«Warum breitet sich die Varroa-Milbe so stark in den Völkern aus?», fragt sich sicher der eine oder andere Imker. Auch stellt die Behandlung mit Ameisensäure viele Imker nicht zufrieden, da die Säure eine starke Belastung für die Bienen darstellt. Ein Grund für die starke Ausbreitung der Varroa dürfte darin liegen, dass die arteigenen Bedürfnisse der Bienen in der intensiven Imkerei zu kurz kommen, ist Emanuel Hörler, Imker und Bienenforscher, überzeugt. Er organisiert die jährliche Bienentagung in Rehetobel AR, welche dieses Jahr zum dritten Mal stattfand. 

Putzen hilft gegen Varroa-Milben

Petra Studer-Heiniger betreut fünf Bienenvölker. Sie liebt es, ihren Bienen durch ein Glasfenster im Bienenstock zuzuschauen, erzählt sie den Teilnehmenden an der Tagung. «Es ist wie Meditieren», sagt Studer. Es fasziniert sie das gegenseitige Putzverhalten. Die Bienen zeigen ihren Artgenossinnen, wenn sie von ihnen geputzt werden wollen. Beim Putzen werden Milben zerbissen und fallen von den Tieren ab. 

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[IMG 4] Früher hat die Imkerin ihren Bienen nach der Honigentnahme Zucker gefüttert. Dabei fiel ihr auf, dass sie danach keine putzende Biene mehr sah. Beeinflusst die künstliche Fütterung etwa das Putzverhalten? «Das ist nicht wissenschaftlich bewiesen», sagt sie, aber zumindest wirft ihre Beobachtung diese Frage auf. Studer ist ausgebildete Kinder-Krankenschwester. «Ich lernte im Kinderspital, meiner Wahrnehmung und meiner Intuition zu vertrauen», sagt sie und ist überzeugt, dass diese Fähigkeit ihr auch bei der Beobachtung ihrer Bienen eine Hilfe ist. «Geht vermehrt nach eurem Gefühl», empfiehlt sie ihren Imkerkolleginnen und -kollegen. 

Anstatt auf Ameisensäure zum Abtöten der Varroa-Milbe setzt die Bienenhüterin auf den Bücherskorpion. Dies ist ein wenige Millimeter grosser Pseudoskorpion, der sich als Jäger von Staub- und Bücherläusen sowie Hausstaubmilben nützlich macht. Im Bienenstock vertilgt der Bücherskorpion die Varroa-Milbe. Studer sammelt die Bücherskorpione auf einem Heustock ein und lässt sie aus dem Glas in ihre Bienenstöcke krabbeln. Ihre naturnahen Bienenstöcke bieten den Skorpionen einen guten Lebensraum und diese schützen die Bienen vor der Varroa-Milbe – eine ideale Symbiose.

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Zu wenig natürliches Futter

[IMG 6] Matthias Lehnherr ist Mitautor des «Schweizerischen Bienenvaters» und Autor des «Imkerbuchs». Warum gibt es Schädlinge im Bienenstock? Lehnherr fällt auf, dass in der Schweiz die Bienendichte viel zu hoch ist und die Bienen oft zu wenig natürliches Futter haben. Entsprechend den Erkenntnissen der Bienenforscher Leslie Bailey in England und Thomas Seeley in den USA könnten dies Gründe dafür sein, dass Milben wie die Varroa und Viren eine so grosse Gefahr für Bienenvölker darstellen. «Parasiten sind nicht die Ursache eines Völkersterbens, sondern die Begleiterscheinung geschwächter Völker», postuliert Bailey. 

Schwächende Faktoren seien eine fehlende Tracht, lang anhaltendes schlechtes Wetter, unhygienische imkerliche Eingriffe wie Wabentausch und fehlende Wabenerneuerung sowie eine hohe Bienendichte. Eine Resistenzzucht sei nicht zielführend, denn resistent gezüchtete Völker könnten ebenso gut erkranken wie nicht auf Resistenz gezüchtete. 

Thomas Seeley erforscht seit Jahrzehnten das Leben wilder Honigbienenvölker im Arnot Forest der Cornell University. Milben-resistente Bienenvölker, die aus dem Wald zum Institutsgelände gebracht wurden, starben ebenso schnell an der Varroose wie die regulären Völker. «Die Lebensumstände eines Bienenvolkes sind ebenso wichtig wie die natürliche genetische Anpassung», folgert der Bienenforscher. Der Abstand zwischen den Völkern sollte möglichst gross sein; die Fütterung mit Zucker, künstliche Königinnenzucht und Wanderbienenhaltung ­seien zu vermeiden. Dagegen sollte man das Schwärmen der Bienen erlauben, da es zur Reinigung des Volkes beiträgt.

