Idyllisch über dem Sempachersee gelegen ist der Betrieb Schwarzholz. Die Einfamilienhaussiedlung des nahen Dorfes reicht bis unmittelbar an die Weiden der Mutterkühe und die gedeckte Intensiv-Kirschenanlage.
Weidekühe gut fürs Image
Konflikte gebe es wegen der Nähe zum Siedlungsgebiet aber keine, weder mit Hundehaltern noch mit anderen Spaziergängerinnen, sagt der junge Betriebsleiter Matthias Käslin.
Seit der Umstellung auf Mutterkühe 2018 erhalte er sogar mehr positive Echos von Passanten. «Ein Maisfeld beim Wohnhaus wird als weniger angenehm empfunden als weidende Mutterkühe.» Vorteilhaft sei natürlich, dass kein Wanderweg direkt durch die Weide führt. Zudem seien die Weiden doppelt eingezäunt, und OB-Kühe seien auch weniger aggressiv als beispielsweise solche der Rasse Angus.
Keine Zukunft mit Milch
Matthias Käslin hat den Betrieb Anfang 2020 übernommen, vorher wurde der Betrieb vier Jahre in Generationengemeinschaft mit Vater Kaspar geführt. Die Umstellung von Milchviehhaltung, – sein Vater ist Viehzüchter und gar Präsident der lokalen Braunviehzuchtgenossenschaft – sei in Zusammenhang mit der anstehenden Betriebsübernahme schon vor Jahren aufgegleist worden. «Ich hatte immer weniger Freude an der Milchproduktion.» Die zeitliche Gebundenheit, die Rahmenbedingungen, anstehende Investitionen im alten Laufstall, die geringe Betriebsgrösse mit fehlenden Wachstumsmöglichkeiten, die Marktlage, die damals tiefen Preise seien einige Gründe, dass er damit keine Zukunft für sich sah, begründet Matthias Käslin.
Umstellung auf OB-Kühe
Für die Umstellung auf Mutterkühe wurde der gesamte Brown-Swiss-Milchkuhbestand verkauft und auf Original Braune gewechselt. Ein Limousin-Stier läuft mit der Herde mit. Gegenüber vorher wurde der Bestand auf rund 30 Stück etwas reduziert, weil im Stall Platz für den Kälberschlupf geschaffen werden musste.
Ursprünglich wollte Matthias Käslin Natura-Beef produzieren, das wäre damals noch möglich gewesen. Er liess sich dann aber von der Bewerbung von Natura-Veal überzeugen, zumal diese Form auch wirtschaftlich interessanter sei.
Genügend Milchleistung
Die Kühe sind möglichst viel auf der Weide, erhalten auch im Winter nur Heu und Silage, kein Kraftfutter. Auch die Fütterung der Kälber sei wenig anspruchsvoll, die bestehe ja vorwiegend aus Milch, bis zur Schlachtung mit fünf bis sechs Monaten. Die Kälber fressen aber auch früh Weidegras, Heu und von der Futtermischung der Kühe im Stall. Bei Bedarf gibts etwas Ergänzungsfutter (ohne Soja und Palmöl), zur Ausmast oder wenn die Milch knapp ist. Gut zu achten sei auf den Gesundheitszustand, zumal viele F1-Kälber zugekauft werden. Die meisten kommen von wenigen Brown-Swiss-Züchtern aus der Region, welche die Kühe mit Limousin besamen.
Viel Kolostrum
So achtet er darauf, dass diese einige Massnahmen umsetzen, bezahlt dafür auch einen besseren Preis. Konkret erwartet er, dass die jungen Kälber genügend mit Kolostrum versorgt wurden, aber auch mit Selen und Eisen, sowie gegen Grippe geimpft sind. Eigentlich alles Massnahmen, welche der Kälbergesundheitsdienst ohnehin empfehle. Gemästet werden jährlich über 100 Natura-Veal, das sind 3,3 pro Kuh, somit würden 2,3 Kälber pro Kuh jährlich zugekauft, präzisiert Matthias Käslin.
Eine grosse Herausforderung sei sicher die genügende Fettabdeckung. Wenn die Milch einige Wochen zu knapp ist, sei es schwierig, dies wieder aufzuholen. «Wird die Taxierung von 2 nicht erreicht, fallen sie aus dem Label, was eine grosse finanzielle Einbusse bedeutet.»
Auch das optimale Schlachtgewicht von 140 kg sei anspruchsvoll. Deshalb sei regelmässiges Wägen und tägliche Beobachtung der Kälber zum Abschätzen der individuell schwankenden Schlachtausbeute sehr wichtig. «Da braucht es ein gutes Auge und etwas Erfahrung.» Weniger problematisch sei bei OB-Kühen das Absetzen der Kälber. «Diese Mütter haben weniger Trennungsschmerz als andere Rassen.»
