«Mäuseschäden, soweit das Auge reicht», schrieb Landwirtschaft Aargau kürzlich in ihrem Newsletter. Gemäss der Arbeitsgemeinschaft zur Förderung des Futterbaus (AGFF) war 2020 ein gutes Jahr für die Mäuse: «In den meisten Regionen haben die Schermausbestände ihre Populationsdichte halten oder sogar vergrössern können.» Und «in vielen Gebieten im Aargauer Mittelland haben die Schermauspopulationen ihren Zenit erreicht».
Zyklus auf dem Höhepunkt
Explizit erwähnt wird auch das Entlebuch, wo sich eine «klassische Massenvermehrung» abspielte. In Gebieten mit vielen Futter- oder Obstbauflächen – wie in unserem Lesegebiet –sprechen Experten von zwei unterschiedlichen Verläufen der Population. Im Grünlandgebiet bekannt ist vor allem «ein paar Jahre relative Ruhe, dann eine kurze Phase der Massenvermehrung mit anschliessendem Zusammenbruch». Bei diesem meist regelmässigen Zyklus geht man von einer Dauer von rund sechs Jahren aus. Der zweite Verlauf ist die Glockenkurve. Wachstumsphasen dauern hier länger, der Peak ist nicht so hoch wie beim ersten Beispiel. Der Zyklus ist unregelmässiger.
Schaut man auf die Entwicklung in den letzten zehn Jahren bei den offiziellen AGFF-Standorten in der Region, werden die beschriebenen Zyklen bestätigt. In vielen Regionen, etwa im Luzerner Seetal, konnte man 2013 letztmals von einer Mäuseplage reden. Völlig zusammengebrochen ist der Bestand hingegen in den Jahren 2015 und 2016. Ab 300 Mäusen pro Hektare bricht die Population meist zusammen. Aus pflanzenbaulicher Sicht spricht man bei einem solchen Vorkommen bereits von einem Totalschaden. Am Standort Cham blieb die Population konstant recht hoch.
«In den mittleren Lagen im Berggebiet verzeichnen wir die grössten Vorkommen.»
Beobachtungen von Peter Wyrsch, Amt für Landwirtschaft Nidwalden, zur aktuellen Mäusepopulation.
Mühsame Bekämpfung
Doch weshalb gibt es von einem Jahr auf das andere plötzlich nur noch einen Bruchteil der Mäusepopulation, so wie eben vielerorts für 2021 prophezeit? Massenvermehrung und Zusammenbruch haben natürliche Ursachen, deren Zusammenhänge noch nicht ausreichend entschlüsselt sind.
Mäusebekämpfung ist ein gern diskutiertes Thema. Fachleute von Agroscope und AGFF empfehlen, die Mäuse so lange zu bekämpfen, als die verschiedenen Kolonien noch unterschieden werden können. Spätestens ab 100 Mäusen pro Hektare ist dies nicht mehr der Fall. Aktives Mausen lassen viele Landwirte heute sein auf grossen Grünlandparzellen. Der Aufwand ist enorm. Peter Wyrsch vom Landwirtschaftsamt Nidwalden beobachtet denn auch unterschiedliche Bekämpfungsstrategien in seinem Kanton. Das geht von laissez faire bis sehr aktive Bekämpfung mittels Fallen oder Vergasung. Auch Sitzstangen für Greifvögel würden gestellt. «Im Bereich der Förderung von Nützlingen besteht sicher noch Potenzial», findet er. Damit meint er nebst den Greifvögeln auch Nager. Die Situation präsentiert sich regional unterschiedlich. So sagt Jost Gisler vom Berufs- und Weiterbildungszentrum Uri, dass Mäuse im Urnerland kein allzu grosses Thema wären und sie davon «im Normalfall verschont bleiben».
Vor allem die Höhenlage oder Waldanstoss und natürlich bisherige Bekämpfungsmassnahmen sorgen in Nidwalden für ein unterschiedliches Bild. «In den mittleren Lagen in den Berggebieten verzeichneten wir vom Auge her die grössten Vorkommen», so Peter Wyrsch weiter. «Aktive Bekämpfung durch den Betriebsleiter ist vor allem in Obstanlagen und bei jungen Hochstammbäumen ein Muss», sagt Tony Dettling, Pflanzenbauberater am Schwyzer Berufsbildungszentrum Pfäffikon. Tendenziell wurde auf einigen Betrieben wohl zu wenig unternommen, wie das Bild diesen Herbst zeigte, findet Marco Odermatt, Lehrer und Berater am BBZ Natur und Ernährung Luzern. Warten bis die Population zusammenbricht, geht je nach Region und Parzelle lange, gemäss klassischem Zyklus bis zu sieben Jahre. Fachleute sind sich einig, dass Motivierte bereits bei geringer Mäusedichte konsequent eingreifen müssen. Irgendwann sei dann der Zeitpunkt erreicht, wo man den Mäusen nicht mehr Herr werden könne. Dann gelte der «geordnete Rückzug», wie ein Futterbaulehrer süffisant erklärt.
