Gesellschaft und Politik sind sich einig: Küken zu schreddern ist nicht vertretbar. Seit dem 1. Januar 2020 ist es daher auch in der Schweiz gesetzlich verboten, die männlichen Nachkommen von Legehennen lebend zu schreddern. Weiterhin erlaubt ist hingegen, sie mit CO2 zu töten (weitere Details zur Anpassung der Tierschutzverordung). 

Das Problem bleibt ungelöst

Das grundlegende Problem ist mit einem Schredder-Verbot nicht gelöst. Dank Züchtung sind Legehennen perfekt geeignet für die Eierproduktion, während Mastpoulets unabhängig von ihrem Geschlecht rasch an Gewicht zulegen. Männliche Küken von Legehennen (Bruderhähne) können weder Eier legen, noch sind sie gute Futterverwerter zur Fleischproduktion. Weil sie unwirtschaftlich sind, lohnt sich ihre Aufzucht nicht und sie werden nach dem Schlupf getötet. Zwar gibt es zunehmend auch Fleisch von Bruderhähnen zu kaufen, es bleibt aber ein Nischengeschäft.

Ansätze zur Lösung gibt es viele

Das Schicksal der Bruderhähne beschäftigt die Forschung schon seit Jahren. Man sucht international nach Methoden, um das Geschlecht der Küken noch vor dem Schlupf sicher zu bestimmen. Bruderhähne würden dann gar nicht mehr ausgebrütet und müssten somit nicht mehr getötet werden. Bisher hat die Forschung verschiedene Ansätze entwickelt, ganz praxisreif, bzw. bereits flächendeckend im Einsatz ist aber gemäss der Schweizer Geflügelzeitung (12/19 und 11/18) noch keines.    

Wirtschaftlicher und ethischer Nutzen

Neben den ethischen Überlegungen macht das Aussortieren männlicher Eier auch wirtschaftlich Sinn. Die aufwändige Tötung der Küken fällt weg, im Brutschrank ist mehr Platz für künftige Legehennen und die aussortierten Eier können weiterverwendet werden. Möglich ist etwa der Einsatz in der Kosmetikindustrie oder für Futtermittel als Proteinquelle. 

Ab wann spürt ein Küken Schmerzen?

Der Zeitpunkt in der Entwicklung eines Hühner-Embryos, zu dem das Küken Schmerzen empfinden kann, ist in der Wissenschaft umstritten. Der wissenschaftliche Dienst des deutschen Bundestags fasste 2017 den Stand des Wissens folgender Massen zusammen: Vor dem 7. Bruttag ist ein Schmerzempfinden anatomisch nicht möglich (es fehlen die Nerven dafür). Ab dem 15. Bruttag hingegen können Küken Schmerzen wahrnehmen. Wie viel sie in der Zeit zwischen dem 7. und 15. Tag im Brutschrank spüren, ist unklar.

Schmerzunempfindliche Eier töten

Idealerweise sollte man also Bruderhähne vor dem 7. Bruttag in ihren Eiern eindeutig identifizieren und entsorgen bzw. die Eier weiterverwenden, bevor die ungeschlüpften Vögel darunter leiden können. Neben diesem stellt die Praxis noch verschiedene weitere Ansprüche an ein gutes System zum Aussortieren der Eier:

  • Verlässlichkeit (keine Legehennen als männliche Küken markieren und umgekehrt)
  • Schnelligkeit (Arbeitszeit pro Ei muss kurz sein)
  • Wirtschaftlichkeit (Kosten für Anschaffung, Betrieb, Wartung und Verbrauchsmaterial) 
  • Legehennen sollten nicht im Ei verletzt oder mit Krankheiten infiziert werden und eine gute Leistung zeigen

Die folgende Tabelle basiert auf Informationen aus der Schweizer Geflügelzeitung (12/19 und 11/18), dem darin besprochenen Vortrag von Thomas Bartels (Forscher am deutschen Friedrich-Loeffler-Institut) und Recherchen bei den Anbietern und Entwicklern der vorgestellten Methoden.

 

Methode Beschreibung Bild Vorteile  Nachteile Besonderes Websites
Spektroskopisch Die Blutgefässe des Embryos werden durchleuchtet

[IMG 2][IMG 3]

  • Früh möglich (3,5 Bruttage)
  • Kontaktlos (keine Keime übertragen)
  • Schnell (wenige Sekunden) 
  • Genau (>95% Prognosegenauigkeit)
  • Voll automatisiert
  • Die Eischale muss geöffnet werden
  • Keine Daten zu anschliessender Schlupfrate und Bruthygiene
  • Loch in der Schale wird mit Pflaster verschlossen
  • Aktuell im Praxistest
  • Anwendung durch geschlossene Eischale in der Entwicklung
Endokrinologisch Hormone in Flüssigkeitsproben aus dem Ei werden analysiert [IMG 4][IMG 4]
  • Laut Hersteller keine Schäden am Embryo
  • Voll automatisiert
  • Bereits verwendet (Seleggt)
  • Öffnung in der Schale klein
  • Erst am 9. Bruttag möglich
  • Eher tiefe Stundenleistung (3000 Eier pro Stunde)

