Im Moment haben Eichelhäher alle Hände voll zu tun – oder besser, den Kropf voller Futter. Denn sobald Bucheckern, Haselnüsse, Kastanien und natürlich Eicheln reif sind, beginnen die prächtig gefärbten Waldbewohner mit dem Sammeln. Mit gutem Grund, denn der Vorrat soll sie gut genährt durch den Winter bringen.
Bis zu 10 Eicheln im Kropf
«Der Kropf ist eine Erweiterung der Speiseröhre, die einen Beutel formt», beschreibt Thorsten Wiegers von der Vogelwarte. Darin kann der Eichelhäher gemäss Literatur bis zu 10 Eicheln verstauen. Das macht das Sammeln und Verstecken effizient. «Bei kurzen Distanzen werden aber nur ein bis zwei Eicheln im Kropf transportiert», ergänzt Wiegers. Schliesslich ist das Gewicht der Früchte nicht zu unterschätzen, wenn man sich damit in die Luft schwingen möchte.
Apropos Fliegen: Eichelhäher werden als eher plumpe Luftakrobaten beschrieben. «Mit ihren runden Flügeln können sie gut im Wald navigieren», sagt der Ornithologe. Diese Vogelart ist aber nicht auf lange Strecken oder rasantes Fliegen ausgelegt, wie es bei Zugvögeln, Seglern oder Falken der Fall ist. «Das geschickte Bewegen im Gehölz ist ihr Element», fährt Wiegers fort.
Stimmbegabte Polizisten
Im Wald fühlen sich Eichelhäher wohl und sie können in den Baumkronen mühelos die Balance halten, wenn sie von einem Ast zum nächsten hüpfen. Ihre rätschenden Warnrufe haben ihnen den Übernamen «Polizist des Waldes» eingetragen. Damit warnt der Eichelhäher eine ganze Reihe von Tieren gleich mit, wenn etwas Bedrohliches im Anmarsch ist. Die Vögel können aber auch anders. «Rabenvögel, zu denen der Eichelhäher gehört, sind generell sehr stimmbegabt», erklärt Thorsten Wiegers. Die Polizisten des Waldes ahmen diverse andere Arten nach – vor allem die Laute von Spechten und Habichten sollen ihnen gut gelingen. Abschliessend erklären kann die Wissenschaft dieses Verhalten offenbar nicht, die Sprachbegabung des Eichelhähers hat aber Eingang gefunden in seinen lateinischen Gattungsnamen: Garrulus heisst übersetzt «geschwätzig». Der zweite Namensteil glandarius lässt sich vom lateinischen Wort für Eichel ableiten.
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Keine Rätsel gibt die Sammeltätigkeit des Eichelhähers auf. Die Art wird als Teilzieher bezeichnet: Einige bleiben im Brutgebiet, andere ziehen in ein Winterquartier. In der Schweiz sind je nach Nahrungsangebot oder bei frühem Wintereinbruch Im Norden auch Vögel aus dem Ausland zu Gast. «In manchen Jahren kann es zu grossen Einflügen kommen», so Thorsten Wiegers. Wer den Winter überleben will, kann sich ein Vorbild am Eichhörnchen nehmen und einen Futtervorrat anlegen. Das machen Eichelhäher und verstecken in guten Jahren 3000 bis 5000 Eicheln pro Vogel. Sie werden in kleine Löcher im Waldboden, zwischen Wurzeln oder in Rindenspalten gesteckt. «Man vermutet, dass die Wiederauffindungsquote tief ist», sagt der Ornithologe. Für den Wald ist das von Vorteil, denn die vergessenen Samen keimen und können zur natürlichen Verjüngung des Forsts beitragen.
«Hüpfen im Gehölz ist ihr Element.»
Thorsten Wiegers, Ornithologie von der Vogelwarte.
Ein bunter Rabenvogel
Die Entwicklung der Bäume gibt dem Eichelhäher den Jahresrhythmus vor. Das gilt nicht nur für den Sammelbeginn des Winterfutters, sondern auch den Nestbau und Legebeginn. Dieser beginnt erst, wenn das schützende Laubdach geschlossen ist und vor Feinden Deckung bietet.
Lange beschreiben muss man den Eichelhäher nicht, es besteht kaum Verwechslungsgefahr mit anderen Vögeln. Auch wenn die Art zur Familie der Rabenvögel gehört, trägt sie ein rötlich-braun bis rosa gefärbtes Gefieder. Auffällig sind der schwarze Bartstreif, die befiederte Schnabelwurzel und die blau-schwarz gesteiften, kleinen Federn an den Flügeln. Eichelhäher sind in der Schweiz verbreitet und nicht gefährdet. Die Chancen stehen also nicht schlecht, sie zu sehen, ihre Warnrufe zu hören oder eine ihrer blauen Federn beim Waldspaziergang zu finden.
Kennen, was man schützt
Egal ob im Kulturland oder im Wald, Biodiversität gibt es überall. Deren Schönheit zeigen wir in Zusammenarbeit mit dem Bündner Wildtierfotografen Charly Gurt. Seine Bilder machen deutlich, weshalb sich die Bemühungen zum Schutz der Artenvielfalt und der Lebensräume lohnen.