Knallen, bunte Lichter und viel Rauch – das gehört für viele zum 1. August dazu. (Bild Pixabay) Umwelt 1. August: Wie sich Feuerwerk auf Mensch, Tier und die Umwelt auswirkt Tuesday, 28. July 2020 «Es war die totale Überforderung», schildert Sarah Anderhub. Sie kann sich noch gut an den 18. November 2023 erinnern, als es in ihrer Gemeinde ein nächtliches Feuerwerk gab. «Es war bewilligt, aber wir wussten nichts davon.» Als die Knallerei anfing, wurden Menschen und Tiere auf dem Hof Herrendingen aus dem Schlaf gerissen. Die beiden Kinder weinten vor Angst. Videoaufnahmen zeigen, wie die Zucht-Sennenhündin und ihre Welpenschar aufschrecken, Schweine, Ziegen und ein Herdenschutzhund rennen verstört über die Auslauffläche und die Pferde suchen abwechselnd Schutz im Stall oder im Laufhof. Auch die Gallowayrinder verlassen schlagartig ihre Liegefläche und stieben zum Ausgang.

Es gab zwei Verletzte

«Wir wussten nicht, um wen wir uns zuerst kümmern sollten», fährt Sarah Anderhub fort. Zuerst hätten sie und ihr Mann gar nicht gewusst, was überhaupt los war. Bis sie realisierten, dass in der Nachbarschaft bunte Raketen gezündet wurden.

Die meisten Tiere kamen glücklicherweise mit einem Schrecken davon, ein Pensionspferd verletzte sich allerdings. Die Pferdefachfrau und Marketingexpertin selbst stolperte in ihrer Hast und litt als Folge ihres Sturzes wochenlang unter heftigen Rückenschmerzen.

«Nicht gut, aber es geht»

Sarah Anderhub kritisiert rückblickend vor allem, dass sie nicht über das geplante Feuerwerk informiert worden war. Weder vom (professionellen) Veranstalter noch von der Gemeinde, welche die Bewilligung ausgestellt hatte. «Wenn ich weiss, was kommt, kann ich Vorkehrungen treffen», gibt sie zu bedenken.

So handhabt Anderhub es jeweils am 1. August und Silvester, zu dem Feuerwerk heute für viele fraglos dazugehört. Der Betrieb ihrer Familie liege zwar etwas abseits, besonders sensible Tiere sediere sie aber oder bringe sie frühzeitig in den Stall. Ausserdem nehme die Knallerei an diesen Tagen langsam zu, weshalb die Tiere besser damit umgehen könnten, als wenn plötzlich aus dem Nichts eine Rakete abgefeuert wird. «Ich finde Feuerwerk zum 1. August und Silvester auch nicht gut. Aber es geht», sagt die Luzernerin. Um die Knallerei künftig zu begrenzen, unterstützt sie aber die Feuerwerks-Initiative. Diese will Verkauf und Verwendung von Lärm erzeugenden Feuerwerkskörpern einschränken bzw. nur für Anlässe von überregionaler Bedeutung mit einer kantonalen Ausnahmebewilligung zulassen.

Den anderen den Spass lassen

«Es ist nicht hässlich anzusehen, wenn die Raketen am Himmel in allen Farben explodieren», räumt Sarah Anderhub ein. «Aber niemand von uns würde ohne das schlechter leben.» Sie selbst kann mit Feuerwerk nichts anfangen, findet aber, dass die Feuerwerks-Initiative mit der vorgesehenen Ausnahmeregelung – statt eines vollständigen Verbots – ein guter Kompromiss ist. «Sie geht weit genug, denn wir sind eine Gemeinschaft und man muss den anderen ihren Spass lassen – auch wenn man es selbst nicht nachvollziehen kann.» Die Pferdefachfrau ist sich bewusst, dass hinter Feuerwerk auch eine Industrie und damit Arbeitsplätze stehen. «Aber das gab es schon früher, dass etwas einfach nicht mehr zeitgemäss war und aufgegeben wurde.»

Nur durch Sensibilisierung komme man beim Feuerwerk kaum zum Ziel, denkt Sarah Anderhub. Es geht ihrer Meinung nach nicht an, an zwei Tagen im Jahr quasi offiziell alle Bestrebungen zur Reduktion von Abfall, Emissionen und unnötigen Gefahren über Bord zu werfen. Ausserdem erhofft sie sich von der Feuerwerks-Initiative mehr Rechtssicherheit. Beim Vorfall vor zwei Jahren habe der Veranstalter von sich aus die Tierarztkosten für das verletzte Pferd übernommen. Eine Busse wäre aber nicht möglich gewesen. Ebenso wenig, als ein paar Tage später ein Unbekannter nachts aus einem unbeleuchteten Auto eine einzelne Rakete vor dem Hof Herrendingen abfeuerte. «Es geht mir um die Haftung», verdeutlich Anderhub: «Was passiert, wenn durch ein unangekündigtes Feuerwerk eine panische Rinderherde auf der sommerlichen Nachtweide ihren Zaun niederreisst und es einen Unfall gibt – etwa der Landwirt?»

Eine Frage der Solidarität

Sicher, nicht jedes Tier oder jede Herde reagiere stark auf Knallerei, ergänzt die Luzernerin. So höre sie auch von Landwirt(innen) sowohl Zustimmung als auch Ablehnung in Bezug auf die Feuerwerks-Initiative. Für Sarah Anderhub ist es aber auch eine Frage der Solidarität mit jenen Berufskollegen, deren Tiere eher in Panik geraten könnten. «Meiner Meinung nach sollte kein Halter von Haus- oder Nutztieren pro Feuerwerk sein. Und alle Wildtierfreunde ebenso», hält sie fest. Mit Lichtshows und Ähnlichem gebe es schliesslich heute genügend Alternativen. «Und der Sternenhimmel ist auch ganz schön anzuschauen.»

Ihre Erfahrungen

Was sind Ihre Erfahrungen mit Feuerwerk? Die Feuerwerks-Initiative sucht Erfahrungsberichte aus der Landwirtschaft, um Informationen zur Reaktion von Nutztieren auf Feuerwerkslärm sowie zum Umgang mit Abfällen zusammenzutragen.
Kontakt: info(at)feuerwerksinitiative.ch