Ende August führte der Schweizer Tierschutz (STS) im Reitsportzentrum Heimenhausen seinen jährlichen Pferdeworkshop für Teilnehmende der Kampagne «Pferde RAUS» und Mitglieder des STS Pferdelabels durch. Fritz und Carla Zahnd sind dabei, ihren bisherigen Stall mit Einzelboxen in einen Aktivstall für 12 bis 15 Pferde umzubauen. «Sie haben ihr Projekt gut durchdacht und sind offen für neue Ideen», leitet Sandra Schaefler von der STS-Fachstelle Heimtiere und Pferde den Erfahrungsaustausch ein.
Gruppenhaltung ist natürlich
«Die Gruppe ist für die Pferde das Natürlichste der Welt», sagt Tochter Nadja Zahnd, passionierte Freizeit-Springreiterin und treibende Kraft hinter dem Stallumbau. Reitsportkollegen rieten ihr zwar von der Gruppenhaltung ab, doch sie blieb bei ihrer Meinung, dass – wie sie sagt – jedes Pferd es verdiene, so natürlich wie möglich gehalten zu werden. Die Gruppenhaltung funktioniert aber nicht einfach von sich aus. Man muss nicht nur den Stall richtig strukturieren, sondern auch die Tiere viel beobachten und sich in sie hinein fühlen.
Ein Aktivstall, auch Bewegungsstall genannt, ist mehr als nur ein Stall. Er besteht aus vielen Elementen, wie Liegebereich, Fressplätze, Wälzbereiche, Schattenplätze, eine Wasserfurt etc., die auf einer grossen Fläche verteilt und durch eingezäunte Wege, sogenannte Trails, verbunden sind. Der Rundgang um den ganzen «Stall» beträgt in Heimenhausen 600 bis 700 m.
Bewegung gleich Begegnung
In der Natur sind Pferde Bewegungstiere. Sie müssen sich weitläufig ihr Futter suchen. Doch im Stall oder Paddock stehen Pferde nur herum, wenn man ihnen keine Anreize gibt, erklärt Fritz Zahnd. «Nicht alle coolen Sachen dürfen sich am selben Ort befinden», bringt es Anja Zollinger vom Schweizerischen Nationalgestüt Avenches (SNA) auf den Punkt. Bewegung hält die Pferde nicht nur körperlich fit, sondern fördert auch deren Sozialkompetenz, ergänzt Martin Klaus, Projektleiter bei der Schauer Agrotronic AG. Indem nämlich die Pferde einander begegnen, müssen sie auch aufeinander eingehen und entsprechend reagieren. Das Pferd ist ein Herdentier, es braucht Artgenossen. Der Umgang mit diesen macht es ausgeglichener und zufriedener. Auch Auseinandersetzungen gehören dazu, selbst dann, wenn sie kurzfristig zu Stress führen. Familie Zahnd hat ihren Pferden in Gruppenhaltung die Eisen an den Hinterhufen abgenommen, um Verletzungen beim Ausschlagen mit der Hinterhand möglichst zu vermeiden. Die sozialen Begegnungen gehören zum natürlichen Verhalten des Herdentieres.
Futter, ein Hauptantrieb
Der wichtigste Motor für die Bewegung der Pferde bildet das Futter. Als «Dauerfresser» sind Pferde 16 bis 18 Stunden am Tag mit Nahrungssuche beschäftigt. Erhalten sie allerdings zu viel nährstoffreiches Heu oder Kraftfutter, setzen sie Fett an und es steigt das Risiko für eine Hufrehe. Es gibt in der Pferdehaltung verschiedene Möglichkeiten, rationiert und doch so zu füttern, dass die Pferde über lange Zeit Raufutter aufnehmen können. Man kann den Pferden das Raufutter an einer Raufe unter einem Netz anbieten, aus dem sie die Halme herauszupfen müssen oder man kann sie öfter am Tag zeitgesteuert füttern. Die Firma Agrotronic hat sich auf die Entwicklung automatischer Fütterungssysteme spezialisiert. 15-mal am Tag zu füttern mache Sinn, sagt Martin Klaus. Es lassen sich auch einzelne Pferde, die sehr schnell oder sehr langsam fressen, selektionieren und extra füttern oder man verwendet eine Abruffütterung, letzteres vor allem für Kraftfuttergaben. Voraussetzung ist eine Tiererkennung entweder über einen in der Mähne eingeflochtenen Chip oder über ein Transponder-Halsband. «Am besten funktioniert eine Kombination der verschiedenen Sys-teme», empfiehlt Klaus. Es komme immer auf die Zusammensetzung der Herde an und dass der Pferdehalter und die Pferdehalterin seine bzw. ihre Tiere gut beobachte.
Alle sollen liegen können
Die Liegefläche in einem Gruppenstall sollte flexibel unterteilbar sein. Gut eignen sich Streifenvorhänge oder an der Decke aufgehängte Gummimatten als Sichtschutz. Immer wieder kontrollieren, ob alle Pferde liegen, empfiehlt Anja Zollinger. Am besten ist es, die Trennwände so zu installieren, dass sie jederzeit wieder entfernt werden können, erklärt Christa Wyss vom Schweizerischen Nationalgestüt in Avenches. Denn nicht alle Pferde fühlten sich wohl, wenn sie die anderen Tiere nicht beobachten könnten. Die Tierschutzverordnung verlangt mindestens 8 m2 je Pferd ab einer Gruppe von fünf Tieren, besser seien jedoch 12 m2 also das 1,5-fache. Die Liegefläche soll nicht tiefer als fünf Meter und entlang der Längsseite offen sein, da die Liegefläche sonst zu einer Durchgangsschleuse wird und die Pferde nicht ruhig liegen können.
Familie Zahnd hat sich entschlossen, zusätzlich eine Chill-out-Box einzubauen. Diese hat einen automatisch schliessenden Ein- und Ausgang. Sie soll einzelnen Pferden einen geschützten Rückzugsort bieten, an dem sie nicht von anderen gestört werden, und kann auch als Integrationsboxe dienen.
Elemente einbeziehen
Die Verbindungswege, die Trails, sind in Heimenhausen 3,5 bis4 m breit. Wichtig ist, dass sie keine Sackgassen bilden. «Sie dürfen nicht matschig werden», betont der Eigentümer der Anlage. Dazu müssen sie durchlässig sein, aber an der Oberfläche dürfen sie ruhig hart sein. Zahnds haben Ecoraster direkt auf den Naturboden gelegt und darüber groben Rundkies gestreut. InZukunft möchten sie Erbsen-kies verwenden. «Ein Aktivstall bietet viele ungenutzte Nischen, um etwas für die Natur und andere Tierarten zu schaffen», macht Fabienne Meier von der Beratungsfirma Faunadea aufmerksam.
Holunder gegen Mücken
Zahnds haben entlang ihres Trails und vor allem in den sonst ungenutzten Ecken einheimische Bäume und Hecken gepflanzt, die Lebensraum für Kleintiere wie Vögel, Käfer und Schmetterlinge bieten. Neu gepflanzte Douglasien und eine Weidenallee sollen den Pferden Schatten bieten, Holunderbüsche sollen Stechmücken abhalten.In einer Ecke des Aktivstalles ist eine Wasserfurt geplant, wo sich eventuell ein Biotop ausgrenzen lässt.