Esel sind keine Pferde. «Wir möchten vor allem die Unterschiede der Esel gegenüber den Pferden hervorheben», leitet Jan Kocher den Online-«Horse Talk» an der der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL ein. «Leider wird der Esel oft nicht richtig verstanden», führt Hanspeter Meier, ehemaliger Tierarzt an der Pferdeklinik Bern, aus. Seine Lebensweise und sein Verhalten sind nicht dieselben wie die des Pferdes.

«Esel sind weder dumm noch störrisch»

Die ursprüngliche Heimat des domestizierten Esels ist Ostafrika. Sein Lebensraum ist geprägt von heissen und trockenen Gegenden, wo ihm nur wenig Futter und Wasser zur Verfügung stehen. Die wilden Vorfahren lebten eher in gebirgigem Gelände und mussten täglich 14-16 Stunden nach Futter suchen und legten dabei oft zwischen 20 und 30 km zurück, erklärt Meier. Auch mussten sie sich auf ihren Instinkt verlassen können. «Esel sind weder dumm noch störrisch“, betont er. Sie seien vorsichtig und wägten gefährliche, unbekannte Situationen ab. Man muss ihnen deswegen Zeit geben, wenn sie nicht gleich das tun, was man von ihnen erwartet. Das Haarkleid des Esels ist im Gegensatz zu dem des Pferdes nicht fettig. Das macht den Esel empfindlich gegenüber Regen, aber auch gegen Kälte und Wind. Auf der Weide benötigen Esel deswegen einen Unterstand.

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Esel gehen Paar-Bindungen ein

Im Gegensatz zu den Pferden bilden Esel keine Haremsgruppen, die Hengste leben zwar nicht ganz alleine, aber die meiste Zeit separat von den Stuten. Esel zeichnen sich durch starke Paar-Bindungen aus. Dies gilt es für die Eselhalterin und den Eselhalter zu beachten; das Trennen von befreundeten Eseln kann sogar dazu führen, dass sie krank werden. Esel verteidigen ihr Territorium, das heisst aber nicht, man solle sie zum Schutz von Schafherden in den Alpen einsetzen, schränkt der Eselkenner ein. Für Wölfe, vor allem wenn mehrere angreifen, wird der Esel eher zur Beute, als dass er die Schafherde verteidigen kann. Ausserdem ist das Futterangebot auf den Alpweiden meistens zu energiereich und führt zu Huf- und Stoffwechselkrankheiten.  «Die Zucht von Eseln ist anspruchsvoll», betont Meier. Vor allem sollte die Haltung von Hengsten Fachleuten überlassen werden. Während bei uns tierschutzrelevante Probleme mehr in einer nicht artgemässen Fütterung und zu wenig Beachtung des Sozialverhaltens liegen, werden Esel in Entwicklungsländern vor allem als Arbeitstiere gehalten und oft über ihre Kräfte beansprucht.

Esel in der Schweiz und in Europa
In der Schweiz leben etwa 11'000 Esel und 570 Maultiere/Maulesel gegenüber etwa 100'000 Pferden. In südlichen Ländern Europas wie Bulgarien, Portugal und Griechenland sind die Eselbestände deutlich höher.

«Esel ertragen Schmerzen stoisch»

Es ist manchmal schwierig zu erkennen, ob ein Esel krank ist, denn sie maskieren ihre Schmerzen. «Sie ertragen sie stoisch», erklärt Conny Herholz, Professorin und Leiterin Pferdewissenschaften an der HAFL in Zollikofen BE. Dass man ihnen den Schmerz nicht ansieht, heisst nicht, dass er nicht vorhanden ist. Die Bildung des Stresshormons Cortisol ist beim Esel nicht geringer als beim Pferd. Ein Alarmzeichen, dass es einem Esel nicht geht, ist, dass er weniger Futter aufnimmt. Auch das ist nicht immer gleich erkennbar, denn der Esel streicht mit den Nüstern über das Futter, scheint zu kauen, aber schluckt das Futter nicht. Man spricht von «Scheinfressen». Im Gegensatz zum Pferd, das bei Schmerzen ruhelos in der Box hin und hergeht, bleibt der Esel still stehen, ein Zeichen für Stress und Schmerzen. Es sei ungewöhnlich, dass Esel abliegen oder sich wälzen, wenn sie krank sind. «Wenn Esel Schmerzen zeigen, sind sie meistens nicht mehr zu retten», weiss Herholz aus ihrer Praxis als Tierärztin zu berichten.

