Die rote Vogelmilbe ist den meisten Geflügelhaltern nicht fremd. Gerade in diesem Jahr, welches von feucht-warmem Wetter geprägt ist, fühlt sich der Parasit sehr wohl. «Wir sehen bei unseren Kunden dieses Jahr oft grossen Druck mit Vogelmilben», bestätigt Barbara Wehrli, Geflügeltierärztin bei der Tierarztpraxis Gallivet aus Schötz LU.
Langlebige Bestände sind betroffen
Die rote Vogelmilbe gehört in der Geflügelhaltung zu den bedeutendsten Parasiten. «In der Mehrheit der Legehennenställe sind Milben zu finden, die Aufzuchtställe sind mehrheitlich milbenfrei», so Wehrli. Auf den Aufzucht- und Mastbetrieben ist der Milbendruck aufgrund der engmaschigeren Reinigungsintervalle geringer. Bei langlebigen Beständen auf Legehennenbetrieben ist der Milbendruck deutlich höher.
Gut versteckt in Nischen und Ritzen der Stalleinrichtung
Die Vogelmilbe ist ein sogenannter Ektoparasit. Dies bedeutet, dass sie sich in der unmittelbaren Umgebung ihres Wirtstieres aufhalten, wo sie auch ihre Eier ablegen. Im Gegensatz dazu, leben Endoparasiten im Körperinneren ihres Wirtes. Tagsüber ist die Milbe für gewöhnlich nicht auf dem Körper der Hühner zu finden.
Warme Temperaturen sorgen für explosionsartige Vermehrung
Gut versteckt auf der Unterseite der Sitzstangen, in den Nischen der Legenester, in Steckverbindungen der Inneneinrichtung oder in Klappscharnieren warten die Milben auf die Nacht. Dann krabbeln die Parasiten auf die Haut der Wirtstiere und saugen Blut. Bei einer Umgebungstemperatur von zehn bis 15 Grad Celsius können vollgesogene Milben bis zu 190 Tagen überleben. Bei einer ansteigenden Umgebungstemperatur von 20 bis 25 Grad verringert sich die Überlebensdauer der Parasiten zwar auf sechs bis 14 Tage, die Vermehrung findet allerdings explosionsartiger statt.
Die unempfindlichen Parasiten können sich gut anpassen
Über längere Zeit leerstehende Stallgebäude sind auch in der kalten Jahreszeit keine Garantie für Milbenfreiheit. Sogar bei nur fünf Grad Celsius und einer relativen Luftfeuchtigkeit von 90 Prozent gelingt es den Parasiten noch nach fünf Monaten ohne Blutmahlzeit, Eier abzulegen und sich erfolgreich fortzupflanzen. Die Parasiten sind also sehr gut an ihre Umweltangepasst und können auch unter suboptimalen Bedingungen noch weitere Milbengenerationen hervorbringen.
Beim Befall leidet das Tierwohl und die Wirtschaftlichkeit
Weil ein hoher Milbendruck in der Geflügelhaltung ernsthafte Konsequenzen für den Geflügelbestand hat, spielt ein gewissenhaftes Management eine grosse Rolle. Sobald Landwirte und Landwirtinnen einen Befall feststellen, sollten sie umgehend handeln. Denn werden die Hühner in der Nacht von den Milben heimgesucht, leidet das Tierwohl. Die Tiere stehen unter hoher Belastung, da die Stiche der Milben Blutverlust, Hautreizungen und Schmerzen verursachen. Dies kann zum kannibalistischen Bepicken der Haut, und bei jungen Tieren sogar zu Blutarmut und Tod führen. Zudem verringert sich die Legeleistung sowie die Schalenqualität.
Auch Krankheiten können durch Milben übertragen werden
Unter den Leistungseinbussen in Folge eines hohen Milbendrucks leidet auch die betriebliche Wirtschaftlichkeit. Studien zeigen zudem, dass die rote Vogelmilbe auch Viren und Bakterien, wie beispielsweise die Aviäre Influenza, Salmonellen, Geflügelcholera und Geflügelpocken übertragen kann. Da die Milbe ein sogenannter zoonotischer Erreger ist, kann sie auch auf andere Wirte übergehen. Obwohl der Primärwirt der Milbe Haus- und Wildgeflügel ist, kann sie sich bei Kontakt auch auf andere Säugetiere und den Menschen übertragen. Allerdings passiert dies zumeist erst, wenn der Milbendruck bereits hoch ist, so Barbara Wehrli. Wichtig ist also, den Befall frühzeitig zu erkennen.
Nervosität als Indiz für den Milbenbefall
Ein typisches Anzeichen eines Befalls ist eine ständige Be-unruhigung innerhalb der Herde. Die Tiere sind vermehrt nervös und verlieren ihren gewohnten Rhythmus. Auch wenn Eier des Öfteren ausserhalb der Legenester gefunden werden, kann dies auf einen Befall hindeuten. Die legenden Tiere werden von den Milben gestört und legen die Eier in andere Stallbereiche. Gewissenhafte Stallhygiene, frühzeitiges Erkennen der Milben-Anzeichen durch ein ständiges Bestandes-Monitoring und eine prompte Bekämpfung ist für eine erfolgreiche Milbenkontrolle zielführend, so Barbara Wehrli.
Strategien zur Milbenbekämpfung
- Vor dem Einstallen, kann ein Silikatstaub auf sämtliche Einrichtungsgegenstände aufgebracht werden. Die Partikel des Silikatstaubes wirken schmirgelnd und absorbierend. Sie setzen sich in die Gelenkspalten der Milben, wo sie zu kleinen Verletzungen führen. Körperflüssigkeiten können so ungehindert austreten und die Milbe trocknet infolgedessen komplett aus. Diese Art der Bekämpfung zählt zu den biophysikalischen Methoden.
- Zu den chemischen Mitteln zählen Kontaktinsektizide, die auf die Stalleinrichtung aufgesprüht werden. Bei der Milbe kommt es zu einer Lähmung des Atemzentrums, sobald sie mit dem Insektizid in Kontakt kommt. Allerdings werden Milben schnell resistent gegen bestimmte synthetische Insektizide. Beim Menschen können diese zudem allergische Reaktionen auslösen.
- Eine biologische Bekämpfungsmethode ist der Einsatz von Raubmilben, die die rote Vogelmilbe in all ihren Entwicklungsstadien auffressen. Weitere biologische Methoden sind zum einen das Erhitzen der Stallgebäude über 45 Grad oder das Aufbringen von Öl auf die Sitzstangen. Die ölige Oberfläche erschwert das Vorankommen und somit den Bewegungsradius der Milben. Das Öl soll zudem die Atemöffnungen der Parasiten verschliessen.
- Medikamentös können Milben beispielsweise über Präparate bekämpft werden, die über das Trinkwasser des Geflügels verabreicht werden. Diese reichern sich im Blut der Tiere an und töten die Milbe nach dem Blutsaugen ab.