 

 

  • In Deutschland und Frankreich gibt es Eier mit dem Siegel «Ohne Küken töten», die von so gesexten Hennen stammen
  • Innere Membran repariert sich, Loch klein – muss nicht verschlossen werden
Magnetresonanz-Tomographie (MRT) Befruchtung und Geschlecht werden «in der Röhre» bestimmt [IMG 6]
  • Eischale bleibt ganz
  • Laut Hersteller vor 7. Bruttag möglich
  • Test auf Befruchtung praxisreif
  • Geschlechtsbestimmung per MRT muss noch weiterentwickelt werden (noch nicht praxisreif)
  • Zur Interpretation der MRT-Bilder wird künstliche Intelligenz eingesetzt
Gentechnisch Man markiert das Z-Chromosom von Eltern-Hennen und findet dank Fluoreszenz deren Söhne im Ei [IMG 7]
  • Kein Bebrüten nötig
  • Nur männliche Küken genmanipuliert (weibliche erben das markierte Chromosom vom nicht gentechnisch veränderten Vater)
  • D.h. neue Legehennen sind Gentech-frei
  • Sichere Bestimmung des Geschlechts
  • Eischale bleibt ganz
  • Einsatz von Gentechnik gesellschaftlich wenig akzeptiert
  • Noch in Entwicklung
  • Die Firma, die diese Methode entwickelt (EggXYt) hat ihren Sitz in Israel
Hyperspektral-Analyse Spezielle Kameras nehmen Licht unterschiedlicher Wellenlänge auf, so können Materialien erkannt werden [IMG 8]
  • Vor Bebrütung möglich
  • Eischale bleibt ganz
  • Stand der Entwicklung ist unbekannt (funktioniert bisher im Labor, Stand 2018)
  • Wie genau es funktionieren soll ist ebenfalls unbekannt
  • Hyperpektral-Analyse bisher z. B. eingesetzt, um feuchtes Holz oder kontaminierte Reiskörner zu finden
  • Unter dem Namen Hypereye in Kanda entwickelt 
  • Hypereye hat keine Website
Embryonales Farbsexing Gefiederfarbe des Embryos wird erkannt [IMG 9]
  • Eischale bleibt ganz
  • Erst am 13. Bruttag möglich
  • Bisher nur bei Braunlegern
  • Funktioniert mittels Hyperspektralanalyse

Stand der Forschung oft unklar

Wie es in der Schweizer Geflügelzeitung (12/19) heisst, ist oft nicht klar, wie weit die jeweiligen Methoden ausgereift sind. Es gebe immer wieder hoffnungsvolle Medienberichte, aber gesetzte Fristen für Praxistests oder gar Markteinführungen würden selten eingehalten.   

Ähnlich verhält es sich auch mit Soos Technology. Das Unternehmen verspricht, über kontrollierte Bedingungen während des Brütens das Geschlecht des sich entwickelnden Embryos beeinflussen zu können. Anscheinend ist das Verfahren noch in der Testphase.

 

Wieso nicht besamen?

Bei Rindern und Schweinen besteht das gleiche Problem wie beim Geflügel: Männliche Tiere sind zumeist nicht erwünscht. Bei diesem Nutztierarten werden daher Kühe und Sauen künstlich mit gesextem Sperma befruchtet. Das heisst, es kommen nur Spermien mit einem X-Chromosom zum Einsatz, wenn der Nachwuchs weiblich sein soll. Die unwirtschaftliche Aufzucht oder die Entsorgung männlicher Tiere entfällt.

Beim Geflügel wird in der Regel nicht künstlich besamt. Das hat mehrere Gründe.

  • Einerseits ist es ein Mengenproblem, da jedes Jahr Dutzende Millionen Bruteier für die Aufzucht von Legehennen und Mastpoulets in der Schweiz benötigt werden.
  • Weiter ist die Entnahme von Spermien und die Besamung selbst bei Vögeln schwieriger als bei Schweinen oder Rindern. 
  • Über Spermiensexing lässt sich ausserdem bei Geflügel das Geschlecht nicht steuern. «Das Huhn bestimmt das Geschlecht des Kükens, nicht der Hahn», erklärt Andreas Gloor vom Aviforum. Anders als bei Säugetieren tragen Hähne zwei gleiche Chromosomen (ZZ), Hennen hingegen verschiedene (ZW).

Daher wird heute nur selten Geflügel künstlich besamt, obwohl es dadurch deutlich weniger Vatertiere für die Zucht bräuchte. Eine Ausnahme ist beispielsweise die Zucht schwerer Puten. Die Firma Hybrid Turkeys, die Truthähne an Betriebe in der ganzen Welt liefert, besamt ihre Hennen generell künstlich.