«Ich bin kein Tierquäler und ich empfinde es als Erniedrigung gegenüber unserem Berufsstand», sagt Martin Fankhauser aus Burgistein im Kanton Bern. Der bekannte Viehzüchter äussert sich zur unangemeldeten Tierschutzkontrolle, die Mitte April auf seinem Betrieb stattgefunden hat. Und diese Kontrolle hatte es in sich: Laut der KUL und dem Amt für Veterinärwesen (Avet), die die Kontrolle durchgeführt haben, seien einige Kühe von Fankhausers zu gross, die Standplätze dafür zu klein.

Es droht eine Busse

Nun droht ihm das Avet nicht nur mit einer Busse, sondern, wenn der Landwirt die Masse nicht bis zur gesetzten Frist vom 31. Oktober gesetzeskonform anpasse, werde gestützt auf Artikel 24 TSchG die Beschlagnahmung der Tiere auf Kosten von Fankhauser angeordnet. Das ist aber noch nicht alles: Für die Verrichtungen im Zusammenhang mit der Verfügung wurde dem Bauern schon jetzt eine Gebühr von 450 Franken aufgebrummt. Nach dieser Tierschutzkontrolle bleibt nun der Landwirt unzufrieden und verunsichert zurück.

Martin Fankhauser hält in seinem Stall Red-Holstein- und Holsteinkühe. Einige davon sind sicher grösser als 150 cm und da reichen laut Tierschutzgesetz die 120 cm Standplatzbreite pro Kuh nicht mehr. «Die Holstein sind halt grösser und schmaler als die kleineren Zweinutzungsrassen, die wiederum viel breiter als die Holstein sind», so Fankhauser. Bei ihm habe jede Kuh Platz und wenn sie wollen, können alle auf einmal liegen. «Seit 30 Jahren steht jetzt unser Stall und wir hatten immerhin schon sechs Kühe mit einer Lebensleistung von über 100 000 kg Milch, eine sogar mit über 130 000 kg», argumentiert der Züchter seinen Standpunkt.

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Hoher Kuhkomfort

Martin Fankhauser ist überzeugt, dass diese hohe Milchleistung ohne den nötigen Kuhkomfort gar nicht möglich gewesen wäre. «Wir schauen jeden Tag aufs Neue zu unseren Tieren», sagt der Landwirt. Dabei werde vor allem auf die Haltung, die Pflege und die Fütterung, besonders viel Wert gelegt. Deswegen bat Fankhauser auch um eine Ausnahmebewilligung beim Avet. Mit seinem Begehren stösst er aber auf taube Ohren. Denn das Avet argumentiert mit dem gültigen Tierschutzgesetz. Auf Nachfrage heisst es nur: «Zu konkreten Fällen können wir keine Stellung nehmen.»

Schon vor zwei Jahren, im Juli 2019, wurde der Betrieb Fankhauser vom Avet überprüft. Laut Kontrollprotokoll waren da die Standplätze der Kühe noch kein grosses Thema. Es hiess nur, man solle diese im Auge behalten. Mit dem Kreuz auf dem Protokoll – wo aus Sicht des Avet keine weiteren Schritte nötig waren – wurde das Protokoll gegenseitig unterzeichnet. Umso mehr erstaunt es den Landwirt jetzt, dass die Standplätze plötzlich bemängelt werden. «Als am 15. April die unangemeldete Tierschutzkontrolle bei uns stattfand, war zugleich auch der Klauenpfleger auf unserem Betrieb», hält der Betriebsleiter fest. So blieben an diesem Tag Belehrungen, Meinungsverschiedenheiten und sogar gegenseitige Anschuldigungen nicht aus. «Ich fühlte mich bei der Kontrolle von den Behörden schikaniert und richtig vorgeführt», sagt der Landwirt. Die gegenseitige Antipathie führte sogar so weit, dass Fankhauser mit einem Antrag gewissen Leuten von der KUL und vom Avet den Zutritt zu seinem Betrieb verbieten möchte, dieser wurde aber vom Avet abgelehnt. Das Avet hingegen wirft dem Landwirt vor, dass sein Verhalten aufbrausend gewesen sei und er bei der Kontrolle unkooperativ mitgewirkt haben soll.

«Ich fühlte mich bei der Kontrolle schikaniert.»

