Ab 2024 sollen Kühe mit einer hohen Nutzungsdauer belohnt werden, und zwar mit Geld aus dem Direktzahlungstopf. Dies sagte Daniel Felder vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) am Agridea-Workshop im bernischen Zollikofen.
Bis zu 200 Franken
Obwohl die Signale auf Grün stehen, muss vorerst noch der Bundesrat darüber befinden. Der definitive Entscheid wird kommenden Frühling erwartet. «Der Verordnungsentwurf wurde in der Vernehmlassung mehrheitlich positiv aufgenommen, sodass wir 2024 starten können», hält Daniel Felder fest. Geplant war eigentlich ein Jahr früher, mit dem passenden IT-Tool sei man aber noch nicht bereit. Im Klartext heisst das, dass es ab 2024 pro Grossvieheinheit (GVE) zwischen 10 Franken (bei durchschnittlich drei Abkalbungen) und 200 Franken (bei durchschnittlich sieben Abkalbungen und mehr) bei den Milchkühen geben soll.
Multipliziert man diese Beiträge mit dem Viehbestand (GVE), resultiert daraus ein sogenannter Betriebsbeitrag. Für andere Kühe, wie zum Beispiel die bei der Mutterkuhhaltung, gilt der gleiche Zahlungsrahmen, allerdings ist hier der Beitrag erst ab der vierten Abkalbung festgelegt, und die 200 Franken pro GVE gibt es erst ab der achten Abkalbung.
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Weniger Stickstoff
Von der Erhöhung der Nutzungsdauer um mindestens eine Laktation erhofft sich der Bundesrat, die Stickstoffverluste jährlich um 1,3 Prozent senken zu können. «Das sind umgerechnet 1270 Tonnen Stickstoff», sagt der BLW-Vertreter. Dies sei ein wichtiger Beitrag, um die Ziele des Absenkpfades erreichen zu können. Aber nicht nur das: Von einer höheren Nutzungsdauer erhofft man sich, dass unerwünschte Milchrassenstierkälber durch einen höheren Einsatz von Fleischrassen ersetzt werden, die Aufzucht auf eine längere Nutzungsdauer verteilt und allgemein auch weniger Tiere für die Remontierung benötigt werden.
Woher kommt das Geld?
Aus welchem Topf das Geld letztlich kommen soll, immerhin sind es jährlich um die 40 Millionen Franken, weiss auch Daniel Felder nicht genau. «Ich könnte mir gut vorstellen, dass dieser neue Produktionssystembeitrag aus den Übergangsbeiträgen oder aus den Versorgungssicherheits- und Ressourceneffizienzbeiträgen entnommen werden könnte», so Felder.
Aber nicht alle Verbände und Organisationen haben Freude an den Plänen des BLW. Viele stören sich daran, dass der Bund die Direktzahlungen beim Milchvieh an den Abkalbungen festmacht anstatt an ihrer Lebtageleistung (geleistete Milchmenge durch Anzahl Lebtage).
Wird nicht gerecht
«Liest man in den Fachmedien, wird dort immer betont, dass hohe Einzeltierleistungen, bei fach‐ und tiergerechter Haltung mit möglichst viel Raufutter, absolut zielführend hinsichtlich Emissionen und Stoffflüssen seien», hält Thomas Reinhard von den Schweizer Milchproduzenten (SMP) fest. Zudem gebe es auch Forschungsberichte, die darauf hinweisen, dass man bei höheren Milchleistungen die Zwischenkalbezeiten erhöhen soll. «Den Zielen der Tierhaltenden, ‹möglichst effizient Milch und Fleisch zu produzieren›, werden die Pläne des Bundes mit dem Kriterium ‹Anzahl Abkalbungen› nicht gerecht», so Reinhard.
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Falscher Anreiz
Eine gute Aus- und Weiterbildung der Betriebsleitenden und betriebsangepasste Massnahmen seien wohl zielführender als starre Vorschriften vom Bund, von Labels und Branchenprogrammen. Und: Die Nutzungsdauer von Kühen müssten betriebsindividuell optimiert werden. «Falls der Bund ein Kriterium einführen will, hat sich die SMP für die Lebetageleistung ausgesprochen. Diese wäre sowohl bei Milch als auch bei Fleisch (produziertes Schlachtgewicht) zielführender, was die Emissionen betrifft», sagt Thomas Reinhard.
Kühe werden schon jetzt älter
Auch der Direktor vom grössten Rindviehzuchtverband, Matthias Schelling von Swissherdbook, hielt in seinem Referat fest, dass eine lange Nutzungsdauer nicht nur Vorteile habe. «Positiv ist sicher die Wirtschaftlichkeit, die Ethik wie auch Umweltbelastung zu bewerten. Hingegen ist bei einer langen Nutzungsdauer der kleinere Zuchtfortschritt pro Zeiteinheit zu beachten», so Schelling. Aber eins sei für ihn schon jetzt klar: «Zucht auf Nutzungsdauer ist nicht nur möglich, sondern bereits Realität». Denn: «Schon heute haben wir bei allen Rassen einen positiven Trend, wenn es um die Langlebigkeit der Kühe geht», sagt der Swissherdbook-Direktor.
So ist es vorgesehen
- Massgebend ist die durchschnittliche Anzahl Abkalbungen der in den letzten drei Jahren geschlachteten/verendeten Kühe.
- Die Anzahl Abkalbungen beim Ableben der Kuh wird dem Betrieb angerechnet, bei dem die Kuh letztmals abkalbte (Ganzjahresbetrieb).
- Beitrag ab Eintrittsschwelle linear ansteigend.
- Eine allfällig abschliessende Totgeburt wird nicht angerechnet.
- Differenziert nach Milchkühen und anderen Kühen.
- Beitragsausrichtung pro GVE des aktuellen Bestands.
- Automatische Berechnung: Daten werden via Auswertungstool bei der Tierverkehrsdatenbank erhoben.