Wir treffen Markus Ritter, den Präsidenten des Schweizer Bauernverbandes, bei ihm zu Hause im obersten Stock des neu erstellten Stalls in Altstätten SG. Hier lagern aktuell Futtersäcke mit Mais- und Graswürfeln sowie Zuckerrübenschnitzeln. Ritter schaut an die Decke des Baus und erläutert uns die Statik: Die Holzdecken, auf denen wir stehen, sind für eine Belastung von 1000 kg pro Quadratmeter ausgelegt. «Von Anfang an haben wir alle relevanten Stellen eingebunden, um Standort, Bauweise und Nutzung zu klären. Leerläufe gab es keine. Die Baubewilligung wurde danach relativ rasch erteilt», erklärt er.[IMG 2]

Modernste Technik von Anfang an integriert

Während er den Weg der Planung erläutert, führen seine beiden Söhne Adrian und Daniel unter uns die Besucher durch den Milchviehstall im zweiten Stock. Ritters setzen auf moderne Technik: Entmistungsroboter reinigen die Laufgänge und transportieren den Mist ab. Futteranschieber halten das Raufutter jederzeit ­erreichbar, der elektrische Futtermischwagen transportiert Rationen effizient, und ein Kran mit zwei Tonnen Tragkraft bewegt Material zwischen den Stockwerken. Das automatische Strohwürfel-Verteilsystem sorgt dafür, dass die Tiere immer saubere Einstreu haben.

Betriebsstruktur und Planung sind durchdacht

Der Betrieb umfasst 29 Hektaren und wird nach Bio-Knospe-Richtlinien geführt. 2023 übernahmen Adrian und Daniel Ritter die Verantwortung von ihren Eltern Markus und Heidi. Durch die Zusammenarbeit mit einem Partnerbetrieb in Hinterforst SG können Jungviehaufzucht und Futterbau effizient organisiert werden. «Die Milch geht zu Mooh», erklärt uns Markus Ritter und ist des Lobes voll für die Organisation. «Sie machen einen wichtigen und guten Job», sagt er über die letzte Produzentenorganisation in der Schweiz.

Gekäst wird in Altstätten bereits eine ganze Weile nicht mehr, wie uns der ehemalige Käser auf der Futterbühne beim Vorbeigang erklärt. Die Bauern hätten sich aufgrund der anstehenden Renovationsarbeiten bereits vor einigen Jahren dazu entschieden, die Käserei aufzugeben.

Investitionen brauchte nicht nur die Käserei. Auch Ritters Infrastruktur war in die Jahre gekommen. Der Neubau wurde nötig, weil die Winterfütterung in den zwei alten Ställen nicht mehr praktikabel war. Die Hanglage mit zehn Metern Höhenunterschied machte eine dreistöckige Bauweise möglich: Das Untergeschoss beherbergt den Jungviehstall sowie Mist- und Güllelager, der zweite Stock den Milchviehstall mit 45 Kühen und das oberste Stockwerk dient der Lagerung von Heu, Stroh und Futtermaterial.

[IMG 3-4]

Der neue Stall ist ein ausgeklügelter DeLaval-Bau

Der Stall stammt aus der Feder von DeLaval. Mario Hasler, Architekt des Projekts, erläutert die statischen Herausforderungen: «Die Lasten mussten über möglichst wenige Stützen ins Erdreich geleitet werden. Gleichzeitig gab das Raster der Abstützungen durch die Tierschutzvorschriften die Struktur der Laufgänge vor. Insgesamt wurden 600 Kubikmeter Holz verbaut.»

Architektur im Dialog mit Behörden

Die Lage im Landschaftsschutzgebiet und die Nähe zu schützenswerter Bausubstanz stellten hohe Anforderungen an die Planung. Mario Hasler erklärt: «Die Anforderungen von Ortsbildkommission und Denkmalpflege bestimmten Standort und Bauform. Ein einfacherer Neubau wurde geprüft, doch nur dieser Standort und diese dreistöckige Bauweise konnten umgesetzt werden. Dabei war auch der talseitige Balkon eine Vorgabe.»

