Die Gefahr einer Tuberkulose-Übertragung durch Rotwild auf Rindvieh und andere Wiederkäuer im Grenzgebiet zu Vorarlberg und Tirol ist nichts Neues. Am stärksten betroffen sind Gebiete in Graubünden, gefolgt vom Fürstentum Liechtenstein und Teilen des Kantons St. Gallen. In Graubünden gilt deshalb seit 2016 ein generelles Fütterungsverbot von Schalenwild. Dazu zählen Hirsche, Rehe, Gämse und Steinwild. Dieses Verbot wurde nun um drei Jahre verlängert und gilt demnach bis 2024.
Breite Sensibilisierung hat stattgefunden
Dass das Ansteckungsrisiko dort so hoch ist, liegt an früheren Fehlern der dortigen jagdlichen Bewirtschaftung. So konnte sich die Tuberkulose in einigen Gebieten Tirols, Vorarlbergs und Bayerns bei der Rotwild-Population etablieren. Giochen Bearth ist Kantonstierarzt und Leiter des Amts für Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit (ALT) des Kantons Graubünden. Er sagt: «Es waren einschneidende Massnahmen, die wir 2016 erlassen haben. Dank der konsequenten Prävention konnte eine potenzielle Übertragung von Rotwild auf Rinder verhindert werden.»
Adressaten für die Amtsverfügung, welche die Wildtierfütterung verbietet, sind Landwirt-(innen), Jäger(innen), Privat- personen und Gemeinden. Bei letzteren geht es um Grünabfalldeponien, die für Wildtiere unzugänglich gemacht werden müssen. «Der Hauptzweck ist das Verhindern von Rotwildansammlungen», erklärt Bearth.
Diese Massnahmen gelten für die Landwirtschaft
Das vom Amt für Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit Graubünden erlassene Fütterungsverbot konzentriert sich auf die aktive Fütterung durch Privatpersonen, auf die Lagerung von Futter und Futterresten in der Landwirtschaft sowie auf kommunale Grünabfallsammelstellen. Diese Vorschriften gelten für Landwirtschaftsbetriebe in betroffenen Gebieten:
- Siloballen: Spätestens ab dem 1. November sind Siloballen bei einem Betriebsgebäude konzentriert zu lagern. Bei Wildspuren zu diesen Lagern müssen die Ballen mit Viehpanelen, Baustellenabsperrgittern oder Material mit gleicher Wirkung, die oben einen glatten Abschluss haben, eingezäunt werden. Offene Ballen oder herumliegendes Futter sind zu verwerten oder für Wild unzugänglich zu entsorgen.
- Futterreste: Krippenreste oder verdorbenes Futter sind für das Wild unzugänglich auf dem Mist zu deponieren oder in eine Grünabfallsammelstelle zu führen. Futter darf nicht ungeschützt im Freien deponiert werden.
- Auslauf: Wild- und Haustiere dürfen sich nicht im Winterauslauf treffen. Wird dort zugefüttert, braucht es eine wildsichere Umzäunung.
- Sömmerung: Salzlecken und Tränkestellen sind zu überwachen und zu kontrollieren. Bestehen Hinweise, dass an diesen Orten ein intensiver Kontakt zwischen Wild- und Alptieren besteht, ist das ALT zu kontaktieren.
Regelmässige Stichproben bei Wildtieren
Im Kanton St. Gallen gab vor einigen Jahren ein Fall von Rindertuberkulose zu reden, bei dem sich ein Rind vermutlich während der Sömmerung in Vorarlberg angesteckt hatte. Das war 2013. Darauf erliess das kantonale Veterinäramt strengere Auflagen für in Vorarlberg gesömmertes Vieh. Die Tiere unterstehen nach ihrer Rückkehr einer Tierverkehrssperre im Heimbetrieb von mindestens sechs bis acht Wochen, bis zum Vorliegen eines negativen Testergebnisses. Seither gab es keine Fälle von Rindertuberkulose mehr. Auch in St. Gallen gilt ein Fütterungsverbot von Rotwild und ein hoher Schutz für Nutztiere. Und diese Massnahmen zahlen sich gemäss Stefan Siegmann, stv. Kantonstierarzt, aus.
Präventiv werden im Rahmen einer risikobasierten Überwachung, koordiniert durch das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen, Proben von Fallwild und Hegeabschüssen (Abschuss von kranken, schwachen, verletzten und überalten Wildtieren) sowie jährlich eine Stichprobe von 180 geschossenen Hirschen auf Tuberkulose untersucht. «2020 war der Tuberkulose-Test bei allen Proben negativ», sagt Siegmann.
Früherkennung bleibt wichtig
Einig sind sich die beiden Kantonstierärzte, dass es jederzeit zu einer Tuberkulose-Einschleppung in die Schweiz kommen kann. Stefan Siegmann betont, dass Information und Schulung schweizweit weiterhin hochgehalten werden müssen, um potenzielle Fälle frühzeitig zu erkennen. Giochen Bearth sagt es so: «Vorbeugen ist sicher besser als Heilen.» Und einfacher und kostengünstiger ist diese Strategie noch dazu.
Meldepflichtige Tierseuche
Tuberkulose ist eine bakterielle Infektionskrankheit. Sie kann sowohl beim Menschen wie beim Tier auftreten. Rindertuberkulose ist als Tierseuche eingestuft und meldepflichtig. In der Schweiz besteht die Gefahr einer Ansteckung am ehesten durch eine Übertragung von Wildtieren auf Rinder. Diese geschieht über den direkten Kontakt, verunreinigtes Wasser oder Futter. Verdachtsfälle sind dem Bestandestierarzt oder der Bestandestierärztin zu melden. Infizierte Tiere müssen getötet und entsorgt werden. Eine wichtige Rolle für die Überwachung spielen die Fleischkontrollen in den Schlachthöfen. Diese Kontrollen sind gesetzlich geregelt und werden von den kantonalen Vollzugsorganen durchgeführt. Die Schweiz gilt als tuberkulosefrei.