Die Zucht- und Nutzviehauktionen haben im Berner Oberland eine lange Tradition. Seit über 30 Jahren werden sie jeweils sechs Mal jährlich auf dem Expo-Areal in Thun durchgeführt. Letzte Woche war es wieder soweit, 30 Tiere waren im Katalog – viel zu wenig, um Händler und die private Käuferschaft in Scharen anzuziehen. Das hat auch das Auktionskomitee erkannt. Mit einer grossen Offensive versucht man jetzt den Auktionsplatz Thun zu retten und hofft, dass schon bei der nächsten Auktion am 29. September mindestens 60 Tiere aufgeführt werden.

Es ist Zeit zu handeln

«Es ist fünf vor zwölf, wir müssen was unternehmen, sonst sehe ich schwarz für den Auktionsplatz Thun», sagt Ferdinand Oehrli, Präsident des Auktionskomitees. Damit künftig mehr marktgängige Tiere aufgeführt werden, will man eine Prämienzahlung (Absatzförderung) ins Auge fassen. Dabei sollen die Besitzer von Tieren, welche einen Verkaufspreis ab 3000 Franken erzielen, 100 Franken, ab 3500 Franken 200 und ab 4000 Franken eine Prämie von 300 Franken erhalten. Mit dieser Massnahme hofft man, ein Anreizsystem zu schaffen, dass Bauern bereit sind, ihre Tiere an der Thuner Auktion zu verkaufen und zugleich eine Qualitätssteigerung zu erreichen.

«Bringt ein Landwirt zwei Tiere mit je einem Verkaufspreis von 4000 Franken, erhält er auf einen Schlag 600 Franken Prämie», rechnet Oehrli vor. Aus der Kasse der Verbandsgenossenschaft für Simmentaler Alpfleckviehzucht und Alpwirtschaft (VSA), soll das Prämiengeld fliessen. Schon bei der nächsten Auktion im September soll das System zum Tragen kommen. Dabei sollen nicht nur die Verkäufer aus dem VSA-Gebiet davon profitieren, die Prämien gelten für jedermann, der ein Tier in Thun verkaufen möchte. «Es würde uns natürlich freuen, wenn wir in Zukunft vermehrt ausserhalb des Verbandsgebiets Verkaufstiere anbieten könnten», sagt der Präsident. Oehrli, weiss nur zu gut, dass zu wenig Tiere für eine Auktion auf kurz oder lang den Tod bedeuten würde. «Ein Händler aus der Ostschweiz reist nicht wegen 30 Kühen nach Thun, das müssen wir uns bewusst sein.» Damit eine Auktion auf Dauer Erfolg habe, brauche es nicht nur eine Mindestzahl an Tieren, sondern auch eine Mindestzahl an Händlern und privaten Käufern.

 

Einen neuen Weg

Nicht nur mit der Prämienzahlung will das OK einen neuen Weg beschreiten, auch mit einer Vorschaukommission, welche die Auktionstiere selektioniert, will man starten. «Wir möchten mit diesem Vorgehen auf keinen Fall die Landwirte und Landwirtinnen belehren», sagt Oehrli klar und deutlich. Eher sehe sich die Vorschaukommission als beratende Funktion. Der Nutzviehmarkt sei gnadenlos, die Händler wüssten genau, welche Kuh sie wollen. Frisch gekalbte Kühe in der zweiten Laktation, mit einer Tagesmilch von 30 kg bei hohen Gehalten und tiefen Zellzahlen werden nachgefragt.

Die richtige Kuh

«Es bringt nichts, wenn ein Landwirt eine Kuh an die Auktion bringt, welche schon vor vier Monaten gekalbt hat», sagt Ferdinand Oehrli bestimmt. Die Vorschaukommission könne hier die Landwirte aufmerksam machen und mitteilen, dass es besser wäre, wenn sie vielleicht ein anderes Tier anmelden würden. Trotz einer Vorschaukommission werde es preislich für die Verkäufer keine Nachteile geben. Wie bis anhin koste die Auffuhrgebühr pro Tier 50 Franken, wovon man wieder 20 Franken als Kilometerentschädigung zurückbekomme.

Schon seit zwei, drei Jahren seien die Auffuhrzahlen an den Auktionen in Thun rückläufig. Die Gründe seien vielfältig und schwer eruierbar. «Wir haben hier im Berner Oberland viele Teilzeitbetriebe. Oftmals fehlt den Betriebsleitern einfach die Zeit, um extra mit einem Tier nach Thun zu fahren oder sie sind vom Auktionsplatz zu weit entfernt», hält Oehrli fest.

 

 

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Eine Umfrage gestartet

«Anfang Winter haben wir eine Umfrage gestartet, ob es sinnvoll wäre, wenn das Aktionskomitee ein Voll-Service-Programm anbieten würde, mit abholen, scheren, waschen und melken der Tiere. Dies wurde klar abgelehnt, bei immerhin 200 Rückmeldungen», sagt der Präsident. Der private Handel sei im VSA-Gebiet sehr gut organisiert und auch wichtig für die Auktion Thun. Im Weiteren kämpfe der Auktionsplatz auch gegen ein schlechtes Image an, wie es Ferdinand Oehrli formuliert. «Wenn ein Landwirt für sein Tier in Thun 3500 Franken löst, ist er enttäuscht, wenn er aber den gleichen Betrag in Burgdorf oder Schüpbach bekommt, ist er zufrieden. Diese Einstellung müssen wir unbedingt ändern. Wie, ist mir auch noch nicht ganz klar», sagt er.

Mindestens 60 Tiere

In Zukunft wolle man in Thun mindestens 60 bis 100 Tiere pro Auktion anbieten können. 100 Tiere und mehr sei nicht das Ziel, da die hinteren Katalognummern preislich meistens im Nachteil seien. «Die Händler wollen schnell ihre Camions füllen und wieder weg», weiss der Präsident. Eine Auktion, die sich über Stunden hinweg ziehe sei kontraproduktiv. «Obwohl wir mit der Auktion in Thun um 12 Uhr beginnen, schauen die Händler um 14 Uhr schon wieder auf die Uhr», sagt Ferdinand Oehrli und lacht dabei. Um diesbezüglich flexibler zu sein, fasse man in Thun auch Abendauktionen ins Auge. «Dafür müssten wir zuerst Tränkebecken und eine Melkanlage in den Stallungen installieren», so Oehrli. Diesbezüglich fanden schon Gespräche statt und auch die ersten Offerten wurden eingeholt.

Kein Auktionsplatz mehr

Es tut sich also einiges in Sachen Viehvermarktung und dem Auktionsplatz Thun. «Bis Ende 2022 beobachten wir jetzt die ganze Situation und schauen, ob unsere Bemühungen Früchte tragen werden», hält Ferdinand Oehrli fest. Wenn nicht, dürfte ab 2023 die Zucht- und Nutzviehauktion Thun definitiv der Vergangenheit angehören.