Martin Fankhauser, Landwirt und bekannter Viehzüchter aus Burgistein.

Sich alles erlauben

«Es gibt gewisse Kontrollpersonen, die meinen, sie können sich alles erlauben», sagt Martin Fankhauser verärgert. Sie klettern ohne zu fragen über Absperrungen um das Wasser der Kälber zu kontrollieren oder machen Äusserungen wie: «Wenn man eure Traktoren sieht, muss man sagen, euch geht es nicht schlecht». «Bei solchen Kommentaren frage ich mich, ob Neid oder Missgunst im Spiel ist?», so der Betriebsleiter.

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Die Fronten sind verhärtet

«Solche Erinnerungen bleiben negativ an einem haften und die Kontrollämter müssen sich dann nicht wundern, wenn einige Landwirte bei den Tierschutzkontrollen nicht mehr kooperieren wollen», hält Martin Fankhauser fest. So oder so: Die Fronten zwischen dem Landwirt und dem Avet sind verhärteter denn je. Wie es weitergehen wird, wissen wohl beide Parteien nicht genau. Damit Martin Fankhauser seinen Stall den vorgeschriebenen Massen anpassen kann, muss er um die 50 000 Franken in die Hand nehmen. «Für einen alten Stall unvorstellbar», sagt er. Fankhauser müsste nicht nur die Standplätze für seine Kühe vergrössern, sondern auch mehrere Deckenpfeiler versetzen. «Unser Stall ist deckenlastig mit mehr als 1000 kg Tragkraft pro Quadratmeter. Die Deckenstützen können wegen der Statik nicht einfach verschoben werden», so der Landwirt. Aber nicht nur dass: Auch die Absauganlage und die Tränkebecken müssten angepasst werden. «Mit den breiteren Massen verliere ich auf den zwei Lägern je einen Standplatz, zwei Kuhplätze, die weiterhin sehr wichtig sind für unseren Betrieb», sagt er.

 

Masse für Boxenlaufstall

       

Abmessungen (in cm)

     

Widerristhöhe

120–130

130–140

140–150

Boxen/Breite

110

120

125

Länge (wandständig)

230

240

260

Länge (gegenständig)

200

220

235

Ab einer Widerristhöhe von mehr als 150 cm muss die Liegenboxenbreite 130 cm betragen. (Quelle BLV)

 

 

Masse für Anbindehaltung

       

Abmessungen (in cm)

     

Widerristhöhe

125±5

135±5

145±5

Standplatz/Breite

100

110

120

Länge bei Kurzstand

165

185

195

Länge bei Mittellangstand

180

200

240

Bei der Anbindehaltung müssen die Kühe bei einer Widerristhöhe von mehr als 150 cm eine Standplatzbreite von 125 cm haben.(Quelle BLV)

 

Nicht mehr viel Zeit

Bis Ende Oktober hat Martin Fankhauser nun Zeit, die Tierschutz-Vorschriften anzupassen. «Die Kontrolleurin sagte mir, wenn ich das nicht kann, könne ich ja die zu grossen Kühe verkaufen», sagt der Landwirt und schüttelt dabei den Kopf. «Ich werde sicher nicht meine ältesten und besten Kühe verkaufen, geschweige denn sie zum Metzger bringen», hält er fest. Zudem hofft der Landwirt immer noch, dass das Avet ihm eine Frist gewähren wird im Wissen, dass er und seine Söhne in den nächsten fünf Jahren einen neuen Laufstall realisieren möchten.

«Ich möchte einfach in Ruhe gelassen werden.»

