Zu den im August 2024 kommunizierten fünf Betrieben in Mörschwil, Eggersriet, Untereggen, Goldach, Altenrhein und St. Margrethen sind im Kanton St. Gallen inzwischen vier weitere bekannt geworden, deren Fleischproben den Höchstgehalt an PFAS nicht einhalten.

Grenzwert und Massnahmen

Bis dato gilt: Wenn diese Betriebe Massnahmen ergreifen, die geeignet sind, die Grenzwerte zu erreichen, dürfen sie das Fleisch weiterhin verkaufen. Zu den Massnahmen zählen unter anderem, dass zum Tränken der Tiere und für die Produktion von Lebensmitteln nicht mehr Quellwasser, sondern nur Wasser aus der öffentlichen Trinkwasserversorgung genutzt wird. Die Tiere dürfen nicht mehr auf den mit PFAS belasteten Flächen weiden. Auch müssen die Landwirte im Stall möglichst unbelastetes Futter verfüttern.

Diese Massnahmen verursachen Mehrkosten. Ab Januar 2025 sollen die Betriebsleiter finanzielle Hilfe erhalten. Die Kantonsregierung hat eine Vorlage für einen Sonderkredit in der kantonalen Landwirtschaftsgesetzgebung geschaffen. Für den Zeitraum 2025 bis 2028 stehen dafür fünf Millionen Franken zur Verfügung – pro Betrieb höchstens 100 000 Franken.

«Führen diese Massnahmen nicht zum Erfolg und sind andere Produktionsformen nicht möglich, unterstützen wir notfalls die Betriebsleitenden, die aufgrund der mit PFAS belasteten Landwirtschaftsflächen ihren Betrieb aufgeben müssen», erklärt Bruno Inauen, Leiter Landwirtschaftsamt St. Gallen. Vorgesehen sind Härtefallgelder à fonds perdu. «Es wird einzelbetriebliche Vereinbarungen geben. Realersatz schliessen wir nicht aus, falls sinnvoll und möglich», ergänzt Inauen.

Allenfalls benötigen die Betriebe Beratungsdienstleistungen für auf sie zugeschnittene Produktionsanpassungen. Die Befürchtung besteht, dass ein Teil dieser fünf Millionen Beratungsfirmen oder dem Landwirtschaftlichen Zentrum St. Gallen (LZSG) zugutekommen könnte. Also im Falle des LZSG Gelder quasi von einer Abteilung des Landwirtschaftsamtes in die andere fliessen.

Verwendung der Gelder

Dazu sagt Bruno Inauen: «Es ist aktuell nicht vorgesehen, dass das LZSG den Betrieben in dieser schwierigen Situation ihre Beratungsleistungen in Rechnung stellt.» Bis jetzt seien neben den internen Kosten auch die Drittkosten wie die aufwendigen Probeentnahmen und die Laborkosten durch den Kanton getragen und nicht verrechnet worden. Aber der interne Aufwand lasse sich momentan nur schwer abschätzen. In der Vorlage sei deshalb erwähnt, dass allenfalls mehr personelle Ressourcen nötig werden. «Wir haben die Verwendung der Gelder noch nicht diskutiert, da die Vorlage noch nicht in trockenen Tüchern ist. Ich könnte mir vorstellen, dass wir irgendwann künftige Drittkosten über diesen Sonderkredit übernehmen», sagt Bruno Inauen. Schliesslich will die Regierung Forschungsprojekte zur Minderung der PFAS-Belastung in der Landwirtschaft fördern.

Auch diesbezüglich hat das Landwirtschaftsamt erste Schritte unternommen. «Wir haben eine Projektskizze von Agroscope im Haus, die wir intern diskutieren werden. Auch pflegen wir einen engen Kontakt zu Forschungsinstitutionen im Ausland, um den Forschungsbedarf rund um die PFAS zu klären.» Sofern der Kantonsrat in der Wintersession, die vom 2. bis 4. Dezember 2024 dauert, die Vorlage verabschiedet, könnten die Beiträge ab dem neuen Jahr ausbezahlt werden.