Biodiversität bietet Nahrung

[IMG 5] Die Vielfalt oder Biodiversität der Pflanzen bildet eine gesunde Nahrungsgrundlage der Bienen. Bis etwa in die Mitte des letzten Jahrhunderts gehörte die Landwirtschaft zu den Förderern der Biodiversität, führt Andreas Bosshard aus. Er ist biologisch wirtschaftender Landwirt und leitet das Beratungsbüro «Ökologie und Landschaft GmbH» in Oberwil-Lieli AG. Die Landwirte versuchten, mehr Ertrag aus ihren Feldern zu generieren, indem sie intensiver wirtschafteten. «Die Intensivierung brachte den Bauern aber kein Glück», hält Bosshard fest. Sie führt nicht nur zu einem Rückgang der Biodiversität, der Vielfalt an Pflanzen und Tieren, sondern sie sei auch wirtschaftlich oft ein Fehlschlag. Ein Beispiel sei die Weidehaltung. 

Vergleiche zwischen Betrieben mit intensiver Stallhaltung und Vollweide, auf welcher die Kühe ihr Futter auf der Weide suchen und kein Kraftfutter erhalten, zeigten, dass der Stundenlohn im Durchschnitt bei Vollweide mehr als doppelt so hoch ist als im intensiven Produktionssystem, dies bei zugleich höherer Netto-Produktion an Kalorien. «Biodiversität und eine nachhaltige, produktive und wirtschaftliche Landwirtschaft sind keine Gegensätze», folgert Bosshard. Man könne mit Biodiversität sogar mehr verdienen als mit (über)intensiver Landwirtschaft.

Zu viele Bienen in den Städten
[IMG 7] In den Medien ist immer wieder zu lesen, dass es zu wenig Honigbienen gibt. Dem widerspricht Joan Casanelles Abella. «Die Honigbienen sind nicht im Rückgang begriffen.» Nicht einmal in städtischen Agglomerationen in der Schweiz. Der Biologe aus Barcelona macht ein Nachdoktorat an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL und untersucht dabei die Bienenbestände in Schweizer Städten. In den untersuchten 14 Schweizer Städten gebe es etwa 6370 Bienenvölker, in Zürich sind es 1200. 

«Das Stadtimkern ist in», stellt der Wissenschaftler fest. Nicht nur Bienenfreunde, sondern auch Organisationen, die ihre Verbundenheit mit der Natur zeigen möchten, stellen in der Stadt Bienenstöcke auf. Da diese oft auf kleinem Raum konzentriert sind, gibt es zu wenige Futterquellen für die Bienen. Auch stecken diese sich gegenseitig mit Krankheiten an und verdrängen wegen der Futterkonkurrenz gar Wildbienen, von denen in Zürich mehr als 160 Arten gezählt werden. «Wir haben inzwischen zu viele Honigbienen in den Städten, viel mehr, als die Grünflächen ernähren können», konstatiert Casanelles Abella. Er fordert eine «angemessene Regulierung» der Imkerei. Vor allem seien die Bienenvölker besser in den Städten zu verteilen und die Völkerdichte sei nach den vorhandenen Ressourcen auszurichten. Zu diesem Zweck sollten Stadtimker zusammen mit Naturschützern, Politikern und Forschern die möglichen Standorte planen.

Biodiversität ist machbar

Die Vielfalt oder Biodiversität der Pflanzen bildet eine gesunde Nahrungsgrundlage der Bienen. Bis etwa in die Mitte des letzten Jahrhunderts gehörte die Landwirtschaft zu den Förderern der Biodiversität, führt Andreas Bosshard aus. Er ist biologisch wirtschaftender Landwirt und leitet das Beratungsbüro «Ökologie und Landschaft GmbH» in Oberwil-Lieli AG. Die Landwirte versuchten, mehr Ertrag aus ihren Feldern zu generieren, indem sie intensiver wirtschafteten. «Die Intensivierung brachte den Bauern aber kein Glück», hält Bosshard fest. Sie führt nicht nur zu einem Rückgang der Biodiversität, der Vielfalt an Pflanzen und Tieren, sondern sie sei auch wirtschaftlich oft ein Fehlschlag.

Ein Beispiel sei die Weidehaltung. Vergleiche zwischen Betrieben mit intensiver Stallhaltung und Vollweide, auf welcher die Kühe ihr Futter auf der Weide suchen und kein Kraftfutter erhalten, zeigten, dass der Stundenlohn im Durchschnitt bei Vollweide mehr als doppelt so hoch ist als im intensiven Produktionssystem, dies bei zugleich höherer Netto-Produktion an Kalorien. «Biodiversität und eine nachhaltige, produktive und wirtschaftliche Landwirtschaft sind keine Gegensätze», folgert Bosshard. Man könne mit Biodiversität sogar mehr verdienen als mit (über)intensiver Landwirtschaft.