Zeit und Geduld nötig
Matthias Käslin achtet darauf, dass er viele Natura-Veal im Sommer und Herbst anbieten kann, wenn wegen des Sommerloches die Preise besser sind. Grundsätzlich sei aber ein konstant ausgeglichenes Angebot übers Jahr vorteilhaft, auch bezüglich Kälberzukauf, Fütterung und Haltung.
Das Potenzial für mehr Natura-Veal sei sicher vorhanden. Neueinsteigerinnen gibt er den Tipp, die Arbeit nicht zu unterschätzen. Und es brauche auch Geduld im Umgang mit den Kälbern. «Wer meint, nur morgens und abends schnell in den Stall oder auf die Weide schauen zu müssen, wird kaum Erfolg haben mit Natura-Veal.» Da würden Natura-Beef oder Weidemastrinder eher funktionieren. Wichtig sei auch eine gute Futtergrundlage und möglichst weidefähige Betriebe.
«Bei OB-Müttern ist der Trennungsschmerz geringer.»
Betriebsspiegel Schwarzholz
Name: Matthias Käslin, Schwarzholz, Nottwil
Fläche: 16,5 ha LN (eigenes und Pachtland), davon 1,5 ha Ackerbau (Getreide), 70 Aren Intensivobst (besonders Kirschen), 164 Hochstammbäume
Tiere: 30 Mutterkühe, jährlich 100 Natura-Veal, 200 Mastschweineplätze
Arbeitskräfte: Betriebsleiter 100 Prozent, Vater (ist Gemeinderat), rund 60 Prozent, Mutter (arbeitet noch bei Agrihome) rund 20 Prozent, Freundin 20 bis 40 Prozent. Dazu bis zehn Pflückhilfen für die Kirschenernte.
Gute Marktlage für die Label von Mutterkuh Schweiz
Von so hohen Preisen wie noch nie können die Natura-Beef-Produzenten profitieren. Auch Natura-Veal erfreue sich sehr guter Preise und sei sehr gesucht. Erfreulich ist auch, dass sich der Absatz der Labeltiere für die Gastronomie nach dem Corona-bedingten Einbruch am Erholen ist. Über die aktuelle Marktlage und Herausforderungen von Mutterkuh Schweiz orientierten der Geschäftsführer Urs Vogt, Stefan Lobsiger, Leiter Labelverkauf, und Ursula Freund, Leiterin Kommunikation, an der Regionaltagung Anfang September in Nottwil.
Am Anlass nahmen rund 75 Leute teil, davon sehr viele Natura-Veal-Produzent(innen) oder daran Interessierte, zumal auf dem besuchten Betrieb von Matthias Käslin Natura-Veal produziert werden.
«Beef-Net» und «Smart-Cow»
Lobsiger wies auf die kommenden Anpassungen der Produktionsreglemente hin. Präzisiert wird die Kuh-Kalb-Beziehung, die Betriebskontrolle und dass künftig möglichst verhindert werden kann, dass trächtige Tiere geschlachtet werden. Empfohlen wird in diesem Zusammenhang die Kastration der Stierkälber. Urs Vogt rief dazu auf, in Kombination die Applikationen «Beef-Net» und «Smart-Cow» zu nutzen. Wie eine Mitgliederbefra-gung zeigte, ist die Zufriedenheit mit den Dienstleistungen von Mutterkuh Schweiz hoch, wie Ursula Freund erläuterte. Als deutlich höher als für andere Programme wird der Aufwand für die Einhaltung der Produktionsrichtlinien für Natura-Veal erachtet. Allerdings sind über 90 Prozent der Befragten mit den Preisen und Lieferbestimmungen aller Markenprogramme von Mutterkuh Schweiz zufrieden. Als besondere Herausforderung wird von den Natura-Veal-Produzenten das Erreichen der Fettabdeckung, die Gewichtslimite und das Absetzen vor der Schlachtung erachtet. Vermehrt beschäftigt der Wolf die Mutterkuhhalterinnen. Abkalbungen auf der Weide im Sömmerungsgebiet müssten auch in Zukunft möglich sein.
Verhalten bei Wolfspräsenz
Zusammen mit dem Schweizer Bauernverband soll beim Bund ein Projekt erwirkt werden zur Entflechtung von Wander- und Bikewegen von Rindviehweiden, falls infolge Wolfspräsenz das Rindvieh ein auffälliges Verhalten zeige. Hingewiesen wurde auf Flyer für Wanderinnen und Infotafeln entlang von Wegen, und den Ratgeber und die Checkliste «Rindvieh im Weide- und Wandergebiet». Es sei immer davon auszugehen, dass Wanderer über wenig bis gar keine Kenntnisse im Umgang mit Rindvieh verfügen.