Der Frühling ist für Vögel eine arbeitsreiche Zeit. Es gilt, einen passenden, möglichst vitalen Partner zu finden, ein Revier zu verteidigen und ein sicheres Nest zu bauen. Sogenannte Gebäudebrüter nutzen dafür menschliche Bauwerke, indem sie sich in Nischen, Storenkästen oder den Hohlräumen unter Ziegeln buchstäblich einnisten. Zu den klassischen Gebäudebrütern zählen unter anderem Spatzen, Hausrotschwanz, Mauersegler, Schwalben oder Dohle.

Lebensraum ausgeweitet

«All diese Vogelarten gab es natürlich schon, bevor Menschen die ersten Häuser gebaut haben», hält Livio Rey von der Vogelwarte fest. Für manche, wie etwa den Hausrotschwanz, seien Gebäude nichts anderes als grosse Felsen und Nester in Gebäudenischen daher eher eine Ausweitung des Lebensraums. «Mauersegler hingegen brüten in der Schweiz mittlerweile fast ausschliesslich an Gebäuden – eine starke Anpassung an das Zusammenleben mit dem Menschen», fährt der Ornithologe fort. Für dieses Nebeneinander gibt es nicht nur evolutionstechnische Anpassungen, sondern auch gesetzliche Regeln. «Mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe wird bestraft, wer vorsätzlich und ohne Berechtigung Eier und Jungvögel geschützter Arten ausnimmt oder das Brutgeschäft der Vögel stört», heisst es dazu wörtlich im Jagdgesetz. Zu beachten ist, dass die Kantone für die Interpretation und Umsetzung dieses Gesetzes verantwortlich sind.

Akzeptanz auf dem Land

Vom rechtlichen Rahmen abgesehen liegt vielen Menschen das Zusammenleben mit Wildvögeln als «gefiederte Nachbarn» am Herzen. Das gilt auch, wenn die Nachbarn zu Mitbewohnern werden. «Die Toleranz ist für Gebäudebrüter ist auf dem Land oft grösser als in der Stadt», beobachtet Livio Rey. Das gelte insbesondere für Schwalben, die im urbanen Raum wegen ihrer kotreichen Anflugschneisen häufiger als problematisch angesehen würden. Helfen kann ein 60 bis 70 cm unterhalb des Nests angebrachtes Kotbrett, auf dem sich die Ausscheidungen sammeln und dank dem die Fassade unverschmutzt bleibt.

«Eine starke Anpassung an den Menschen.»

Livio Rey, Vogelwarte, über Mauersegler, die fast nur an Gebäuden brüten.

Zum guten Ruf von Schwalben in der Landwirtschaft trägt fraglos ihre Funktion als Fliegenfänger bei. Sie bauen Nester aus Hunderten von Lehmkügelchen, die sie Jahr für Jahr wieder aufsuchen. «Bei solchen über mehrere Jahre genutzten Nestern ist es besonders wichtig, sie zu erhalten», sagt Livio Rey. Der Aufwand für einen Neubau wäre für die Vögel ungleich grösser, als wenn es sich um ein klassisches Napfnest aus Reisig und Moos handeln würde. Mauersegler sind ebenso standorttreu wie Schwalben, aber pflegeleichter: «Sie hinterlassen keine Kotspuren, sind die meiste Zeit in der Luft und nur von Mai bis August bei uns», fasst der Fachmann zusammen. Mauersegler seien also sehr dankbare Untermieter.

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Was Gebäudebrütern zu schaffen macht, sind Renovationen alter Bauten. Im Zuge derer gehen für sie wertvolle Nischen und Hohlräume verloren, etwa weil die Gebäude – mit gutem Grund – energetisch saniert werden. Aber was ist angesichts des gesetzlichen Schutzes von Nestern und Bruten überhaupt zulässig? In Zusammenarbeit mit der Jagd- und Fischereiverwalterkonferenz der Schweiz und des Fürstentums Liechtenstein hat die Vogelwarte eine digitale Entscheidungshilfe entwickelt. Sie unterstützt bei Fragen im Umgang mit Nestern an Gebäuden, egal, ob es um ein Bauvorhaben geht oder sich die Brutstätte an einem ungünstigen Ort befindet. Nachdem man sich durch die Fragen geklickt hat, finden sich Merkblätter oder passende Kontakte für das weitere Vorgehen.

Bereits einplanen

Für die jeweilige Art passende Nistkästen können Hohlräume für Gebäudebrüter ersetzen. Es ist aber auch möglich, Nischen bei einem Neubau direkt einzuplanen. «Beim Vogelwarte-Besuchszentrum haben wir das gemacht und die Mauersegler sind eingezogen», berichtet Livio Rey. Die Hohlräume bzw. Öffnungen seien von aussen kaum sichtbar – Beweis dafür, dass Gebäudeästhetik und Vogelschutz keine Gegensätze sein müssen.

Zum vogelfreundlichen Wohnen gehören ebenso ein Garten mit einheimischen Pflanzen und Vorkehrungen gegen Vogelschlag an Fenstern. Auf der Aussenseite angebrachte Linien- oder Punktmuster könnten den Tod von jährlich mehreren Millionen Vögeln verhindern, bemerkt Rey. Dornensträucher im Garten bieten ganzjährig Nahrung und Versteckmöglichkeiten, wenn Katzen unterwegs sind. Abwehrkrägen an Baumstämmen halten die Samtpfoten von Nistkästen fern. Für ein erfolgreiches Zusammenleben braucht es also eine gewisse Anpassung von beiden Seiten – von Vögeln ebenso wie von Menschen.

Hier geht es zur Entscheidungshilfe für den Umgang mit Gebäudebrütern