Ein positives Signal

Die Kantonsräte aus der Landwirtschaft, die in der vorberatenden Kommission mitgewirkt haben, begrüssen es sehr, dass die Kantonsregierung zügig eine Gesetzesgrundlage geschaffen hat, um den Betrieben zu helfen. Sie fordern aber Nachbesserungen. Dazu äussern sich Peter Nüesch (Präsident St. Galler Bauernverband, Widnau), Franziska Steiner-Kaufmann (Mitte-Präsidentin, Bäuerin, Gommiswald), Marco Helfenberger (Landwirt, Dipl. Agrotechniker, Waldkirch) und Andreas Bisig (Leiter Märkte Bio Suisse, Rapperswil-Jona).


Was sagen Sie zum Sonderkredit der St. Galler Regierung?

Franziska Steiner-Kaufmann: Den betroffenen Familien wird zügig geholfen. Wichtig ist ein unbürokratisches Vorgehen bei der Auszahlung. Für die betroffenen Betriebe käme es sonst zu einem Spiessrutenlauf. [IMG 2] Die fünf Millionen scheinen für die bereits bekannten Familien in der momentanen Phase auszureichen, wo der Erhalt der Betriebe im Vordergrund stehen muss. Was es finanziell für unseren Kanton bedeuten wird, wenn nach Umsetzung des Beprobungskonzepts weitere Höfe hinzukommen oder wenn ganze Betriebe aufgelöst werden müssen, ist völlig offen. Klar ist, dass dann das Geld nicht reicht. Wichtig bleibt, dass man einen nationalen Aktionsplan vorantreibt.


Marco Helfenberger, SVP, Waldkirch: Man kann diese Problematik nicht nur mit Geld lösen. Die fünf Millionen Franken sind ein guter Anfang. Aber das Problem ist damit nicht behoben. [IMG 3] Es fehlt an Zukunftsperspektiven für die betroffenen Landwirte. PFAS betreffen nicht nur Böden von der Eggersrieter Höhe bis zum Bodensee, sie sind schweizweit ein Problem. Grenzwerte gelten zurzeit beim Fleisch. Aber sie sollen auch auf Milch, Gemüse und Obst ausgedehnt werden. Wenn sie eingeführt werden, können wir keine Lebensmittel mehr produzieren. Es heisst immer, dass PFAS gesundheitsgefährdend sein könnten. Man sollte sauber aufklären und solche umstrittenen Grenzwerte abschaffen oder erhöhen.


Peter Nüesch, FDP, Widnau: Die Begrenzung auf 100'000 Franken pro Betrieb wird nicht reichen, um alle Betroffenen während der Jahre angemessen zu entschädigen. [IMG 4] Die Bauernfamilien brauchen Rechtssicherheit. Dazu muss der Vollzug der Grenzwerte in Fleisch und Milch bis 2028 ausgesetzt werden. So kann man mit den Geldern Wissensaufbau, Versuche und Forschungsarbeit vorantreiben. Niemand sollte vorauseilend Betriebsaufgaben einleiten. Wenn sich einer entschliesst, den Betrieb aufzugeben, ist immer noch nicht geklärt, was mit den belasteten Flächen passieren soll. Es sind viele Fragen offen – auch zu den Sanierungsmöglichkeiten.


Andreas Bisig, GLP, Rapperswil-Jona: Als Erstes ist wichtig, dass man jetzt den betroffenen Bauernfamilien schnell und unkompliziert hilft. Ihnen stellen sich existenzielle Fragen. Ich unterstütze auch die Praxisversuche, um mehr über die Anreicherung von PFAS in der Nahrungskette zu lernen und wie die Landwirtschaft damit umgehen kann. [IMG 5] Vieles ist heute noch unklar. Vergessen sollte man die Ursachenforschung nicht: Wie kamen die PFAS genau in die Böden? Ein besseres Monitoring über die Aufbringung von Düngern und Pestiziden (Stichwort Digiflux) würde künftig dabei helfen. Ironischerweise bekämpfen rechtsbürgerliche Landwirtschaftsvertreter genau das.