Herr Flückiger, Sie haben zusammen mit IP-Suisse, die auch Auftraggeberin war, eine neue Agroscope-Studie vorgelegt, die bestätigt, dass die von Bauen erbrachten Tierwohlleistungen heute nicht über Labelprämien und Direktzahlungen kostendeckend abgegolten werden. Hat Sie das Resultat überrascht?

Nein. Wir haben im Frühjahr mit den beiden Marktanalysen Fleisch aufzeigen können, dass sich die Labelproduzenten nicht proportional am Markterfolg beteiligen können und ihre Produzentenanteile an der Gesamtwertschöpfung geringer sind als beim konventionellen Sortiment. Nun haben wir darüber hinaus bestätigt erhalten, dass Labelproduzenten im Rind- und Schweinefleisch-Bereich zusätzlich ihre Kosten für die Tierwohlleistungen nicht decken können.

Was waren in drei Sätzen die wichtigsten Erkenntnisse für Sie?

Die Erkenntnis, dass es dem Tier nur gut gehen kann, wenn es auch dem Bauer gut geht, ist immer wieder zu betonen! Obwohl die Produzenten kurzfristig auch bei einer Unterdeckung weiter produzieren, können wir langfristig nur mehr Tierwohl in den Ställen haben, wenn den Landwirten die dafür erbrachten Mehrleistungen über Labelprämien und Direktzahlungen kostendeckend abgegolten werden. Die Studie hat auch gezeigt, dass die höheren Strukturkosten und Marktrisiken der Labelproduktion oft unterschätzt werden. Jetzt wissen wir auch, dass die Produzenten deutlich mehr vom Markt abhängig sind, d.h. zu rund zwei Dritteln von der Labelprämie der Abnehmer und zu rund einem Drittel von den Direktzahlungen (Beiträge BTS/RAUS).

Was muss jetzt passieren?

Aus den Ergebnissen lassen sich nun die minimalen Preiszuschläge berechnen. Anderseits konnten die Risiken der mengenmässigen Stagnation bei den Labelmärkten Fleisch offengelegt werden, weil viele Produzenten ihre Labelprämien nicht vollständige ausbezahlt erhalten. Alle Akteure haben nun Verantwortung zu übernehmen, insbesondere auch die Gastronomie, um die Labelmärkte wieder auf den Wachstumspfad zurückzuführen. Natürlich müssen da auch die KonsumentInnen mitspielen. Schliesslich hat auch der Bund eine Anreizstrategie für die Tierwohlproduktion in Angriff zu nehmen, die über die Kostendeckung hinausgeht.

Wie geht die Absatzoffensive Labelfleisch des STS nach dieser Studie weiter?

Zusammen mit allen Hauptakteuren wollen wir weiterhin rasch die tierfreundliche Produktion ankurbeln. Mit der Marktanalyse Milch sind wir derzeit daran, mehr Transparenz in den Labelmilchmarkt zu bringen und die Ursachen zu finden, weshalb die vom STS empfohlenen Tierwohllabel zwar an Bedeutung gewinnen, aber auf tiefem Niveau. Zudem wollen wir die Branche vom Ansatz «Maximale Produzenten-Konsumentenpreisrelationen» überzeugen. Damit wären auch die Probleme der Kostendeckung gelöst, wenn sich die Wertschöpfungsanteile der Produzenten proportional zur übrigen Wertschöpfung bewegen.

Das Interview wurde schriftlich geführt.