Der Freiberger gehört in die Freiberge wie die Simmentalerkuh zum Berner Oberland. Die letzte Schweizer Pferderasse prägt das Landschaftsbild des Juras wie kaum etwas anderes. Dass sie in grossen Herden auch zum Landschaftsbild des Thurgaus passt, beweisen Manuela und Albert Kuster. In Schönholzerswilen, das politisch zu Hagenwil gehört, führen die beiden einen 21 ha grossen Landwirtschaftsbetrieb nach Bio-Richtlinien. Die landwirtschaftliche Nutzfläche dient hauptsächlich der Gewinnung von eigenem Grundfutter und als Weidefläche. Denn auf dem Betrieb sind rund 65 Pferde zu Hause, die meisten von ihnen – vor allem jene im Familienbesitz – gehören der Rasse Freiberger an.

Hengst Navarino im Einsatz

Zu Kusters Leidenschaft gehört auch die Zucht der Rasse. Sie halten neben mehreren Zuchtstuten auch zwei Hengste – Latino und Navarino. Letzterer ist kein unbeschriebenes Blatt. Der Sieger von Glovelier JU (Hengst-Selektion 2016) ist ein absoluter Hingucker. Lange im Besitz von Urban Burch, Alpnach OW, tat der Niro-Sohn gute Dienste im Oberemmental, wo er als «Pachthengst» des Gestüts auf der Station Gohl einquartiert war. «Die Chance, einen Hengst wie Navarino zu erwerben, mussten wir einfach packen», sagt Albert Kuster. Der Exterieur-Star mit der passenden dunkelbraunen Farbe ist denn auch auf der Station der Kusters gefragt. So kommen die Züchter nicht nur aus der nahen Umgebung, sondern auch aus allen anderen Teilen der Schweiz. Man sei im Thurgau nicht im Herzen der Freibergerhochburg, sind sich die beiden bewusst. Umso wichtiger sei es, gefragte Hengste im Angebot zu halten – allein schon deshalb, damit die Zucht in der Region nicht weiter rückläufig sei.

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Zum Hof wie die Jungfrau zum Bade

Dass Manuela und Albert Kuster mit ihrem Hof heute ein Mekka der Thurgauer Freibergerzucht haben, ist alles andere als selbstverständlich. Zum Hof in Schönholzerswilen kamen die beiden nämlich wie die Jungfrau zum Kinde. Kenngelernt haben sie sich – wie sollte es auch anders sein – durch die Pferde. Beide damals noch in einer anderen Beziehung, pflegten sie vorerst einmal die Freundschaft und teilten die Freude an Pferden. Das blieb auch nach den Trennungen der beiden noch so. Bis Alberts Vater seinen Sohn eines Tages fragte: «Bist du eigentlich blind?» Das schien dem gelernten Forstwart schliesslich die Augen zu öffnen. Aus Manuela und Albert wurde ein Paar.

Über Umwege doch noch ans Ziel

Auf dem Hof, den die beiden heute gemeinsam bewirtschaften, hat Albert Kuster in jungen Jahren viel ausgeholfen. «Ohne Hintergedanken», wie er erklärt – einfach aus Freude. Aufgewachsen ist er auf einem Bauernhof mit zwei Brüdern. Sein Vater sagte, wer als erster Landwirt sei, könne den Hof haben. Albert schlug einen anderen Weg ein.

Die passende Beziehung und die Möglichkeit, diesen Hof zu übernehmen, legten dann doch noch den Grundstein zum Bauern. Die Ausbildung zur Direktzahlungskurs Landwirtschaft absolvierte schliesslich Manuela. Ein cleverer Businessplan mit der Produktion von Schlachtfohlen ebnete dann auch relativ rasch den Weg über die Bank. Schlachtfohlen werden heute, zehn Jahre nach der Übernahme, aber keine produziert. Der Markt hat sich gedreht, die Nachfrage nach Freibergern ist nachhaltig gestiegen und die Fohlen würden die beiden reuen.

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80 bis 90 Reitschüler

Manuela und Albert Kuster haben nach der Übernahme viel investiert; nicht nur Zeit, sondern auch in die Pferde, in Maschinen und in Gebäude. «Jede Woche kommen zwischen 80 und 90 Reitschüler hierher», sagt Manuela Kuster. Die Mutter von zwei kleinen Kindern liebt die Arbeit draussen, dort sei sie viel mehr anzutreffen als im Haus. Herausforderungen wie ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis oder den grossen Anfall von Pferdemist scheinen die beiden mit links zu meistern. «Wir laden alle an die Fohlenschau ein, überreichen ihnen einen Essens- und Getränkegutschein. So haben wir jedes Jahr mehrere Hundert Leute an der Schau – das ist ein richtiges Dorffest», sagt Albert Kuster. Der Mist der 65 Pferde lagert an Mieten. Für deren rasche Verrottung arbeitet Kuster mit Quantenenergie. Dann gelangt der gelagerte Mist auf die Grünlandflächen.

An die Meisterschaft

Auf dem Weg über die Weiden, zu den Zuchtstuten und Fohlen, wird man das Gefühl nicht los, dass der Tag von Manuela und Albert Kuster ein paar Stunden mehr hat als bei allen anderen. So erzählen die beiden von Alberts zweitem Standbein, der Firma Forst und Natur, vom Angebot der Rösslifahrten und der Ausbildung von rund 20 Jungpferden jährlich. Und dann sind die beiden auch noch im Sport unterwegs. «Wir machen das alles einfach sehr gerne», sagt Manuela und lächelt. Dafür ist den beiden der Weg ans Schweizer Nationalgestüt in Avenches VD auch nicht zu weit. Etwa für Ferien? Nein, für die Schweizer Meisterschaft der Freibergerpferde National FM, welche dieses Wochenende über die Bühne geht (siehe Kasten). Und im Gepäck: Navarino und Latino. Sie werden sich dieses Wochenende unter dem Sattel in verschiedenen Disziplinen zeigen. «Ein bisschen Ferien ist das schon», sagt Manuela Kuster. «Das ist einfach unsere Leidenschaft.»