Es ist eine der Königsdisziplinen in der Landwirtschaft. Die Rede ist von der Ferkelaufzucht. Eigentlich spricht fast alles für Durchfall, erklärte der seit vergangenem Sommer pensionierte Veterinär Xaver Sidler, vormals Tierarzt mit eigener Praxis im Luzernbiet und später bekanntlich Professor für Schweinemedizin an der Uni Zürich. Ihm lauschte gespannt ein Saal voller Schweineprofis, auf Einladung der Landis rund um Sursee LU.

Im Gegensatz zum Mensch etwa kommen die Ferkel aufgrund einer mehrschichtigen Plazenta der Sau ohne Antikörper auf die Welt. Rasch kommen sie in Kontakt mit Tausenden von Keimen und Bakterien in der Abferkelbucht, selbst in den saubersten Ställen. Dazu kommt ein Temperaturschock.

Viel wurde bereits unternommen

[IMG 2]Ohne perfektes Management rund um die Geburt nehme das Ganze kein gutes Ende. Doch der Reihe nach. Erkrankungen entstehen erst dann, wenn ein krankmachender Erreger vorhanden ist, der Empfänger, in diesem Fall das Ferkel, empfänglich ist und keine oder eine ungenügende Immunität den Ausbruch verursacht bzw. fördert. Dagegen gibt es Massnahmen. Einige Erreger/Krankheiten wurden in der Schweizer Schweinepopulation ausgerottet, andere werden systematisch bekämpft und zumindest kann jeder Betriebsleiter die Erregermenge reduzieren und die Einschleppung verhindern.

Weiter setzt die Schweiz im Zuchtprogramm auch auf die Resistenzzucht (siehe Kasten) und Immunität kann passiv (Kolostrum) oder aktiv (Impfung) hergestellt und das Immunsystem zusätzlich gestärkt werden. Bezüglich Keimdichte auf dem Boden hilft das Überstreuen ein wenig, das Ausmisten ein bisschen mehr und erst mit dem Hochdruckreiniger und je nach Problem einer Desinfektion werden aus unzähligen Bakterien pro cm² «nur» noch ein paar Tausende. «Nach jeder Reinigung und Desinfektion bleiben Restkeime», sagte Sidler. Die Feuchtigkeit fördere Keimwachstum, ein schnelles Abtrocknen, etwa unterstützt durch Aufheizen, könne sinnvoll sein.

Ohne Diagnostik ein Blindflug

Xaver Sidler machte sich stark für eine präzise Diagnostik, sollte es dann doch zum Krankheitsausbruch, also in unserem Fall zum Ferkeldurchfall kommen. Tupfer seien gut und recht, bei grösseren Problemen sei der Goldstandard aber, ein lebendes Ferkel in die Diagnostik zu geben. Die Nachweise seien so am zuverlässigsten. Der Bund subventioniert den Untersuch mit Fr. 300.–, davon bleiben Fr. 100.– beim Schweinezüchter. In einer deutschen Studie wurden als Verursacher von Coli-Durchfall bei Saugferkeln in 60 % Coli F4 nachgewiesen, bei den Absetzferkeln waren es noch 27 %, dafür 47 % F18.

Biestmilch ist auch bei den Schweinen der Schlüssel zum Erfolg. Die so wichtige Immunglobuline-Konzentration in der Milch nimmt rasant ab. Wichtig ist gemäss Sidler, dass alle Ferkel möglichst rasch eine Zitze finden. «Und solche mit einem runden Bauch darf man ruhig mal wegnehmen, damit Kleinere auch eine Chance haben.» In dieser Phase nach der Geburt Zeit zu investieren, lohnt sich folglich. Eine weitere Studie zeigte, dass ab 200 Gramm Biestmilch Saugferkelverluste stark abnehmen.

Impfen hilft im Schweinestall

Xaver Sidler machte sich fürs Impfen im Schweinestall stark. Mehrere gute Mutterschutzimpfungen gegen Coli und Clostridien seien auf dem Markt. Und von den beiden neuen Enteroporc Coli und Entericolix verspricht er sich einiges.

Wichtig ist auch, die Produkte richtig anzuwenden. In der Praxis wurde er mal auf einen Betrieb gerufen, bei dem trotz Impfung die Hälfte der Ferkel in der ersten Woche nach der Geburt starben. Es stellte sich heraus, dass die Nadel zu kurz gewählt wurde und nur das Fett erreichte. Sidler empfiehlt eine Kanüle von 4 cm.

Weitere Massnahmen gegen Durchfall:

  • Gutes Mikroklima im Stall
  • Rein/Raus
  • Reinigung und Desinfektion
  • Waschen der Muttersauen
  • Schadnager- und Fliegenbekämpfung.

«Geimpft wird seit drei Jahren»
Auf dem Betrieb Oedenwil der Ruckstuhl-Genetik im luzernischen Pfaffnau wird mit rund 160 Muttersauen der Rassen Edelschwein und Premo Kernzucht betrieben.Dazu kommen 500 Remonten-Aufzuchtplätze. In den Stallungen arbeiten nebst Betriebsleiter Remo Ruckstuhl zwei familienfremde Vollzeitangestellte und sein Vater macht Ablösungen. «Saugferkeldurchfall ist eigentlich immer eine Herausforderung», so der Schweine-Profi. Im Gegensatz zu anderen Krankheiten komme es bei den noch schwachen Ferkeln rasch zu Todesfällen. Ruckstuhl war anfänglich eher skeptisch gegenüber der Mutterschutz-Impfung und setzte auf Management-Massnahmen im Kampf gegen den Ferkeldurchfall. Ohne gutes Management rund ums Abferkeln gehe es auch heute nicht. Aber seit rund drei Jahren wird geimpft.

Über die so mit mehr Antikörpern angereicherte Milch die kleinen Ferkel zu schützen, mache Sinn. Voraussetzung ist allerdings, dass auch der richtige Impfstoff eingesetzt wird. Dazu liess er Kot seiner Ferkel analysieren. Heute impft er gegen Stämme von Coli und Clostridien Typ A, das erste Mal zwischen dem 60. und dem 80. Trächtigkeitstag, die zweite Dosis zwischen dem 80. und dem 100. Tag. Wobei zwischen den beiden Behandlungen 3 Wochen liegen. Gepaart mit weiteren Massnahmen konnte er mit der Impfung den Saugferkeldurchfall praktisch eliminieren. «Eine grosse Erleichterung», sagt er. Entsprechend sank auch der Einsatz von Tierarzneimitteln.

In letzter Zeit machten ihm die Nachkommen der Jungsauen eher wieder zu schaffen. Den «Erstlen» schenkt er besondere Beachtung, da diese noch fragil seien, erstmals Milcheinschuss haben und auch die Gefahr von Milchfieber erhöht sei. Nach dem Absetzen älterer Sauen stallt er bereits tragende Jungsauen dazu in die Gruppe, für mehr Kontakt und den Aufbau von Anti­körpern. «Geht es der Mutter gut, geht es meist auch den Ferkeln gut», so der ­Züchter.