Weidenrinde lindert Schmerzen, Schafgarbe stillt Blutungen, Malve schützt die Atemwege, Zitronenmelisse hilft bei Virusinfektionen, Ringelblume pflegt den entzündeten Darm und die gereizte Haut, Lavendel entspannt die Nerven.
Wer in Heilpflanzenbüchern blättert, gerät ins Staunen: Da scheint gegen jedes Problem ein Kraut gewachsen zu sein und viele davon wachsen nicht einmal weit von der Haus- und Stalltüre entfernt. Wozu braucht es da überhaupt noch die Schulmedizin?
«Pflanzen ersetzen nicht den Tierarzt»
«Pflanzen ersetzen nicht den Tierarzt», erklärt Sarah Haas, «sie sind aber eine tolle Unterstützung.» Sie ist als Tiertherapeutin, Tierkinesiologin und Osteopathin für Pferde unterwegs. An einem Kurs am LZ Liebegg hat sie ihr Wissen über Phytotherapie – also die Pflanzenheilkunde – bei Pferden weitergegeben.
Auch für den Rindviehstall holten sich einige der Teilnehmerinnen Informationen ab. Gemäss Sarah Haas absolut okay: «Phytotherapie funktioniert bei Kühen wie bei Pferden.»
Abschwächung der Instinkte durch Domestizierung
Pflanzenfresser haben sich seit jeher mit dem Grünfutter jene Stoffe geholt, die sie benötigten und die ihnen wohltaten. Dafür legten sie früher weite Strecken zurück und konnten aus vielen Pflanzen auswählen. Das geht nicht mehr, seit der Mensch die Rinder und Equiden in Ställen hält und Weiden abzäunt. Damit hat sich auch der Instinkt der Tiere für das richtige Futter abgeschwächt – ein hungriges Pferd wird bei günstiger Gelegenheit durchaus ein unbekömmliches Kraut vertilgen.
Wer Pflanzentherapie bei Tieren einsetzt, braucht darum ein Grundwissen über Giftpflanzen und Anwendungen. Sarah Haas nennt als Beispiel Beinwell: Die Blätter sind sehr nützlich bei Prellungen und schlecht heilenden Wunden – aber nur äusserlich und keinesfalls innerlich anzuwenden.
Vorbeugende und frühzeitige Behandlung ist wesentlich
«Jede Heilpflanze besitzt eine einzigartige Kombination verschiedener Wirkweisen. Es wird nicht ein einzelner Wirkstoff herausgezogen wie bei anderen Arzneimitteln», benennt Sarah Haas den Unterschied gegenüber schulmedizinischen Arzneimitteln. Ein weiterer Unterschied: «In der Phytotherapie arbeite ich nicht mit Wirkungen gegen etwas, sondern für etwas.»
Also nicht den Husten bekämpfen, sondern die Bronchien stärken. «Dafür behebt Phytotherapie nicht nur kurzfristig Symptome, sondern hilft ganzheitlich und längerfristig.» Vorzubeugen und frühzeitig zu behandeln, sei wesentlich, das Beobachten müsse geschult werden.
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«Das billigste ist kaum das beste Angebot»
Wer mit pflanzlichen Mitteln arbeiten will, muss sich Zeit nehmen: Sie werden bei akuten Erkrankungen alle 15 Minuten bis zu alle zwei Stunden gegeben, bei chronischen Krankheiten zwei- bis viermal täglich während ein bis zwei Wochen. Die Dosierung ist auch bei grossen Tieren massvoll: Sarah Haas empfiehlt für ein Pferd oder eine Kuh pro Gabe eine Handvoll getrockneter Kräuter oder sechs Tropfen Tinktur.
Wer Kräuter nicht selber sammeln und verarbeiten will, kann auf ein grosses Angebot an Ergänzungsfuttermitteln auf dem Markt zugreifen. Sarah Haas empfiehlt, auf seriöse Anbieter zu achten. Manchmal gebe es sinnlose Mischungen von Kräutern, die ihre Wirkung gegenseitig aufheben würden. Und das billigste ist kaum das beste Angebot: In der Phytotherapie ist das Rohmaterial wertvoll und eine korrekte Verarbeitung oft aufwendig, was den Preis rechtfertigt.