Bei den Schweinen ist es nicht anders als bei den Kühen: Fruchtbarkeits- oder Reproduktionsstörungen gehören zu den wirtschaftlich bedeutendsten und am häufigsten auftretenden Problemen. Das Gute daran: Ein erheblicher Teil kann durch gutes Management vermieden werden. Veterinärmediziner Alexander Grahofer befasst sich an der Uni Bern beruflich mit dem Thema. Er referierte am traditionellen Schweineseminar der Landis rund um Sursee LU. Einflussfaktoren gäbe es gar viele. Da ist etwa die Besamung.
Viel KB, wenige Umrauscher
In der Schweiz geht man davon aus, dass rund drei Viertel aller Sauen künstlich besamt werden. Ein Viertel mittels Natursprung. Die Umrauschquote ist mit gut 11 % (UFA 2000 Betriebe, 2023) relativ tief, also gut. Typische Risikofaktoren auf Seite Sau sind gemäss Grahofer etwa:
- kurze Laktationslänge
- Wurfanzahl
- Genetik
- zu langes Intervall Absetzen – Belegen
- Brunstsimulation
- Brunstbeobachtung
- Besamungszeitpunkt
- Samenqualität und Lagerung
- Körperkondition der Sau
- fehlendes Flushing
- Mykotoxine
- Infektionserreger
- Hitze- und weitere Stressfaktoren
Bei der KB ist die Lagerung der Spermablister noch immer wichtig, unabhängig vom Verdünner. In der Klimabox ist eine Temperatur von 16 bis 18 °C einzustellen. Die Temperatur kann mit einem einfachen Thermometer regelmässig überprüft werden. Geschützt werden müssen die Blister vor Licht, Wasser, Chemikalien (Desinfektionsmittel, Latex), Blut, Temperaturschwankungen, Hitze und Kälte und starken Erschütterungen. Idealerweise würden die Spermablister mittels Drohne auf den Hof gelangen und nicht im Kofferraum eines PW über eine holprige Landstrasse, meinte der Fachmann mit einem Schmunzeln.
Rolle des Ebers
Brunststimulation ist ein grosser Erfolgsfaktor. Wechsel des Stallklimas bzw. der Umgebung, eine Reizfütterung (Flushing), also ein Energiestoss von 35 MJ VES ab dem 2. Tag nach dem Absetzen bis wenige Tage nach dem Decken, ein Lichtprogramm mit 300 bis 500 Lux während 14 Stunden und vor allem Kontakt mit dem Eber empfiehlt der Profi. «Der Kontakt mit dem Eber ist wichtig für die Ausschüttung von Hormonen bei der Sau», sagte Alexander Grahofer. Studien belegten dies seit geraumer Zeit. Genauso aufwendig wie wichtig für den Schweinehalter ist die regelmässige Überprüfung des Duldungreflexes. Immer zur gleichen Zeit, 2-mal täglich im Abstand von 10 Stunden, ruhiges Vorgehen der immer gleichen, den Sauen vertrauten Person, lautet die Empfehlung von Grahofer. Dabei ist immer der Eber, allerdings könne dieser nicht mehr als fünf Sauen gleichzeitig stimulieren. Ist der Duldungsreflex da, hat die Besamung innerhalb von 10 Minuten zu erfolgen, ansonsten seien wieder rund 60 Minuten abzuwarten bis zum nächsten Versuch. Bei der Besamung ist also ein gewisses Tempo, aber nie Hektik angebracht.
Dies führte zu einem Fallbericht aus der Praxis. Ein Schweineproduzent beklagte eine erhöhte Umrauschrate. Grahofer und Team stellten Abweichungen zwischen den Abferkelgruppen, keinen saisonalen Einfluss und fast die Hälfte der Sauen ohne erhöhte Umrauschquote fest. Im Betrieb besamten zwei Personen. Person A war offensichtlich zu rasant unterwegs im Deckcenter. Ein Sucheber stand im Gang vor 20 Sauen, es wurde keine «adäquate» Stimulation durchgeführt, die Sauen konnten die erwünschte Reflexkette nicht ausführen. Dies führte dazu, dass einige Sauen während der Besamung Harn oder gar Kot absetzten. Also wurden die Leistungsdaten pro Person analysiert. Bei Person A rauschten 22,8 % der Sauen um, bei Person B nur 7,1 %. Ein Unterschied in der Anzahl Ferkel war hingegen nicht auszumachen. Dies verdeutliche den Einfluss des Eigenbestandbesamers.
Datenanalyse lohnt sich
Der richtige Besamungszeitpunkt bleibe entscheidend für eine erfolgreiche und ökonomische Schweineproduktion, zog Grahofer Bilanz. Dazu brauche es eine regelmässige Evaluation des Besamungsmanagements, um frühzeitig Verbesserungen vornehmen zu können. Wer auf Natursprung setzt, sollte den Eber regelmässig klinisch und andrologisch untersuchen lassen. Dokumentation ist ein Erfolgsfaktor. Die systematische Analyse der Sauenplanerdaten geben erste Hinweise auf kritische Punkte im ganzen Besamungsmanagement. Bei chronischen Problemen komme der Betriebsleiter nicht um eine professionelle Bestandesuntersuchung mit gezielten und weiterführenden Untersuchungen herum, schloss der Uni-Dozent mit reichlich Praxiserfahrung.