Jeder Schweinezüchter kennt diesen Moment: Die unter der Muttersau eben noch putzmunteren und kugelrunden Ferkel stehen wenige Tage nach dem Absetzen mit spitzem Rücken und gekrümmt da. «Je älter ich wurde, desto weniger wollte ich das hinnehmen», so Martin Meier vom Biohof Meier in Noflen BE. Vor gut zehn Jahren gründete er mit seinem Sohn Jürg eine Generationengemeinschaft und stellte den Betrieb auf Bio um. Damit verschärfte sich die Absetzproblematik: «Wir hatten rund ein Drittel Jager, die das Absetzen gut überstanden; ein Drittel blieb im Wachstum stehen und ein Drittel wurde krank», so Meier.

12 Wochen Milch

So begann er zusammen mit seinem Sohn zu tüfteln. «Wir wollten beide eine Lösung suchen und haben als Familie zusammengearbeitet», erzählt Martin Meier. Von Hausmitteln über Forschungsinstitute bis zu den Futtermühlen – nichts brachte die erhoffte Lösung.

«Wenn man bei den Wildschweinen schaut, dann saugen dort die Ferkel viel länger bei der Mutter und beginnen nach und nach in der Walderde nach Futter zu suchen» beschreibt Martin Meier die natürliche Futterumstellung. So würden Wildschweine erst etwa mit 12 Wochen von der Muttermilch entwöhnt. «Natürlich können wir das in der Schweinezucht schon nur aus wirtschaftlichen Gründen nicht so machen», sagt Meier. Sie setzten ihre Ferkel mit 47 Tagen ab: «In den letzen Tagen hat man gerade bei grossen Würfen das Gefühl, dass es jetzt höchste Zeit wird, wenn sie beim Saugen die Mütter durch den Stall schieben». Die Fütterung der Absetzferkel empfinden Meiers jedoch den Wildschweinen nach.

Zuerst nur Wühlerde

«Ich hatte einfach immer das Gefühl, dass wir den Magen der Ferkel überfordern, wenn wir sie schon früh mit einem Starterfutter zufüttern», erklärt Martin Meier. Viele Ferkel hätten bereits unter der Mutter erstmalig Durchfall. So bekommen seine Ferkel zuerst nur Wühlerde, wie die kleinen Wildschweine, die im Wald wühlen. Zur Kontrolle der Verdauungstätigkeit empfiehlt Meier den Blick in den Mist. Solange es in der Kotecke noch gelben Milchkot habe, gebe es im Wurf noch Ferkel, deren Verdauung noch nicht auf feste Nahrung umgestellt hat.

Biete man den Ferkeln allerdings Wühlerde an, dann werde der Kot in der Regel rasch dunkel und fest. «Wenn sie anderes Futter wollen, haben sie die Gelegenheit bei der Mutter ein wenig mitzufressen und so Getreide kennenzulernen», beschreibt Meier seine Strategie. Er hält allerdings nichts davon, die Tiere so bald wie möglich gehaltvoll zu füttern.

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Wenn der Wolf die Mutter frisst

«Die Enzyme, um die Nährstoffe aus diesem Futter zu gewinnen, müssen sich im Verdauungstrakt zuerst bilden» so Martin Meier. So sehe man im Kot durchfallkranker Jager, dass dort das Futter unverdaut wieder rauskomme. In einem Wurf seien nie alle Tiere gleich weit entwickelt, darum müsse man ihnen Zeit geben, bis alle ihre Verdauung auf feste Nahrung umgestellt haben. Beim Saugferkel habe die Muttereigenschaft der Sau mehr Einfluss auf die Aufzuchtleistung als das Ferkelfutter. «Wenn wir die Ferkel mit 47 Tagen absetzen, ist das so, wie wenn der Wolf im Wald die Wildsaumutter frisst», beschreibt Meier. In der Natur würden sich die Ferkel ansonsten langsam entwöhnen, die abrupte Futterumstellung ist für das Ferkel eine Krisensituation. Auf dem Biohof Meier bleiben sie darum noch zwei Wochen im Abferkelstall, im gewohnten Keim- und Geräuschumfeld. Nur die Fütterung ändert, und da haben Meiers ihren eigenen Weg gefunden.

