Abo Viehzucht Die Rotationskreuzung zeigt neue Wege in der Viehzucht auf Monday, 23. May 2022 Die professionelle Kreuzungszucht kann für intensive Milchviehbetriebe eine interessante Alternative zur Reinzucht sein. Dabei macht man sich den Heterosiseffekt zunutze: Je weniger verwandt zwei Rassen sind, desto grösser ist die Verbesserung der Eigenschaften bei den Hybriden (F1-Generation). Die BauernZeitung hat mit Michael Schwarzenberger, Milchviehberater am Arenenberg, über neue Wege in der Viehzucht gesprochen und wollte wissen, was die neuen Züchtungsmethoden für die Schweiz bedeuten.

Die Frage nach der «richtigen» Kuh ist wahrscheinlich die zentralste für einen Milchviehbetrieb. Welche Gründe sprechen aus Ihrer Sicht für die Reinzucht und welche für die Kreuzungszucht?

Michael Schwarzenberger: Für die Reinzucht spricht die Weiterentwicklung innerhalb der Rasse. Einheitliche Herde, Anschluss an den Zuchtverband und somit Infos zur Rasse und Vergünstigungen bei den Dienstleistungen der Verbände. Ein weiterer Pluspunkt sind die Zuchtwerte, die für eine zusätzliche Selektion der weiblichen Tiere sorgen. Ein Nachteil kann die Inzucht sein.

Gekreuzte Tiere profitieren vom Heterosiseffekt, der bei den Gesundheitsmerkmalen am grössten ist. Durch das Kreuzen drei bestimmter Rassen ist eine Zuchtänderung mit Fokus auf bessere Gesundheit und gute Milchleistung schnell möglich. Zu betonen ist, dass die Kreuzungszucht auf die Reinzucht einer Rasse angewiesen ist.

Gibt es Zahlen, wie viele Betriebe in der Schweiz heute schon mit Rotationskreuzung oder dem Analysetool Triple A arbeiten?

Am zweiten Erfahrungsaustausch des Arenenbergs im Mai 2023 waren 25 Personen, vorwiegend aus der Ostschweiz, vor Ort. Das Interesse war am ersten Kurs letztes Jahr bereits vorhanden. Eine beträchtliche Anzahl von Landwirten kreuzt gelegentlich Kühe mit einer anderen Milchrasse und bekommt so eine F1-Kuh. Mit dieser wird dann meist nicht  weitergezüchtet. Die professionelle und konsequente Umsetzung der Rotiationskreuzung fehlt sehr oft. Über 40 Landwirte lassen aktuell die Kühe mit Triple A analysieren, Tendenz klar zunehmend.

Warum springt der Arenenberg auf diesen «Zug» auf?

Seitens Beratung Arenenberg ist es uns wichtig, dass die Milchproduzenten wirtschaftliche Milchkühe im Stall haben. Die Kreuzungszucht und die Triple-A-Analyse helfen mit, gesunde und widerstandsfähige Tiere zu erhalten, welche eine gute Milchleistung aufweisen. Die aktuellen Zuchtdiskussionen sind stark von den Zuchtverbänden geprägt, die kein Interesse an der Kreuzungszucht haben.

Hat die Rotationskreuzung in der Schweiz, wo viel Wert auf eine reinrassige Herde gelegt wird, eine Chance, sich durchzusetzen?

Ich bin überzeugt, dass die Rotationskreuzung für einige Betriebsleiter die wirtschaftlichste Lösung ist. Die Stichworte Antibiotikareduktion oder Erhöhung der Nutzungsdauer zeigen klar, dass die Fitness zusätzlich gefördert werden muss. Die Zunahme der Roboterbetriebe könnte dies zusätzlich fördern, da die Betriebe mit dem Roboter eine gute Informationsquelle haben und so nicht mehr nur auf die Zuchtverbandsleistungen angewiesen sind. Passionierte Rinderzüchter werden weiterhin ihre Rassen züchterisch weiterentwickeln. [IMG 2]

Rotationskreuzung eignet sich für intensive Milchbetriebe. Gleichzeitig geht die politische Entwicklung in Richtung standortangepasste Kühe, die Milch möglichst aus dem Grundfutter produzieren. Wie sollen Milchviehhalter mit diesen komplett unterschiedlichen Ansätzen umgehen?

