Es war eine Weltpremiere im beschaulichen Berner Bauerndörfchen Hellsau: Im Frühjahr 2019 haben Hans Leuenberger und sein Sohn Mathias den weltweit ersten Minergie-zertifizierten Pouletmaststall gebaut (die BauernZeitung berichtete).
«Ich bin sehr zufrieden mit dem Stall. Das Stallklima ist angenehm und die Tiergesundheit gut», sagt Mathias Leuenberger heute, der Mastpoulets für Micarna produziert. Bei 30-tägiger Mast hat es in der Halle Platz für 12 450 Tiere oder bei 37-tägiger Mast für 8730 Tiere.
Ein langer Weg
Dass aus der Halle ein Minergie-Stall wurde, war eher Zufall. Leuenbergers verzweifelten fast an den strengen Anforderungen des Kantons an den Bau. So fluchte Hans Leuenberger eines Tages bei einem Bekannten darüber. «Da sagte mir dieser, ‹wenn du schon die Holzfassade bauen musst, dann isoliere doch einfach etwas besser. Vielleicht schafft ihr dann sogar den Minergie-Standard›», erinnert sich Hans Leuenberger zurück.
«Ohne Pioniergeist nicht möglich»
Bis zur Minergie-Zertifizierung war es ein langer Weg. Es dauerte fünf Jahre vom ersten Baugesuch bis zur Baubewilligung. «Man muss ganz klar sagen: Ohne den Pioniergeist von Hans und Mathias wäre das Projekt gar nicht möglich gewesen», sagt David Stauffer, Geschäftsführer der Stallbaufima Globogal AG.
Es gab zum Beispiel gar keinen Minergie-Standard für Geflügelmastställe. Dieser musste erst erarbeitet werden. «Dass die eingebaute Wärmerückgewinnung funktioniert, wussten wir, aber Minergie war auch für uns Neuland», sagt Stauffer. Globogal hat bereits über 50 Pouletmasthallen mit Wärmerückgewinnung (WRG) verbaut.
Der Stall in Kürze
Die Geflügelhalle erfüllt die Anforderungen von Minergie A. Das heisst, sie produziert mehr Energie als sie verbraucht. Gleichzeitig erfüllt sie auch den Standard P, was heisst, dass das Gebäude optimal gedämmt ist.
Der Stall weist eine Nutzfläche von 600 m2 und einen Aussenklimabereich (Wintergarten) von 120 m2 auf. Auf dem Dach befindet sich eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 70 kWp. Dieser ist ein Wasserwärmespeicher (20 000 Liter) und ein Stromspeicher (Salzbatterie18 kWh) angeschlossen.
Die Wärme wird mit einer Sole-Wasser-Wärmepumpe mit einer Leistung von 41 kW generiert. Die Wärmeverteilung im Stall erfolgt über eine Warmwasser-Rippenrohrheizung
Halle kostete eine Million
Die beiden Landwirte mussten nicht nur viele behördliche Widerstände überwinden, sondern auch viel Geld in die Hand nehmen. Die Halle kostete eine Million Franken.
Rund 150 000 Franken davon waren nötig, um den Minergie-A-Standard zu erreichen. Davon erhalten Leuenbergers einen gewissen Betrag wieder zurück, denn für den Minergie-A-Standard gibt es 100 Franken pro Quadratmeter beheizter Fläche.
Energie sparen ist auch Geld
Die Investition sollte sich für die Familie Leuenberger durch die Energiesparmöglichkeiten wieder auszahlen. Um herauszufinden, ob sich die berechneten Einsparpotenziale bewahrheiten würden, wurde der Stall von April 2019 bis April 2020 als Leuchtturmprojekt getestet.
Dabei wurden im Stundentakt alle relevanten Tier-, Energie- und Stallklimaparameter vom Produktionscomputer «Image 2» aufgezeichnet. Dank der Webapplikation «Webchick» sind die Daten für Auswertungen oder spätere Vergleiche auf einem Server gespeichert. Der Monitoring-Bericht wurde durch das Bundesamt für Energie unterstützt und liegt nun vor. «Wir freuen uns, dass er die erwarteten Energiesparpotenziale bestätigt», sagt David Stauffer.
Wärmebedarf liess sich halbieren
Das sind die wichtigsten Resultate:
- Wärmebedarf: Der Wärmebedarf für die Heizung lässt sich durch die Wärmerückgewinnung in der Abluft und die bessere Wärmedämmung der Bauhülle mehr als halbieren.
- Energieeinsparung: Die Wärmerückgewinnung ist für etwa drei Viertel, die bessere Wärmedämmung für etwa einen Viertel der Einsparungen verantwortlich.
- Investitionen: Die Investitionen für den Wärmetauscher lassen sich laut Bericht durch die Energieeinsparungen in drei bis vier Jahren zurückzahlen.
- Photovoltaik-Anlage: Die Photovoltaik-Anlage auf dem Dach produziert mehr als doppelt so viel Strom, wie für die Heizung (Wärmepumpe), Lüftung (EC-Lüfter), Beleuchtung (LED) und sonstige Einrichtungen benötigt werden.
- Strombedarf: Dank Wärme und Stromspeicher werden etwa 87 Prozent des gesamten Strombedarfs des Stalles durch die Photovoltaik-Anlage gedeckt.
- Mehrkosten: Die Mehrkosten des Minergie-Pilotstalls werden laut Bericht bei den aktuellen Energietarifen unter Einbezug der Förderbeitrag durch die tieferen Energiekosten kompensiert.
- Jahreskosten: Eine Senkung der Jahreskosten durch Optimierung ist möglich.
- Einstreu: Dank der tiefen relativen Feuchtigkeit war die Beschaffenheit der Einstreu während der ganzen Dauer der Umtriebe sehr gut.
- Tiergesundheit: In allen Umtrieben wurden bei den Tieren praktisch keine Fussballengeschwüre verzeichnet. Bei konventionellen Ställen ohne Wärmerückgewinnung liegt die mittlere CO2-Konzentration, vor allem in der kalten Jahreszeit, oft weit über 2000 ppm (parts per million). Durch die höhere relative Feuchtigkeit wird die Einstreu feucht, was zu den schmerzhaften Fussballenverletzungen führen kann.
Ställe mit Zukunft, aber...
«Wir wollten mit dem Pilotversuch zeigen, dass Minergie in Geflügelmastställen technisch und wirtschaftlich möglich ist. Dieses Ziel haben wir erreicht», sagt David Stauffer.
Trotzdem gebe es noch Schwierigkeiten, ergänzt René Steiner von der Firma WPC Wärmepumpen-Center AG in Worb BE, welche die Technik zur Wärmepumpe geliefert hat: «Eine Knacknuss ist sicher die Finanzierung. Dazu muss man leider sagen, dass das Interesse der Integratoren in der Branche noch klein ist.» Auch fehle es an Forschung auf dem Gebiet, weil beispielsweise Agroscope zu wenig Mittel zur Verfügung habe.
Grosse Abhängigkeit bei Gas
«Trotzdem glaube ich, dass wir mit unserem erfolgreichen Projekt zeigen konnten, dass Minergieställe in der Pouletmast Zukunft haben», zeigt sich David Stauffer optimistisch. Mit ihrem Stall seien Leuenbergers weitgehend unabhängig von Energielieferanten. «Herkömmliche Pouletmastställe werden in der Regel mit Gas beheizt. Warum man sich in der heutigen Zeit noch dafür entscheidet und sich damit in eine grosse Abhängigkeit begibt, ist mir schleierhaft», so Stauffer.