Das sagt Martin Fankhauser nachdenklich und mit leiser Stimme

Vielleicht sogar ausgewandert

«Ich habe es schon bei der Tierschutzkontrolle gesagt: Wegweisend werden die zwei Agrar-Initiativen sein. Jetzt wo diese bachab geschickt wurden, sehen wir hier in der Schweiz eine Zukunft und wollen in einen neuen Laufstall investieren, sonst hätten wir die Milchproduktion vielleicht aufgegeben oder wären sogar ausgewandert», sagt Martin Fankhauser klar und deutlich. «Ich mag mich eigentlich nicht mehr immer rechtfertigen müssen. Wie die Ämter mit uns Bauern umgehen, stimmt mich traurig und nachdenklich», sagt er mit leiser Stimme am Küchentisch. Er, der nur gut schlafen kann, wenn er weiss, dass es seinen Kühen gut geht. Er, der mitten in der Nacht aufsteht, um die Kühe in den Stall zu holen, wenn es draussen in Strömen regnet, soll plötzlich ein «Tierquäler» sein und nicht gut zu seinen Tieren schauen? «Ich mag mich eigentlich nicht mehr verteidigen, ich habe es satt mich laufend rechtfertigen zu müssen und Einsprachen zu schreiben, die nichts nützen», so der Landwirt. In anderen Berufen würde man von einem Burn-out sprechen. Als Bauer habe man aber keine Zeit dazu. «Ich möchte einfach in Ruhe gelassen und nicht dauernd von jemandem kontrolliert werden. Und noch einmal, ich bin kein Tierquäler, unsere Kühe haben Familienanschluss. Wer das nicht glaubt, kann gerne selber bei uns einen Augenschein vor Ort nehmen», sagt er bestimmt.

Anmerkung der Redaktion: Der Verfasser des Artikels ist nicht verwandt mit Martin Fankhauser.

 

«Sicher im Auge behalten»

Auch die Zuchtverbände wissen vom Problem, dass die Kühe immer grösser werden. «Die BS-Kühe sind in den letzten zehn Jahren rund 3,5 cm grösser geworden, beim OB betrug der Zuwachs rund 1,5 cm», sagt Martin Rust, Vizedirektor von Braunvieh Schweiz. Der Zuwachs sei sicher nicht dramatisch, aber dennoch möchte man diesen Trend brechen und die Grösse auf dem heutigen Niveau stabilisieren.

Wie ist die ideale Grösse?

«Das Zuchtziel sieht eine ideale BS-Kuh im Bereich von 140 bis 152 cm, beim Original Braunvieh beträgt die Zielgrösse 135 bis 145 cm», so Martin Rust. Zudem fliesse beim Gesamtzuchtwert die Kreuzbeinhöhe mit einem negativen Gewicht von 2 % ein. Bei der linearen Beschreibung (LBE) werden grundsätzlich keine Kühe «bestraft», sondern aufgrund ihres Erscheinungsbildes beschrieben. Je weiter weg eine Kuh von der Idealgrösse ist – nach oben oder nach unten – je tiefer ist der resultierende Notenvorschlag», sagt der Vizedirektor.

Es gibt Genetik

Das Angebot an mittel- und kleinrahmigen Braunvieh-Stieren sei in der letzten Zeit sicher breiter geworden. Bei BS seien das sehr komplette nachzuchtgeprüfte Stiere wie Haegar, Simbaboy oder Zitac oder Jungstiere wie Calano, Bays, Cosmos, Miro, Vialo PP und viele mehr. Beim OB würden die Stiere Rico Roy, Orando, Vito, Killy oder Orlando eher kleinrahmig vererben.

Auch bei Swissherdbook will man die Grösse der Kühe im Auge behalten. «Bei den Rassen Holstein, Red Holstein und Swiss Fleckvieh ist die Grösse der Kühe in den letzten zehn Jahren sicher leicht angestiegen. Bei den Simmentalern, mit nicht ganz 144 cm Kreuzbeinhöhe, ist sie hingegen konstant geblieben», sagt Matthias Schelling, Direktor von Swissherdbook.

Nicht erwünscht

Zu diesen Daten sei anzumerken, dass bei der Auswahl der Stiere ein Ansteigen der Grösse nicht erwünscht ist. In den Zuchtzielen seien deshalb seit jeher für jede Rasse folgende Bandbreiten für die ideale Grösse festgelegt: Beim Zuchtziel Kreuzbeinhöhe ausgewachsene Kühe gelte seit 2015: SI140–148 cm; SF 140–150 cm und RH 150–155 cm. «Kühe, die grösser sind als die Bandbreite für ihre Rasse, erhalten seit Einführung der LBE in den 90er-Jahren bei ihrer Einstufung einen Abzug», so Schelling.

Die Holsteinkühe bei Holstein Switzerland sind in den letzten zehn Jahren bis zu 3 cm grösser geworden. Heute messe schon eine Erstlingskuh in voller Laktation über 150 cm. Seit mehreren Jahren liege das Zuchtziel einer ausgewachsenen Holsteinkuh bei 155 cm.