Die Rotationskreuzung ist unabhängig von der Intensität des Systems zu betrachten. Es geht darum, drei aufeinander abgestimmte Rassen mit ihren Vorteilen zu kombinieren. Dies kann auf intensiven Betrieben mit Pro Cross sein oder für weidebetonte Betriebe «Viking Golden Cross» (Holstein, Jersey, Viking Red). Wichtig ist die professionelle, konsequente Umsetzung.

Ein Nachteil ist, dass es für diese Kühe keinen Zuchtausweis gibt. Das ist für Betriebe, die Zuchtvieh verkaufen, ein Problem. Müsste sich das in Zukunft ändern?

Die Tiere bekommen einen Ausweis von den Zuchtverbänden. Die Milchleistungsdaten sind dort aufgeführt. Was fehlt, sind die Beurteilung des Exterieurs und die Zuchtwerte. Wer bewusst Kreuzungstiere kauft, ist sich dem bewusst.

An einem Triple-A-Anlass wurde schon kritisiert, dass die Experten bei der linearen Beschreibung und Einstufung (LBE) zu stark auf die Masse einer Kuh schauen und die Proportionen zu wenig beachtet werden. Braucht es ein Umdenken oder ein neues System für die LBE, um neuen Viehzuchtmethoden Rechnung zu tragen?

Der Experte beurteilt die einzelnen Merkmale der Kuh und gibt für diese Merkmale eine Note. Dies ist sein Auftrag. Was das System mit diesen Noten und den Daten macht, sollte auf jeden Fall aufeinander abgestimmt sein.

Ein Beispiel: Wir haben am Arenenberg eine Kuh vom New ZealandHolstein-Stier «Hammer», welcher bei der Grösse einen Zuchtwert von 51 hat. Bei der Euteranlage kommt er auf einen Zuchtwert von 81. Die Kühe von diesem Stier lassen sich aber ohne Probleme melken, das Euter ist einfach weniger weit vom Boden entfernt, nicht so lange und tendenziell weniger breit als bei einer Kuh mit einer Zuchtwert-Grösse von 130.

«Bei der aktuellen Zuchtwertschätzung werden aus meiner Sicht solche Zusammenhänge zu wenig berücksichtigt.»

Michael Schwarzenberger zu den Schwächen der LBE

Denn Stiere mit solchen Werten werden von Landwirten nicht eingesetzt, auch wenn die Kühe daraus funktionieren.

Wie wird sich das Bild unserer Milchkühe in Zukunft verändern? Wie sieht die effiziente, wirtschaftliche Kuh für den Landwirten bzw. die Landwirtin in der Schweiz aus?

In der Tendenz werden die Rassen bunter. Sei es, weil unterschiedliche Rassen in den Herden laufen oder weil bunte Rassenkreuzungen auf der Weide stehen. Die wirtschaftliche Kuh der Zukunft ist nicht farbabhängig, sondern betriebsabhängig.

An widerstandsfähigen Tieren führt kein Weg vorbei. Antibiotikareduktion oder auch Fachkräftemangel verstärken das Bestreben nach nachhaltig gesunden Tierenbeständen. Rotationskreuzung und Triple A sind mögliche alternative Wege dazu.

Rotationskreuzung und Triple A
Bei der Rotationskreuzung wird nach einem festen System nacheinander eine Anzahl von Reinzucht-Rassen miteinander gepaart. Nach diesem Prinzip funktioniert das Zuchtprogramm Pro Cross der dänischen Firma Vikings Genetics. Die gezielte Kreuzung der drei Rassen Holstein, Viking Red (Norwegisches, Skandinavisches oder Schwedisches Rotvieh) und Coopex Montbéliarde soll gemäss verschiedenen Studien die rentabelste Kuh ergeben.

Einen anderen Ansatz verfolgt Triple A (aAa). Dabei handelt es sich um eine aus den USA stammende Anpaarungshilfe, bei der die Kuh ganzheitlich analysiert wird. Geschulte Analysten begutachten die Kuh nach ihrer Form und geben ihr einen dreistelligen Code. Um Probleme in der nächsten Generation zu korrigieren, sollte die Kuh mit einem Stier besamt werden, der denselben Code besitzt wie die Kuh. Oder anders gesagt: Um die Schwächen der Kuh zu beheben, muss der Stier diese Merkmale in seinem Körperbau besitzen. Die Rasse spielt bei Triple A keine Rolle.