Ab 50 Mäusen schwierig
Sinnvoll ist das Mausen dort, wo der Mäusebestand bei weniger als 50 Mäusen pro Hektare liegt. Mit anderen Worten ausgedrückt, wenn weniger als zehn Prozent der Futterbaufläche durch Mäusebauten belegt sind. Bei grösseren Populationen lohnt sich der Aufwand für die Mäusebekämpfung nicht mehr. Dann gilt das Augenmerk den Übersaaten. Forscher haben vor Jahren die Kosten der Varianten «keine Mäusebekämpfung», konsequentes Mausen» und sogar das Einzäunen der Parzellen gegenüberbestellt. Bei allen Varianten kostet dies den Grünlandbetrieb rund 400 bis 500 Franken jährlich. So sagt denn auch der Luzerner Futterbauberater Dominik Amrein: «Mäuse wird es immer geben». Wichtig ist, dass bei grösseren Schäden die Wiesen rasch verbessert werden.
Zeit und Geld also besser in eine Übersaat investieren. Eine solche Übersaat könnte nächstes Jahr vielerorts Sinn machen. «Die Wiesensanierung kann geplant werden», schreibt die AGFF bereits diesen Herbst über das Entlebuch mit Blick auf die grosse Population, die gemäss Theorie nun zusammenbrechen sollte. Peter Wyrsch empfiehlt, je nach vorhandenen Erdhaufen und Lücken mit einem kombinierten Striegel, mit Streifblech und Sägerät oder einer Wiesenegge die Haufen einzuebnen und allfällige Lücken zu übersäen. Weideflächen und Mähweiden sollten zudem früh überweidet werden, schiebt der Luzerner Dominik Amrein nach. Gute Futtergräser können gefördert werden, indem man Naturwiesen vor dem ersten Schnitt versamen lässt.
Lohnende Übersaaten
Auch Tony Dettling empfiehlt, die Wiesen im Frühling mit einer Wiesenegge abzuschleppen und mit einer geeigneten Mischung zu übersäen. Das Gelingen von Übersaaten ist stark witterungsabhängig. Wer viele Parzellen übersäen muss oder will, kann das Risiko minimieren, in dem er nicht in alle Parzellen gleichzeitig investiert, sondern aufteilt in Frühling, Sommer oder Herbst. Übersaaten werden vom Altbestand geschützt und erfrieren im frühen Frühling – im Gegensatz zu Neuansaaten – kaum. Bei stark befallenen Parzellen sollte nicht zugewartet werden, da sich sonst die Lückenfüller, meist Unkraut oder schlechte Futtergräser, ungeniert ausbreiten.
Die Kosten einer Übersaat würden durch den wertvolleren Pflanzenbestand, den höheren Ertrag und das sauberere Erntegut übrigens bei Weitem aufgewogen, sagen die Berater.
250 Gramm Pflanzenwurzeln täglich
Die Schermaus (Arvicola terrestris) ist die Wühlmaus, die in der Landwirtschaft die grössten Flurschäden verursacht. Sie frisst täglich ihr eigenes Körpergewicht an Pflanzenwurzeln, also bis gegen 250 Gramm. Weiter bekannt auf Schweizer Feldern sind der Maulwurf und die Feldmaus. Beide sind weitaus unbedeutender. Maulwürfe sind vergleichsweise seltener, Feldmäuse zudem nur rund
40 Gramm schwer. Ein Schermaus-Pärchen aber kann pro Saison um die 40 Nachkommen haben. Diese verlassen nach drei Monaten den Bau, geschlechtsreif sind sie bereits nach fünf Wochen. Das theoretische Vermehrungspotenzial eines Pärchens mit seinen Kindeskindern beläuft sich auf rund 500 Mäuse jährlich. Die Gefahr der Massenvermehrung entsteht alle fünf bis sieben Jahre. Keine Freude haben Mäuse an heissen Sommern und kalten Wintern. Ein später Wintereinbruch verhilft zu «Extrawürfen».