Der Sommer steht vor der Tür – und mit ihm der Hitzestress im Stall. Milchkühe reagieren äusserst sensibel auf hohe Temperaturen. Eine der oft unterschätzten Folgen: Die Fruchtbarkeit leidet. Wie sich dieser und andere Faktoren auf die Reproduktionsleistung auswirken, hat Michèle Bodmer, Fachtierärztin für Rindermedizin an der Vetsuisse-Fakultät der Universität Bern, an der Tagung des Netzwerks Nutztiere in Zollikofen erläutert.

Die Fruchtbarkeit bleibt ein zentraler Stellhebel im Milchviehbetrieb. Sinkende Trächtigkeitsraten, verlängerte Serviceperioden oder häufigere Abgänge wegen Unfruchtbarkeit belasten nicht nur die Wirtschaftlichkeit, sondern auch das Management und das Tierwohl. Doch was genau bedeutet eigentlich «gute» Fruchtbarkeit – und wo fängt ein Problem an?

Kennzahlen geben Aufschluss

Was belastet?

Verschiedene Faktoren bringen den Zyklus der Kuh ins Wanken. Diese Risikofaktoren wirken oft im Verborgenen – und können die Fruchtbarkeit massiv beeinträchtigen:

- Negative Energiebilanz (NEB) nach Abkalbung
- Gebärmutterentzündungen (v. a. E. coli)
- Hitzestress
- Stoffwechselstörungen (z. B. Ketose, Milchfieber)
- Lahmheit oder andere chronische Schmerzzustände

Zur Beurteilung der Fruchtbarkeit in der Herde unterscheidet Michèle Bodmer zwischen primären und sekundären Kennzahlen. Erstere geben einen allgemeinen Überblick und beantworten die Frage, ob ein Fruchtbarkeitsproblem vorliegt – etwa über die durchschnittliche Serviceperiode, das Erstkalbealter oder den Anteil an Abgängen wegen Unfruchtbarkeit. «In einer Auswertung von 2024 lag die mittlere Serviceperiode einer Beispielherde bei 156 Tagen – der angestrebte Zielwert liegt jedoch bei 95», sagt Bodmer. Auch das Erstkalbealter war laut der Tierärztin im Versuch mit 28 Monaten leicht erhöht. Solche Abweichungen weisen laut der Tierärztin darauf hin, dass vertiefte Analysen notwendig sind.

Und hier kommen die sekundären Kennzahlen ins Spiel. Sie helfen, das Problem einzugrenzen. Besonders wichtig sind die Trächtigkeitsrate, der Besamungserfolg pro Belegung und der Trächtigkeitsindex – also die durchschnittliche Anzahl Besamungen bis zur Trächtigkeit. In vielen Fällen zeigt sich: Die Kühe werden zwar belegt, aber nicht trächtig. Ein typisches Zeichen für die sogenannte «Akonzeption», also Fruchtbarkeitsprobleme trotz scheinbar korrektem Besamungsmanagement.

«Brunstlosigkeit» häufig

Die Ursachen für schlechte Fruchtbarkeit sind vielfältig. Ein häufiges Problem ist die sogenannte Brunstlosigkeit, also das Ausbleiben oder Übersehen der Brunst. Hier spielen sowohl biologische als auch managementbedingte Faktoren eine Rolle. Negative Energiebilanzen nach der Abkalbung, Stoffwechselerkrankungen oder eben Hitzestress können dazu führen, dass der Zyklus verzögert einsetzt oder die Brunst nicht deutlich sichtbar wird. Aber auch ungenügende Beobachtung, Zeitmangel oder fehlende Hilfsmittel führen dazu, dass Tiere nicht rechtzeitig erkannt und belegt werden.

Wenn die Belegung erfolgt, aber die Trächtigkeit ausbleibt, sind Embryonaltod, schlechte Spermaqualität, Infektionen der Gebärmutter oder Besamungsfehler mögliche Ursachen. Besonders heikel ist der Zeitraum zwischen der dritten und siebten Woche nach der Abkalbung: Erkrankungen wie Endometritis, Milchfieber oder Ketose wirken sich in dieser sensiblen Phase direkt auf Zyklus, Eisprung und Embryoentwicklung aus.

25 Betriebe unter der Lupe

Eine Auswertung von 25 Milchviehbetrieben im Rahmen der Bestandesbetreuung zeigt: Die häufigste Ursache für Fruchtbarkeitsprobleme war Akonzeption (36 %), gefolgt von Brunstlosigkeit (32 %). Interessant ist auch der Zusammenhang zur Milchleistung. Betriebe mit sehr hohen 305-Tage-Leistungen wiesen häufiger verlängerte Serviceperioden und tiefere Trächtigkeitsraten auf. Auch der Anteil an Gebärmutterinfektionen 22 bis 60 Tage nach der Abkalbung war auffällig hoch.

Zysten, sowohl vor als auch nach dem 60. Tag nach der Geburt, traten regelmässig auf und trugen ebenfalls zur verlängerten Rastzeit bei. Wie Michèle Bodmer sagt, würden solche Erkenntnisse bestätigen, dass Hochleistung ein hochpräzises Management brauchen – denn Fehler in Fütterung, Haltung oder Beobachtung würden sich unmittelbar auf die Fruchtbarkeit auswirken.

Wichtige Kennzahlen zur Fruchtbarkeit (Zielwerte in Klammern):

  • Serviceperiode: 156 Tage (Ziel: 95 Tage)
  • Erstkalbealter: 28 Monate (Ziel: 24 bis 26 Monate)
  • Trächtigkeitsrate: 18 % (Ziel: >20 %)
  • Trächtigkeitsindex: 2,9 (Ziel: <1,7)
  • Besamungserfolg 1. Belegung: 25 % (Ziel: 50 %)

Milchleistung ausschlaggebend

Die Anforderungen an Management und Tiergesundheit steigen mit der Milchleistung. Besonders in heissen Sommermonaten wird klar, dass eine gute Fruchtbarkeit kein Selbstläufer ist. Fütterung, Haltungsbedingungen und die Erkennung von Risikotieren müssen noch gezielter überwacht und verbessert werden.

Zukunftsweisend könnten laut Michèle Bodmer auch züchterische Ansätze sein – etwa die Selektion auf flachere Laktationskurven oder höhere Fitnesszuchtwerte. Und nicht zuletzt ist die strukturierte Bestandesbetreuung ein wichtiges Werkzeug, um Fruchtbarkeitsprobleme frühzeitig zu erkennen und Gegenmassnahmen einzuleiten.