Vor 30 Jahren, genau am 22. März 1994, sind Ursula und Beat Wüthrich auf den Berghof Tiefmatt gezogen. Mit dabei waren ein paar Simmentalerkühe, eine grosse Portion Mut und viel Tatendrang. Der Alpbetrieb Tiefmatt mit seinem Restaurant liegt auf 1260 Metern über Meer in der Berner Gemeinde Court und gehört der Burgergemeinde Lengnau. Er umfasst 90 ha LN, davon sind 24 ha Heumatten.
«Wir sind quasi ein Familienunternehmen, unsere Kinder mussten schon früh mithelfen.»
Bei Familie Wüthrich aus dem bernischen Court packen alle mit an.
«Der Anfang war schwierig, die Arbeit nahm kein Ende und ich hatte vom Wirten keine Ahnung», erzählt Ursula Wüthrich am Küchentisch von den Anfängen auf dem Bergbetrieb. Die Mutter der vier Buben Christian, Stefan, Adrian und Nicolas musste vor dem Umzug noch die Wirteprüfung absolvieren, hat es aber geschafft, aus der Tiefmatt ein bekanntes und begehrtes Bergrestaurant zu machen.
Aus 40 Bewerbungen ausgewählt worden
«Wir sind quasi ein Familienunternehmen, schon früh mussten unsere Kinder im Stall oder im Restaurant mithelfen», sagt Ursula Wüthrich stolz. Jeder ihrer Buben kann heute kochen, alle vier sind Bauern, führen selbst einen Betrieb oder möchten die Tiefmatt später übernehmen.
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Aus 40 Bewerbungen haben Wüthrichs vor 30 Jahren den Zuschlag für die Tiefmatt erhalten. Beat Wüthrich ist im nahe gelegenen Obergrenchenberg aufgewachsen, kannte bereits als Kind das raue Klima des Juras. Die Standbeine von Familie Wüthrich sind bis heute die Viehzucht, die Milchproduktion und das Restaurant.
Käsen lohnt sich finanziell mehr als die Kälbermast
«In den ersten Jahren gingen wir mit der Milch noch hinunter nach Court, doch in den Wintermonaten wurde das wegen des Schnees zur Tortur», weiss die Bäuerin noch. Wüthrichs wechselten dann auf die Kälbermast, vertränkten die Milch ihren Mastkälbern. Seit ein paar Jahren verkäsen sie einen Teil ihrer Milch selbst. «Wir produzieren vor allem Mutschli und etwas Frischkäse mit verschiedenen Gewürzen», sagt Ursula Wüthrich. «Das ist finanziell auf jeden Fall besser als die Kälbermast», fügt sie an.
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Die grosse Leidenschaft der Familie ist aber die Simmentaler-Reinzucht. Im Stall hat es Platz für 26 Kühe plus das Jungvieh. «Wir wollen eine robuste Bergkuh mit gutem Fundament und gutem Euter», sagen Wüthrichs. Nicht gern gesehen seien Simmentalerkühe mit rotem Farbschlag. «Das war auch der Grund, warum wir seinerzeit unsere Kiley als tragendes Rind an Michael Aebersold aus Diemtigen verkauft haben», wissen Wüthrichs noch. Später führte Aebersold seine Kiley dann an der Eliteschau in Bern vor, wo sie zur Rassensiegerin erkoren wurde.
Der Natursprung hat Tradition
Nicht nur schöne Kühe, sondern auch der Natursprung hat bei der Züchterfamilie Wüthrich grosse Tradition. «Die bekannten Simmentalerstiere Nineron und Dario waren hier. Daneben einige Stiere aus der Zucht von Gilbert Christen. Die haben uns Milch gebracht», so die Züchterfamilie. Von Nineron und der Stammkuh Furka entstand der Stier Mont-Blanc, der einige Zeit bei Swissgenetics im Zweiteinsatz stand.
«Ich hatte eigentlich nie Angst
vor grossen Stieren»
Ursula Wüthrich war eine der ersten Frauen, die in Thun einen Muni vorführten.
Ursula Wüthrich, die eigentlich Handarbeitslehrerin gelernt hat und in Weissenstein bei Meikirch aufgewachsen ist, hat ein Händchen für die Stierenhaltung. «Ich hatte eigentlich nie Angst vor grossen Stieren», erzählt sie. Da ihr Mann in den 90er-Jahren Rückenprobleme hatte, führte sie ihren grossen Stier am Munimärit in Thun selber vor. «Gut, die Männer schauten damals schon ein wenig komisch», sagt sie lachend. Neben ihr führte wahrscheinlich nur noch Martha Perren aus St. Stephan grosse Stiere am Märit in den Ring.
In der Bergwirtschaft ist viel Flexibilität gefragt
Heute führen Wüthrichs ihren Betrieb in einer Generationengemeinschaft. «Unsere Söhne Adrian und Nicolas möchten die Tiefmatt einmal übernehmen», freut sich Ursula Wüthrich. Sie werde aber sicher weiterhin im Restaurant tätig sein. Denn ihre selbst gemachte Rösti oder ihre legendären Steaks sind weitherum bekannt. «Früher, mit den langandauernden Hochnebellagen, war das Restaurant voll», weiss die Bäuerin zu erzählen.
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Heute seien diese Wetterlagen selten und das Planen der Kundschaft schwieriger geworden, man müsse einfach flexibel sein. «In der Gaststube hat es Platz für 80 Personen und niemand geht hier mit leerem Magen weg», sagt sie bestimmt. Hungrig soll auch niemand am 18. Mai weggehen. Denn dann feiert die Familie Wüthrich auf der Tiefmatt ihr 30-Jahr-Jubiläum mit einem öffentlichen Grillfest und Schwyzerörgelimusik. Ab 16 Uhr geht es los; alle sind recht herzlich willkommen.