Wichtige Erkrankungen des Esels

Eine grosse Gefahr für die Gesundheit der Esel ist die Hyperlipidämie. Wird nicht gleich bemerkt, dass Esel nicht fressen und krank sind, kommt es zum überstürzten Abbau von Körperfetten, die das Blut überfluten und innere Organe zerstören. Die Esel werden apathisch und fressen gar nicht mehr. Ein Teufelskreis, der oft einen Notfall oder sogar den Tod der Tiere zur Folge hat. Grundsätzlich kann eine Hyperlipidämie bei allen Eseln vorkommen, häufiger aber bei älteren oder fetten Tieren oder auch bei Miniatureseln. Der überstürzte Fettabbau tritt dann ein, wenn der Energiebedarf grösser ist als die Aufnahme, z.B. bei einer Erkrankung mit vermindertem Appetit, während der Trächtigkeit oder der Laktation, wenn mehr Energie für die Milchproduktion gebraucht wird. Als relativ häufige Krankheiten des Esels nennt Herholz die Hufrehe, Hufabszesse, Sarkoide – lokale, bösartige und rasch wachsende Hauttumore ausgelöst durch Bovine Papillomaviren  – Zahnerkrankungen und Parasitenbefall. Die Verstopfungskolik auf Grund von Stress oder zu energiereichem Futter kommt beim Esel im Vergleich zum Pferd häufiger vor und verläuft nicht selten sogar tödlich.

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Esel haben eine effiziente Verdauung

Esel sind an extrem karge und trockene Standorte mit stark wechselnden Temperaturen angepasst. Sie fressen nicht nur Gräser, sondern auch Rinden, Äste und Blätter, beschreibt Ingrid Vervuert den Speiseplan der Esel, wobei sie auch Maultiere und Maulesel einschliesst. Vervuert ist Professorin im Institut für Tierernährung, Ernährungsschäden und Diätetik der Uni Leipzig und Lehrbeauftragte am HAFL. «Esel suchen schmackhaftes Futter wie zum Beispiel Süssgräser und legen dafür grosse Distanzen zurück», beschreibt die Tierernährungswissenschaftlerin das Nahrungssuchverhalten. Der Magen-Darmtrakt, insbesondere der Dickdarm, ist bei Eseln auf eine sehr effiziente Verdauung von nährstoffarmem und faserreichem Futter wie Getreidestroh ausgelegt. Das Futter verweilt länger im Dickdarm als bei Pferden. Esel nutzen Proteine besser und haben deswegen einen geringeren Proteinbedarf. Ihre hohe Dursttoleranz darf nicht darüber hinweg täuschen, dass sie einen etwa gleich hohen Wasserbedarf wie Pferde haben, nämlich 3,5 bis 9,5 Liter pro 100 kg Körpermasse und pro Tag. «Esel haben bei intensiven Arbeiten enorme Schweissverluste», betont Vervuert. Deswegen sollte man Arbeitstieren, zum Beispiel den Maultieren in der Armee, mindestens alle vier Stunden Wasser anbieten und etwas jod- und fluorfreies Speise- oder Viehsalz ins Futter geben. Beim Vitamin- und Mineralstoffbedarf stellt man bis heute meistens auf die Empfehlungen bei Pferden ab.

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Schmackhafte Futtermittel für kranke Tiere

Gras hat je nach Jahreszeit einen hohen Energie- und Proteingehalt. Ein unkontrollierter Weidegang stellt deswegen ein hohes Risiko dar, dass Esel hochgradig verfetten und an Hufrehe leiden. Eine Einschränkung der Weidezeit führe nicht zu einer geringeren Futteraufnahme, da die Tiere sich dann ganz auf das Fressen konzentrierten und weniger Sozialkontakte pflegten. Es sei vielmehr darauf zu achten, welche Futtermittel man Eseln anbietet. Hafer- und Weizenstroh eignen sich gut. «Man kann dem Esel deutlich mehr Stroh füttern als dem Pferd», hält die Spezialistin für Eselernährung fest. Es können 90 % oder mehr Stroh in der Ration sein, das durch energie- und proteinreicheres Heu ergänzt wird. Gras für die Heuernte sollte erst nach der Blüte geschnitten werden. Für abgemagerte oder arbeitende Esel eignen sich aber auch Heu aus jüngerem Gras sowie eventuell auch etwas Hafer. Wichtig sind Salz-Lecksteine sowie Rinden, Äste und Blätter. Bei kranken Eseln empfiehlt die Tierärztin, schmackhafte Futtermittel wie Rübenschnitzel oder eingeweichte Heucobs in kleinen Mengen zuzufüttern. Pfefferminzsirup, Minze, Karotten, Äpfel usw. können den Appetit der kranken Tiere anregen.