Die beiden Weltkriege haben die Entstehung der Wanderschäferei in der Schweiz begünstigt. Damals wurde sie hauptsächlich von Besitzern und Hirten aus unseren Nachbarländern geführt.

25 bis 30 Wanderherden

Heute ziehen ungefähr 25 bis30 Wanderschafherden während vier Wintermonaten über die Grünflächen der schweizerischen Tal- und Hügelregionen. Mit dem Klimawandel könnte dieses traditionelle Produktionssystem infolge der stetig milderen Winter und damit verlängerten Vegetationsperioden in Zukunft noch zusätzlich an Bedeutung gewinnen.

Wir besuchten den passionierten Schafkenner Stefan Sprunger aus Bubendorf BL, welcher vor zwölf Jahren einen Zwölf-Hektaren-Betrieb erwarb und sukzessive in die Schafhaltung investierte. Heute hält der gelernte Metzger 280 Mutterschafe, daraus werden jährlich ohne Nachzucht 500 Lämmer ausgemästet und über die Handelsfirma Lüscher und Zwahlen vermarktet.

Schafhaltung zu aufwendig

Anfänglich wurden die Schafe mehrheitlich im Stall gehalten, was die Produktion einer grossen Menge Dürrfutter und Silage sowie Zukauf von Kraftfutter abverlangte. Dank guten Einvernehmens mit den Nachbauern konnte die Winterweide auf ihren Flächen ausgedehnt werden, was eine Senkung der Kosten versprach.

Den Sommer verbringen die Mutterschafe sowie Frühlingslämmern auf der Alp Baberg und Gitschen im Isenthal UR mit Herdenschutzhunden. Ab Ende August werden schlachtreife Lämmer aussortiert. Für den Bauernsohn mit viel Unternehmergeist war der gesamte ­Aufwand noch zu hoch und die zukünftige Situation unbefriedigend.

«In milden Wintern wie heuer kann das Grasangebot unerschöpflich sein.»

Stefan Sprunger, Wanderschäfer, Bubendorf BL.

 

Neueinstieg geglückt

Der Gedanke einer Wanderschafherde mit vollständiger Winterweide und die ausschliessliche Haltung der hochträchtigen Auen zur Vorbereitung auf die Geburt und den monatlichen Start der Lämmer im Stall war schon lange Sprungers Traum.

Mit der Aufstockung seiner Wanderherde mit Auen des Schafhalterkollegen Philipp Wicki aus dem luzernischen Sörenberg und der Anstellung einer Schafhirtin mit viel Herzblut konnte der langersehnte Traum des Betriebsleiters in die Tat umgesetzt werden.

Aufwendige Administration

Ein Gesuch bei den kantonalen Ämtern für Landwirtschaft und Veterinärwesen war notwendig. Diese erteilten die Bewilligung und legten die Route fest. Nachdem seit über vierzig Jahren keine Wanderherde mehr durch den Kanton gezogen war, fehlte bei den Beteiligten das erforderliche Know-how. Im Normalfall können die Herdenbesitzer ihre Route selber bestimmen, wenn sie sich mit den übrigen Wanderschäfern und den Grundeigentümern einig sind.

Robuste und gesunde Tiere

Es folgten unzählige Kontrollen gemäss den Vorgaben der Tierseuchenverordnung durch den Kantonstierarzt bezüglich Gesundheitszustand (Parasiten, Klauen) sowie die Doppelmarkierung für die TVD.

Leichtere Auen mit ausgesprochenem Mutterinstinkt, guter Fruchtbarkeit und guten Milchleistungen sowie einer hohe Krankheitsresistenz, einem angemessenen Wollkleid und natürlich vitalen Lämmern, sind gute Voraussetzungen für dieses System, sagt Sprunger. Bei der Zucht wurde schon früh auf das weidetaugliche, Schottische Blackface als Mutterlinie gesetzt und mit Fleischrassen-Widdern (Dorper, Texel, Charolais) gepaart, bei deren Nachkommen bis zur F4-Generation noch ein gewisser Heterosiseffekt durchschlägt.

Herde homogenisieren

Die erfahrene Hirtin Sarah Müri aus Oberems VS hatte die letzten drei Sommer eine Herde mit 250 Schafen ins Walliser Turtmanntal geführt. Zur Herstellung eines guten Vertrauensverhältnisses zwischen Schafherde, Hund und Hirtin seien die drei Wochen zur Angewöhnung entscheidend.

Anfänglich kennen sich die Schafe nicht, daher braucht es viel Geduld, Zusprache und enges Gehüt. Um dies zu erleichtern, werden die Flächen mit Weidenetzen eingezäunt. Es lohne sich, mit der Herde viel zu laufen, weiterzugehen, sagt Müri. Die beiden Hunde der Rasse «Berger des Pyrénées» brauchten viel Abwechslung und Konsequenz, um eine Herde zusammenzuschweissen oder zu homogenisieren, weiss sie.

Route und Grasqualität

Die mit den ständig ablammenden Auen und ihren Lämmern angewachsene Herde hat sich auf 400 Tiere erhöht. Monatlich werden schlachtreife Lämmer aussortiert und an zugänglicher Strasse sorgfältig und möglichst stressfrei in die Transporter verladen.

Obwohl die Landbewirtschafter über den Durchgang der Herde informiert wurden, kontaktiert Sprunger sämtliche Bauern vor und nach der Beweidung beim ersten Durchgang. Erstaulicherweise haben sich sehr wenige dagegen ausgesprochen, die meisten Bauern sehen einen echten Nutzen der Beweidung für die Entwicklung der Grasnarbe.

Ein Auge für gute Grasqualität zu haben kommt nicht von ungefähr, Naturwiesen mit nachgewachsenen Stoppeln von wertvollen Gräsern werden schon von Jungtieren bevorzugt und am liebsten beweidet.

Perspektiven der Schäferei

Die beiden Fachleute sind nach der zweiten Winterhälfte über das gute Gelingen positiv ­überrascht. Das Gesamtpaket muss stimmen und schlussendlich ist auch das gute Image bei der Bevölkerung und den Konsumenten massgebend. Wanderschafherden erfüllen einen volkswirtschaftlichen Auftrag im Naturkreislauf, sind die ­beiden überzeugt und wollen den Entscheid für die Planung 2020 /2021 mit erweiterter Herde fällen. Die milden Temperaturen der letzten Winter mit der Klimaerwärmung sorgen besonders in tieferen Lagen für ein unerschöpfliches Grasangebot.

Chance für Profis

Gerade neue Zusammenarbeitsformen, eine effizientere Bürokratie beim Tierverkehr sowie die weitere Verbesserung der Tiergesundheit könnten die Winterweide durch professionell geführte Betriebe weiter verbreiten. Nicht zuletzt fallen diese Projekte mit gut ausgebildeten, motivierten Hirten, welche noch grösstenteils in der Schweiz fehlen. Dieser anspruchsvolle Beruf stellt hohe Anforderungen an die Persönlichkeit, arbeitet man doch vielfach unter harten Bedingungen vielfach alleine und muss mit der Einsamkeit umgehen können.

Weitere Informationen: Verband Schweizerischer Berufsschäfer www.berufsschaefer.ch