Die richtige Struktur

«Ich habe mir überlegt, was wir unseren Kindern als erstes gefüttert haben, denn die Verdauung der Schweine ist unserer sehr ähnlich», sagt Martin Meier lachend und blickt zu seinem Sohn Jürg – das Ergebnis sei ja zu sehen. Und so bekommen Meiers Ferkel Babynahrung, nicht in Form von Gemüsebrei, aber in Form von faserigem Trester. Gefunden haben sie den Gemüsetrester in Bioqualität beim Safthersteller Biotta.

Dabei ist die richtige Struktur des Futters wichtig, haben die beiden Tüftler herausgefunden. Den Trester einfach zu trocknen und in Würfel zu pressen, habe nicht funktioniert. Es braucht eine stückige, faserige Struktur, um die Verdauung der Ferkel auf feste Nahrung einzustellen.

Bewusst auf Diät

Während der zwei Wochen im Abferkelstall bekommen die Absetzferkel nur dieses Futter. Erst im Jagerstall wird langsam Jagerfutter untergemischt. Dies immer unter Beobachtung der Kotkonsistenz. «Das Futter muss genug diätische Eigenschaften haben, so dass die Ferkel nie Durchfall bekommen», betont Martin Meier. So haben seine Ferkel bewusst in den ersten zwei Wochen ein Nährstoffdefizit. Das so entstandene Wachstumsdefizit sei jedoch kleiner als wenn sie an Durchfall erkrankten. Und die Ferkel bauten in dieser Zeit eine gesunde Verdauung auf, erklärt Meier.

Wachstum wird kompensiert

«Die Schweine haben weder in der Aufzucht noch in der Mast länger», betont Jürg Meier. Der gesunde Verdauungstrakt helfe später, das Gewichtsdefizit über eine bessere Futtereffizienz zu kompensieren. Die Umstellung vom Saugferkel zum Fresser ist bei Meiers Schweine deutlich zu sehen. Unter der Mutter haben sie zwar einen fleischigen Rücken aber noch wenig Bauch. Nach dem Absetzen und dem Umstellen auf festes Futter entwickeln sie einen deutlichen grösseren Fressbauch. Ist die Verdauung erstmal umgestellt, sind Durchfallerkrankungen kein Thema mehr. «Auch von den Mästern, die unsere Jager einstallen, haben wir nur positive Rückmeldungen», betont Jürg Meier.

Patentierte Rezeptur

Aber was ist denn nun drin in Meiers Ferkelfutter? Neben den Hauptkomponenten Gemüse- und Apfeltrester enthält es Weizenkleie, Gerste, Weizen, Haferflocken, Kartoffelprotein, verschiedene Spurenelemente, Melasse und Kräuter. Die Struktur ist krümelig, selektives Fressen ist erlaubt. Da dürfe man nicht kleinlich sein, betonen Meiers. Sie füttern das Futter trocken. Die Gehalte von 133 g RP, 85 g RF, 11,1 MJ VES, 5,5 g Lys und 2,14 g Met lassen jeden Futtermittelberater die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Doch Meiers sind von ihrem Futter und ihrem Konzept überzeugt. Die Rezeptur des Futters haben sie zusammen mit der Landi Thun entwickelt und auch gleich gleich patentieren lassen. Immerhin stecken zehn Jahre Tüftelei und Entwicklungsarbeit hinter der Rezeptur.

Mit Freude in den Stall

Mit 130 Franken je dt ist das Futter keineswegs Schnäppchen. Doch Meiers sind von seiner Wirtschaftlichkeit überzeugt: «Und es geht aus meiner Sicht letztendlich auch um die Frage des qualitativen Tierschutzes, da wir sonst Ferkel so füttern, dass ein Drittel erkrankt», betont Martin Meier. Für ihn sei es früher eine Belastung gewesen, nach dem Absetzen der Ferkel in den Stall zu gehen – wusste er doch, dass die Ferkel nun an Durchfall litten. Je älter er geworden sei, desto dünnhäutiger sei er diesbezüglich geworden. «Heute jedoch gehe ich wieder mit Freude in den Stall, weil ich sehe, dass es unseren Tieren gut geht», sagt er.