Die Erleichterung ist Andreas Baumann und Landwirt Ernst Gerber, den beiden Hauptprotagonisten der Glockeninitiative, welche in Aarwangen für Aufsehen sorgte, anzusehen. Sie lachen sich an, schütteln kräftig die Hände und klatschen sich gegenseitig auf die Schultern. Am letzten Montagabend haben die Stimmberechtigten von Aarwangen das neue Reglement über das Glockengeläut im Dorf angenommen. Und das Reglement hält vieles fest, wofür man zusammen mit dem Initiativkomitee seit über einem Jahr kämpfte, heisst es in einer Mitteilung.
Eine Anlaufstelle
Der Konflikt zwischen zwei Neuzuzügerpaaren und dem Landwirt Ernst Gerber brachte die ganze Bewegung erst ins Rollen. Die Neuzugezogenen reichten Beschwerde gegen das nächtliche Kuhglockengeläut ein. Denn ihr Wohnsitz grenzt an das Weideland von Gerber. 1099 Stimmberechtigte (rund ein Drittel) unterschrieben innert kürzester Zeit die Glockeninitiative, die am 11. Dezember 2023 wuchtig angenommen wurde, heisst es weiter. Um künftige Konflikte frühzeitig zu vermeiden, werde die Gemeinde Aarwangen eine Anlaufstelle ernennen, an welche sich Betroffene wenden können, die sich durch Geläut, im Sinn dieses Reglements, in ihrem Ruhebedürfnis gestört fühlen. Die Anlaufstelle versuche dann, zwischen den Parteien zu vermitteln und den Konflikt einvernehmlich zu lösen. Der Vermittlungsversuch könne weiter dazu dienen, sich unter Einbezug der zuständigen kantonalen Fachstelle betreffend die anzuwendende Messweise der Emissionen zu verständigen (Artikel 4 des Reglements).
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Tiefe Zustimmung
Die Gemeinde Aarwangen bekennt sich somit zu seiner historischen Tradition als ländliches Dorf mit Glockengeläut am Tag und in der Nacht. Am Glockengeläut bestehe mit Blick auf das Brauchtum und die örtlichen Gepflogenheiten ein gewichtiges öffentliches Interesse. Was wie eine Forderung des Glockeninitiative-Komitees klinge, stehe in Tat und Wahrheit im ersten Artikel des Reglements über das Glockengeläut der Einwohnergemeinde Aarwangen, das am 1. August in Kraft treten wird.
Und auch Artikel 3 sorgt beim Bauernsohn und Neurologen Andreas Baumann für tiefe Zustimmung. So informiere die Gemeinde regelmässig über die Bedeutung des Glockengeläuts. Insbesondere informiere sie Personen, welche in der Gemeinde Wohnsitz begründen, sowie die Bauherrschaften von Neubauvorhaben in angemessener Form über Zweck und Inhalt dieses Reglements. Gemeindepräsident Niklaus Lundsgaard-Hansen betonte an der Gemeindeversammlung, dass das Lärmschutzrecht grösstenteils im Bundesrecht (Umweltschutzgesetz [USG], LSV) und teils im kantonalen Recht geregelt sei. Das Reglement habe den Rahmen dieses übergeordneten Rechts von Bund und Kanton zu beachten. Lärmklagen könnten deshalb nicht ausgeschlossen werden und es bleibe weiterhin möglich, dass die Gemeinde im Einzelfall Massnahmen gegen Geläut verfüge. Ernst Gerber begrüsst diese Vermittlerstelle, wie er gegenüber der BauernZeitung erklärt. «Wenn es diese Anlaufstelle schon früher gegeben hätte, hätte man in meinem Fall sicher eine Einigung finden können», sagt er. Ihm wären so viele schlaflose Nächte erspart geblieben.
Lärmbeschwerde ist hängig
Doch wie geht es weiter mit der Lärmbeschwerde gegen ihn? Eine Partei habe ihre Beschwerde bereits im Mai 2023 zurückgezogen. Die andere Partei habe die Gemeinde dieses Jahr verlassen und wohnt jetzt in einem Nachbardorf, hält aber die Beschwerde aufrecht. «Ich hoffe, dass eine zweite Messung durchgeführt wird», erklärt Ernst Gerber. Dann wäre keiner der Beschwerdeführer mehr da und die Beschwerde hinfällig. Auch für Andreas Baumann ist diese erste Lärmmessung, die von der zuständigen Kantonspolizei am 1. März 2023 aufgrund der Beschwerden durchgeführt wurde, ein Dorn im Auge.
«Meine Zweifel»
Im Fachbericht der Kantonspolizei sei die Rede davon, dass Mitarbeiter der Fachstelle zwei Schellen händisch, möglichst realitätsnah «gebimmelt» haben. Aufgrund dieser Messungen sei dann der Fachbericht entstanden. «Wenn im konkreten Fall wie auf dem Land von Ernst Gerber zwei Mitarbeiter der Lärmschutzstelle der Polizei des Kantons Bern auf dem Feld herumspringen, einer davon misst und der andere bimmelt und damit zumindest einer so tut, wie wenn er ein Rindvieh wäre, dann habe ich meine erheblichen Zweifel, dass das genau gleich klingt wie das Bimmeln einer Kuh», erklärt Andreas Baumann vor der Gemeindeversammlung. Wenn dies als Messgrösse herangezogen werde laufe doch etwas falsch. Wenn das Bimmeln der Kühe auf dem Land eines Landwirtes so realitätsfern beurteilt werde, dann gebe es Konflikte mit der Landbevölkerung.
Zur Interessengemeinschaft
Das Initiativkomitee der Glockeninitiative habe nun sein Ziel erreicht und werde aufgelöst. «Unsere Arbeit ist getan», lässt Andreas Baumann durchblicken. Aber: Man habe beschlossen, das Bestreben für den Erhalt des Glockengeläuts nicht abzubrechen. «Wir haben eine Interessengemeinschaft gebildet. Sie wird dem Gemeinderat und der Behörde auf die Finger klopfen, wenn es nötig sein muss», so Baumann.
Auf der Website von glockeninitiative.ch ist eine Anleitung aufgeschaltet, wie man in einer Gemeinde vorgehen muss, um eine Glockeninitiative zu lancieren