Die Fassade ist gestuft, die Pergola an der Front dient der visuellen Auflockerung. Sie hat innen keine Funktion, sie bricht die Front und integriert den Bau in die Landschaft. «Fassadenverkleidung über Betonwänden, offene Schalung in den Giebeldreiecken und die eingefasste Photovoltaikanlage waren weitere Vorgaben», erklärt der Architekt.

Technik und Tierwohl im Detail

Die DeLaval-Technik war von Anfang an Teil des Baukonzepts. Bereits in der Planung wurde definiert, welche Roboter und Geräte installiert werden. «Die Wünsche der Bauherrschaft bilden die Grundlage für das Raumprogramm. Schon die ersten Skizzen mussten der Ortsbildkommission und der Denkmalpflege präsentiert werden», erklärt Mario Hasler.

  • Kot- und Harntrennung: Unter dem Milchviehstall verläuft ein geschlossenes Kanalsystem. Die Laufgänge bestehen aus Betonspaltenböden mit der Gummimatte Espa-Flex, die den Harn sofort ableitet. Der DeLaval-Entmistungsroboter vom Typ RC550 transportiert den Festmist direkt in die geschlossene Jauchegrube. Kanäle und Grube sind durch ein Schiebersystem getrennt und verfügen über eine Umspülung. Diese Massnahmen reduzieren Ammoniakemissionen und verbessern das Stallklima.
  • Energieversorgung: Die Photovoltaikanlage mit Batteriespeicher versorgt die gesamte Technik. Eine Aufdach-Lösung wurde gewählt, die rundum eingefasst ist und optisch wie eine Indach-Anlage wirkt. Die Trafostation wurde von den Elektrizitätswerken Altstätten und Eichberg errichtet, ein Erdungskonzept verhindert Streuströme und schützt das Tierwohl.
  • Stalltechnik: Neben Entmistungsroboter und Melkroboter umfasst der Stall einen Futteranschieber, einen elektrischen Futtermischwagen, einen Kran und das automatische Strohwürfel-Verteilsystem. Hasler betont, dass für die Roboter keine speziellen baulichen Anpassungen nötig waren; die Integration erfolgte innerhalb der üblichen Planung.

[IMG 5]

Holz aus dem eigenen Wald verwendet

Für den Holzbau wurde Holz aus dem eigenen Wald von Familie Ritter genutzt, verarbeitet im Säge- und Leimwerk. «Alle Materialien wurden auf Langlebigkeit geprüft, sodass Unterhalt und Wartung über Jahrzehnte minimal bleiben», begründet der Architekt. Durch die Kombination aus den verwendeten Materialien, PV-Stromversorgung und Kot-Harn-Trennung sei der Stall nachhaltig und wirtschaftlich effizient, ergänzt er.

Zusammenarbeit mit Behörden und Nachbarschaft

Wer selber baut, weiss: Die grösste Hürde ist neben der Finanzierung – insbesondere in der Milchproduktion – die Sache mit den Behörden und allenfalls mit unzufriedenen Nachbarn. Das Grossprojekt in Altstätten konnte ohne Einsprachen realisiert werden. Markus Ritter sagt, dass die frühzeitige Einbindung aller Beteiligten entscheidend gewesen sei, um Planungssicherheit zu gewährleisten. Sohn Adrian lässt sich zitieren: «Die Nachbarschaft zeigte grosses Verständnis. Im Mai konnten wir uns mit einem Abschlussfest bedanken.»[IMG 6]

Stalltüren für Interessierte geöffnet

Das letzte Septemberwochenende diente nun dazu, der breiten und interessierten Bevölkerung die Stalltüren zu öffnen. Auf dem beschilderten Rundweg durch den Stall wird klar, wie gross das Gebäude wirklich ist. Um sich den ganzen Überblick zu verschaffen, reicht ein einmaliger Besuch kaum. Und doch müssen wir noch vor dem Mittagessen wieder talwärts. Auf dem Rückweg zum Dorf fällt der Blick nochmals auf die gestufte Front, die Pergola und den eindrücklichen Bau, der den Hang überragt. Der Stall bleibt lange sichtbar – ein ritterlicher Palast für Kühe, der modernste Technik, Tierwohl und durchdachte Architektur in einem funktionalen Gebäude vereint.