Als ein deutscher Landwirt bei seinen Masttieren im Stall kleine Rinnsale aus Blut auf dem Rücken bemerkt, beginnt gemeinsam mit Berufskollegen auf den sozialen Medien das grosse Rätseln über deren Ursache. Die Vermutungen reichen von blutsaugenden Fledermäusen über Schwalben, Bremsen bis hin zur Dasselfliege. Die Ursache war jedoch der bisher wenig bekannte Parasit Parafilaria bovicola. Eine Nachfrage beim Institut für Parasitologie der Universität Bern zeigt: Auch in der Schweiz ist der Parasit längst kein Unbekannter mehr.

Über die Schleimhaut ins Tier

Wie Tierärztin Heike Engels im deutschen Online-Magazin für Nutztierhalter «Der Hoftierarzt» schreibt, wird der Parasit hauptsächlich über die sogenannte Augenfliege (Musca autumnalis) übertragen. Im Mitteldarm der Fliege entwickeln sich die aufgenommenen Parasitenstadien zum infektiösen dritten Larvenstadium. Das kann je nach Umgebungstemperatur von zwei bis drei Wochen bis hin zu mehreren Monaten dauern. Über die Fliegen werden die Larven im Anschluss auf Nutztiere (Endwirte) wie Rinder übertragen, indem sich diese an den Augen oder auf Wunden niederlassen.

Von dort dringen die Larven über die Schleimhaut oder eine Verletzung unter die Haut ein und wandern durch den Körper. Währenddessen häuten sich die Larven und entwickeln sich zu geschlechtsreifen Würmern. Nach der Paarung siedeln sich die geschlechtsreifen Weibchen vorwiegend in der Unterhaut an den Schulter-, Widerrist- und Halsregionen an. Dort produzieren sie erbsen- bis haselnussgrosse, mit Blut und Flüssigkeit gefüllte Verdickungen. Zur Eiablage durchbohren die Würmer die Haut – was entzündete Hautstellen und teils Blutungen verursacht. Die angelockten Stallfliegen wiederum nehmen die Wurmeier über das austretende Wundsekret und Blut auf und der Kreislauf beginnt von vorne.

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Mehrere Fälle in der Schweiz

Typisch für den Parasitenbefall sind laut Bericht der Tiergesundheitsdienste Baden-Württemberg verschieden alte, über den Körper verteilte Blutkrusten bzw. Blutstrassen auf dem Haarkleid und in der Unterhaut liegende, feste, ungefähr 2-Franken-Stück grosse Knötchen. Aus den Knötchen können teils frische Hautblutungen beobachtet werden. Nach der Rasur der Stelle lässt sich in der Mitte ein kleines Loch, ähnlich einem Insektenstich erkennen. Bei Berührung reagieren die befallenen Tiere laut Heike Engels empfindlich und abwehrend. Zusätzlich können von den Tieren auch starke Unruhe, Erregung und Juckreiz gezeigt werden.

Erstmals beschrieben wurde die Krankheit 1934 auf den Philippinen und 1935 in Afrika. In Europa trat sie zuerst 1949 in Rumänien auf. Später folgten zudem Frankreich, Schweden, Irland, Bulgarien und die Niederlande. Auch in der Schweiz konnte der Parasit bereits nachgewiesen werden. So wurde jüngst ein Fall im Tierspital Zürich bei einem 1,5-jährigen Rind beschrieben. Auch im Tierspital Bern kam es laut Caroline Frey, Parasitologin am Tierspital Bern, bereits bei Rindern wie auch bei Neuweltkameliden zu Fällen.

Im Auge eingenistet

Anders als im oben beschriebenen Zyklus verblieb der Parasit im Fall des Rindes aus dem Tierspital Zürich aber im Auge und entwickelte sich dort weiter. Bereits ein Monat vor Einlieferung des Tieres im Tierspital konnte der Tierhalter laut wissenschaftlichem Bericht ein vermehrtes Blinzeln und Augenfluss beim betroffenen Tier feststellen. Zwei Wochen vor Einlieferung ins Tierspital wurde der Fadenwurm im Auge sichtbar. Entfernt wurde der Parasit im Anschluss operativ im Tierspital.

Zum vermehrten Auftreten beitragen würden der Klimawandel und die somit höheren Temperaturen: «Da der Parasit in seinem Zwischenwirt direkt von der Umgebungstemperatur abhängig ist, trägt der Klimawandel dazu bei, dass sich das Verbreitungsgebiet weiter in vormals kühlere Gebiete ausdehnt», erklärt Caroline Frey. Die Entwicklung im Zwischenwirt (Fliege) laufe dabei schneller ab, je wärmer es sei. Vorbeugende Massnahmen gegen den Erreger sind laut Frey jedoch eher schwierig. «Allgemeine Schutzmassnahmen gegen Fliegen sowie eine gute Untersuchung auf schlecht heilende Wunden oder Augenveränderungen sind wichtig», erklärt sie.