Sie sind winzig, kaum sichtbar – und doch sind sie eine wachsende Bedrohung für die Schweizer Nutztierhaltung: Culicoides-Mücken, besser bekannt als Gnitzen. Diese stechenden Plagegeister übertragen die Blauzungenkrankheit (BTV) und breiten sich, begünstigt durch den Klimawandel, immer weiter aus. In wärmeren Regionen wie dem Tessin fühlen sie sich bereits heimisch und könnten auch im Mittelland oder Jura bald zur ernsthaften Gefahr werden. Was tun, wenn Seuchen nicht mehr aus fernen Ländern kommen, sondern im eigenen Stall überwintern?

Wie gut ist die Schweiz vorbereitet? Was weiss man über das Verhalten dieser Vektoren, und wie kann man ihnen rechtzeitig auf die Spur kommen? Wir haben beim Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) nachgefragt. Daniela Hadorn, Leiterin Fachbereich Tiergesundheit, erklärt, wie ernst die Lage ist.

Es wird wärmer

Aktuell unterscheidet das BLV zwischen einer vektorfreien und einer vektorminimalen Zeit. Diese Einschätzung basiert auf den jahreszeitlichen Aktivitäten der Mücken – ein Konzept, das aber zunehmend unter Druck gerät. Denn der Klimawandel verlängert die Lebensdauer und Aktivitätszeit der Culicoides-Mücken.

«Ein aktuelles Vektormonitoring ist geplant – wir wollen neue Daten sammeln: Wo kommen die Mücken vor, wie lange überleben sie, überwintern sie in Ställen?», erklärt Daniela Hadorn. Besonders im Tessin gebe es Hinweise, dass Culicoides dort überwintern könnten. Das würde bedeuten, dass ein möglicher BTV-Ausbruch künftig bereits früher im Jahr erfolgen könnte. «In Deutschland war die zweite BTV-Welle heftiger als die erste – auch klinisch. Wir erwarten ohne Impfung eine ähnlich schwere zweite Welle.»

Wo sollen die Fallen hin?

Auf die Frage nach der konkreten regionalen Verteilung von Fallen und Überwachungsbetrieben erklärt Daniela Hadorn, dass sich diese derzeit in Ausarbeitung befinde. Die Standorte würden risikobasiert festgelegt.

Auch zu den eingesetzten Fallentypen gibt es bereits Pläne: «Der Einsatz unterschiedlicher Fallentypen (z. B. Lichtfallen) ist vorgesehen. Auch mögliche Überwinterungsorte wie Ställe sollen gezielt einbezogen werden.»

Ein standardisiertes, flächendeckendes Frühwarnsystem speziell für Culicoides-Vektoren, wie es in anderen europäischen Ländern existiert, gibt es in der Schweiz derzeit noch nicht. Es sei jedoch Teil der geplanten Weiterentwicklung.

Höchste Gefahr im Tessin

Das BLV stuft das Risiko für das Tessin höher ein als in anderen Regionen. Dort wurde bereits 2003 der Hauptvektor Culicoides imicola nachgewiesen. «Für Regionen wie das Tessin, wo bereits Vektoren nachgewiesen wurden, wird ein erhöhtes Risiko angenommen», so Hadorn. Besonders in Stallnähe gebe es Hinweise auf eine mögliche Überwinterung.

Auch der Einfluss des Klimawandels ist deutlich spürbar. Die ersten Aktivitäten der Mücken verlagern sich bereits vom Juni in den April. Prognosekarten für die Ausdehnung der aktivitätsrelevanten Perioden gebe es derzeit jedoch noch keine.

Ein besonderer Fokus liegt künftig auf der Überwachung möglicher Überwinterungsstellen – insbesondere in Ställen. «Die Möglichkeit einer Überwinterung von Culicoides in Ställen wird berücksichtigt. Der gezielte Einsatz von Stallfallen ist Bestandteil des geplanten Monitorings», bestätigt Hadorn.

Wichtig sei auch die Kombination der Vektordaten mit der serologischen Überwachung. So lasse sich die regionale Risikoabschätzung fundierter gestalten: «Eine Verknüpfung des Vektormonitorings mit serologischer Überwachung ist vorgesehen.»

Erfahrung der EU

Das BLV zieht in seiner Planung auch Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern heran: «Erkenntnisse aus EU-Ländern wie Deutschland, Frankreich und Italien fliessen kontinuierlich in die Planung ein.» Diese Frühwarnsysteme unterscheiden sich strukturell vom Schweizer Ansatz – insbesondere in Bezug auf Zentralisierung und Überwachungsdauer.

Ein zentrales Frühwarnportal mit regionalen Warnstufen existiert in der Schweiz derzeit nicht. Die Information der Tierhaltenden erfolgt über bestehende Kommunikationswege in Zusammenarbeit mit den kantonalen Veterinärdiensten. Parallel zum BTV-Programm wird auch ein Vektormonitoring im Zusammenhang mit der Rinderkrankheit LSD (Lumpy Skin Disease) aufgebaut. Dabei soll der gezielte Einsatz von weiteren Fallenarten, etwa gegen Bremsen, punktuell erfolgen. «Ein flächendeckender oder ganzjähriger Einsatz ist jedoch nicht vorgesehen», sagt Daniela Hadorn.