«Trotz vielfacher Bemühungen stehen zurzeit keine in der Schweiz zugelassenen Kalzium-Infusionen mehr zur Verfügung», schreibt die Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte (GST). Wie gross die Lagerbestände bei den einzelnen Praxen noch sind, könne nicht abgeschätzt werden. Um den Engpass zu überbrücken, könnten Veterinärpharma-Firmen mit den entsprechenden Bewilligungen unter Umständen im Auftrag der Tierärztinnen und Tierärzte Medikamente aus dem Ausland importieren, soweit dort Ware zur Verfügung stehe.

Bis diese Importe organisiert sind, empfehlen die Schweizerische Vereinigung für Wiederkäuermedizin (SVW) und die GST verschiedene Massnahmen, unter anderen die gegenseitige Aushilfe zwischen den Praxen oder auch eine Auswahl der zu behandelnden Tiere. So seien nur klinisch kranke Tiere zu behandeln und keine prophylaktischen Infusionen durchzuführen. Effektive Massnahmen zur Festliegeprophylaxe unterstützen: Verfettung Ende Laktation verhindern, in der Galtzeit Kationen-Anionen-Verhältnis anpassen (Kalium minimieren, ggf. Saure Salze einsetzen), orale Verabreichung von Kalzium, insbesondere von Präparaten mit guter Kalziumverfügbarkeit und Vitamin-D3-Gabe.

Vitamin-D3 ist keine Lösung

Vor eben dieser Vitamin-D3-Gabe warnen aber Agronomen und Futtermittelberater. Nicht richtig eingesetzt könne sie unter Umständen viel mehr Schaden als Nutzen bringen. «Vitamin D3 muss sieben bis zehn Tage vor dem Abkalbetermin verabreicht werden», weiss Markus Burkard von der Multiforsa in Auw AG. Ein genauer Abkalbetermin sei aber zu diesem Zeitpunkt einfach nicht abschätzbar.

Burkard ist sicher, eine wirklich funktionierende Alternative zur Kalzium-Infusion habe die klassische Veterinärmedizin nicht. Umso wichtiger werde die Prophylaxe. Wissenschaftlich erwiesen sei, dass rund die Hälfte der Milchkühe an einer subklinischen Hypokalzämie (Milchfieber) leidet. Hier sind keine erkennbare Krankheitszeichen sichtbar. Ebenfalls bekannt ist, dass diese subklinische Hypokalzämie immer gemeinsam mit einer subklinischen Ketose auftrete. Und hier stellt sich die Frage: Was war zuerst, das Huhn oder das Ei? Milchfieber sollte daher immer mit einer Ketose-Prophylaxe einhergehen.

Galtmineralstoff einsetzen

Im Bereich der Prävention spricht Markus Burkard eine eigentlich altbekannte Regel an: kein zusätzliches Kalzium in der Galtzeit. Der Bedarf an Magnesium, Vitaminen und Spurenelementen sei in jener Zeit aber erhöht. Und da der Trockensubstanz-Verzehr in der Galtphase tiefer ausfällt, ist entsprechend die Verabreichung eines angereicherten Mineralstoffs angezeigt. Ein entscheidender Fehler sei, dass gar kein oder aber der gleiche Mineralstoff eingesetzt werde, den auch die in Laktation stehenden Kühe erhalten. Davon rät der Agronom eindringlich ab. Besser sei, die Mineralstoffversorgung bedarfsgerecht nach Galtzeit, Startphase und Laktation zu unterscheiden.

Leckschalen vermeiden

Gefragt danach, in welcher Form der Galtmineralstoff am besten verabreicht wird, sagt Markus Burkard: «Als Pellets in einer Mischung oder direkt in der Krippe.» Wichtig sei auch, diesen nicht zur freien Ver-fügung anzubieten, sondern quasi zwangsverabreicht, um sicherzustellen, dass es nicht zum Luxuskonsum kommt oder der Mineralstoff gar ganz gemieden wird. Von Leckschalen rät der Berater ab. Diese würden immer Zement enthalten, was wiederum Kalzium enthält. Wer den Mineralstoff nicht an der Krippe verabreichen wolle, greife besser zu einem Bolus.

Es gibt Alternativen

Was aber, wenn die Kuh bereits am Boden liegt? Für solche Fälle ist Multiforsa gerüstet. «Wir haben ein Produkt, das eine Kuh innert 20 Minuten aufstellen kann», sagt Markus Burkard. Als solches ausgelobt werden dürfe es nicht, da es sonst als Medikament gelte.

Unabhängig des Anbieters: Der beste Weg, die Kuh wieder auf die Beine zu stellen, sei immer die orale Verabreichung eines Mittels. Und hier gelte, je flüssiger das Kalzium, umso besser wird es aufgenommen, da es rasch über die Pansenwand ins Blut gelangt.

Was nach der Abkalbung zu tun ist

Markus Burkard erinnert schliesslich an eine adäquate Kalziumversorgung nach der Abkalbung. Der Kalziumbedarf steigt mit ansteigender Milchleistung in der Frühlaktation an und muss entsprechend mit einem kalziumreichen Mineralstoff gedeckt werden.

Entscheidend in der Behandlung einer akuten Hypokalzämie sei, dass die Kuh noch wach sei und schlucken könne, denn nur dann könnten ihr sinnvolle Präparate verabreicht werden. Ist dieser Punkt einmal überschritten, sei es schwierig, sie noch zu behandeln. Dann kämen Infusionen zum Einsatz, die aktuell aber vielerorts nicht mehr zur Verfügung stehen.