Die Blauzungenkrankheit (BTV) hat im letzten Jahr den Hof von Michael Sutter in Bretzwil BL schwer getroffen. Der Milchproduzent und Kälbermäster schildert drastische Auswirkungen auf seine Tiere. Als wir Sutter telefonisch erreichen, steht er gerade im Kälbermaststall. «Den Mastkälbern geht es aktuell gut», sagt er. Doch gerade hier hatte er noch vor gar nicht allzu langer Zeit grosse Probleme. «Von siebzig Abkalbungen hatten wir zehn tote Tiere – manche mussten wir erlösen, andere sind tot geboren oder kurz nach der Geburt verstorben», berichtet er. Dies, nachdem im vergangenen Herbst bereits rund 10 Prozent der Kühe einen Spätabort hatten.

Das Virus ist zurück

Nun hat sich die Situation beruhigt – aber Michael Sutter ist sicher: Das Virus ist zurück. Sein Betrieb kalbt saisonal ab, daher kommen derzeit keine Kälber mehr zur Welt. «Im April hatte ich noch ein Kalb, das wir einschläfern mussten», erzählt er. Für ihn steht fest: Es gibt Tiere, die das Virus dauerhaft in sich tragen. «Neuste Studien zeigen, dass das Virus bis zu neun Wochen im Tier aktiv bleiben kann, und wir hatten auch in unserem Betrieb noch im Januar Tiere positiv auf das Virus getestet», betont er. «Das ist ein richtiger Viruspool – und wir sind diesem voll exponiert.» In seinem Bestand sei gerade eine neue Welle im Gange, wie er meint. «Einige Kühe haben Fieber, aber sonst keine äusseren Symptome – vermutlich wegen der Impfung», sagt er.

«Das ist ein richtiger Viruspool.»

Michael Sutter, Landwirt aus dem Kanton Baselland.

Was ihn besonders beunruhigt: Viele infizierte Tiere würden gar nicht erkannt. «Und das Virus wurde weitergetragen – unter anderem mit den Tränkern in andere Gruppen. Das ist für mich eine tickende Zeitbombe.» «Wir wissen schlicht zu wenig. Es gab sicher auch Mutationen. Mehr als impfen können wir nicht tun – wir müssen lernen, mit der Situation umzugehen.»

Die Krankheit zeige sich auf jedem Betrieb anders, sagt Michael Sutter weiter. Das mache das Ganze noch viel unberechenbarer. «Viele merken es erst, wenn die Rinder leer bleiben oder die Kühe nicht mehr kalben. Es gibt keine klare Systematik.» Auch auf seinem eigenen Hof sei das Bild diffus. «Manche Tiere sind geschwächt, da reicht ein zusätzlicher Faktor – bei anderen merkt man kaum etwas. Es ist multifaktoriell, schwer greifbar und enorm individuell.»

Trotz aller Erfahrung bleibt bei Michael Sutter am Ende vor allem eines: die Hoffnung, dass das Virus nicht zu stark mutiert hat, sodass die Impfung gegen BTV-3 noch ihre Wirkung zeigen kann. Zudem hat er vor zwei Wochen die erste Impfung gegen die BTV-Serotypen 4 und 8 verabreicht. In seiner Region gab es bereits im vergangen Jahr einzelne Fälle des Serotyps 8.

Bereits im Februar berichtete der Regionalsender Telebasel über die schwierige Lage auf dem Hof von Michael Sutter. Damals sagte er im TV-Beitrag, er fühle sich von den Behörden im Stich gelassen. Eine Entschädigung sei nicht in Sicht, sein Dossier werde nicht bearbeitet, Rückmeldungen blieben aus. Die Aussagen wirkten alarmierend: «Man wird hingehalten, es gibt keine Antwort», sagte Sutter gegenüber Telebasel.

Heute sieht es nur geringfügig besser aus. Der Kanton Baselland stellt ihm inzwischen eine Entschädigung von 90 Prozent in Aussicht. Doch konkrete Zahlungen oder finale Entscheidungen fehlen weiterhin. Die Schadensabschätzung sei zwar erfolgt, so Sutter, doch es gehe nicht weiter. Besonders unklar bleibe zudem, ob auch Totgeburten entschädigt werden – ein nicht unerheblicher Aspekt des Schadens.

Die Auswirkungen der Blauzungenkrankheit zeigen sich nicht nur in betroffenen Betrieben, sondern schlagen zunehmend auch auf den Viehhandel durch. Der Ostschweizer Viehhändler Michael Hinder von der ASF berichtet von einer prekären Lage, die sich in der gesamten Ostschweiz zeige – unabhängig von der Region.

Mehr als erwartet

«Wir stellen fest, dass es deutlich mehr Blauzungenkälber gibt, als wir dachten», sagt Hinder. Viele dieser Tiere würden blind geboren, verendeten kurz nach der Geburt oder kümmerten. «Wir haben 80 bis 90 Tage alte Kälber, die nicht einmal 80 Kilogramm erreichen. Diese Qualität reicht schlicht nicht – für die Mastgruppen.» Im Einzeliglu auf dem Geburtsbetrieb funktionierten sie oft noch, aber in Gruppen zeigten sich massive Probleme: «Sie trinken nicht, sie haben Stress – eine Weitermast ist unmöglich», so Hinder. Auch die Mäster meldeten entsprechende Schwierigkeiten zurück.

«Kantönligeist hilft uns nicht weiter.»

Michael Hinder, Viehhändler ASF Ostschweiz.

Der Handel leidet unter dieser Situation spürbar: Tiere fehlen in allen Kategorien – nicht nur in der Mast und der Aufzucht. Der zusätzliche Stress durch Transporte und die Vermischung in der Mast verschärften die Lage. «Wenn ein Tier ohnehin geschwächt ist, kann es diesen Druck nicht mehr kompensieren», sagt Hinder. Untersuchungen auf BTV finden zwar statt, aber nicht systematisch. «Es gibt sowohl bei Aufzuchtkälbern als auch bei Masttieren positive Befunde», erklärt Hinder.

Ein weiteres Problem sieht Michael Hinder im fehlenden einheitlichen Vollzug der Massnahmen: «Wir haben Tränker aus verschiedenen Kantonen – jeder macht es anders. In einem Kanton darf man etwas, im anderen nicht – oder umgekehrt.» Dieses föderalistische Flickwerk frustriere zunehmend. «Es ist absurd: Wir sperren Betriebe, sagen aber gleichzeitig, das Virus werde nicht von Tier zu Tier übertragen.»

Der Ruf nach klaren nationalen Vorgaben wird lauter: «Hier müsste das Bundesamt wirklich den Finger draufhalten. Der Kantönligeist hilft uns in dieser Krise kein bisschen weiter», ist der Händler sicher. Die Auswirkungen seien gravierend – und ein Ende sei nicht in Sicht. «Es sieht nicht danach aus, als würde das einfach abflachen», warnt Hinder.