiges Arbeitspensum 80 %.