Zucht und Viehschauen sind für viele Zentralschweizer Betriebe wichtig. An Ausstellungen werden grosse Tierzahlen präsentiert. Warum ist das so? Hat das auch wirtschaftliche Gründe? Die BauernZeitung fragte bei Züchter und Betriebswirtschaftler Hanssepp Gisler nach.

Viehschauen haben in Uri eine grosse Bedeutung. Nicht nur die Kantonalschau ist ein wichtiges Datum im Kalender vieler Urner Bauern, auch an nationalen Ausstellungen sind die Urner meist gut vertreten. Woher kommt diese Begeisterung?

Hanssepp Gisler: Das wird wohl, ähnlich wie bei der Viehzucht selber, genetisch vererbt sein. Leidenschaft und Herzblut für die Tierhaltung sind wichtige Voraussetzungen für den wirtschaftlichen Erfolg. Der Urner Viehzüchter zeigt diese Leidenschaft an den jährlich stattfindenden Ausstellungen immer wieder gerne. Die Schauen sind Treffpunkte, an denen rangiert, diskutiert und propagiert wird. Sie dienen den Viehzüchtern auch als Standortbestimmung für ihre Zuchtarbeit. Zudem sind Viehausstellungen auch eine Motivation, um an der eigenen Zucht weiterzuarbeiten und dadurch auch einmal an einer Viehschau vorne mitmischen zu können. Ein weiterer Grund für die grosse Begeisterung ist, dass regionale Viehschauen landauf, landab einen grossen Rückhalt in der Gesellschaft geniessen und damit zur kulturellen Vielfalt unseres Landes beitragen.

Sie sind selber nicht nur erfahrener Viehzüchter, sondern auch Fachmann im Bereich landwirtschaftlicher Buchhaltungen. Wie wirtschaftlich bedeutend ist die Viehzucht für die Urner Betriebe?

Die Viehzucht, nicht die Schauzucht, ist auf den meisten Urner Betrieben der wichtigste Betriebszweig. Das hat neben der persönlichen Leidenschaft für die Viehzucht auch damit zu tun, dass die Viehwirtschaft aufgrund des Klimas und der topografischen Bedingungen im Voralpengebiet eine sehr standortangepasste Produktionsform ist.

Viele Kühe im Urnerland werden gealpt. Zudem kann nur ein kleiner Teil der Urner Rindviehbetriebe mit ihrer eigenen Futtergrundlage eine leistungsstarke Milchkuh ausfüttern. Lohnt sich der Futterzukauf, oder wäre es wirtschaftlich nicht interessanter, mit Zweinutzungsrassen zu arbeiten?

Futterzukäufe, insbesondere zur Leistungssteigerung, lohnen sich nicht. Der Standort, die Betriebsstruktur und die Raufuttergrundlage sollten eigentlich die Rasse bestimmen, mit der man betriebswirtschaftlich vorwärtskommt. Eine Zweinutzungsrasse, Original Braunvieh oder Simmentaler, kann durchaus eine gute Alternative sein. Aber auch standortangepasste Milchrassen wie eine mittelrahmige Brown Swiss Kuh mit starkem Fundament funktionieren auf Bergbetrieben. Die Frage des richtigen Kuhtyps muss sich jeder Betriebsleiter selbst beantworten. Das setzt aber auch voraus, dass man seine Buchhaltungszahlen analysiert und sich mit den Stärken und Schwächen der eigenen Rindviehhaltung befasst.[IMG 2]

Führt der hohe Stellenwert des Schauwesens nicht dazu, dass bei der Stierenauswahl das Exterieur zu Lasten wirtschaftlicher Merkmale zu stark gewichtet wird?

Exterieur-Merkmale wie Brusttiefe, Beckenform, Fundament, Eutervolumen und Euterhöhe sind alles Merkmale, die eine langlebige und somit wirtschaftliche Kuh ausmachen. All diese Kriterien werden von den Experten in ihren Kommentaren immer wieder als wichtig betont und führen zu Spitzenplatzierungen. Persönlich bedauere ich, dass für die Zulassung an Schauen Leistungsmerkmale wie beispielsweise der Milchwert oder der Fitnesswert keine Kriterien sind. Für mich dürften an den Schauen nur von den ‹Besten die Schönsten› aufgeführt und rangiert werden. Dies würde uns in der Viehzucht einen wichtigen Schritt weiterbringen.

Die Urner sind bekannt als erfolgreiche Viehzüchter. Im Lagebericht zur wirtschaftlichen Situation der Urner Landwirtschaft wird aber schon seit Jahren auf die niedrigen Einkommen der Viehzüchter hingewiesen. Wird in der Ausbildung die Tierzucht auf Kosten der Betriebswirtschaft zu stark gewichtet?

Das landwirtschaftliche Einkommen der ausgewerteten Urner Betriebe im angesprochenen Lagebericht ist im Vergleich zu anderen Bergregionen nicht berauschend. Es wäre aber zu einfach, dies damit zu begründen, dass hohe Kosten in der Viehzucht der Hauptgrund für die niedrigen Einkommen seien. Bei genauer Betrachtung der Daten zeigt sich, dass die Deckungsbeiträge der Urner Milchviehhaltungsbetriebe im Vergleich mit den übrigen Bergregionen im mittleren Bereich liegen. Der grösste Gewinnkiller auf unseren Betrieben sind die hohen Strukturkosten. Oft trifft man, bedingt durch unsere eher kleinen Betriebsstrukturen, mobile und immobile Sachanlagen auf verschiedenen Stufen an, mit denen eine zu kleine Wertschöpfung generiert werden kann. Leider lassen sich die vorhandenen Betriebsstrukturen oder einmal falsch getroffene Investitionsentscheidungen kaum mehr verbessern. Zur Frage der Gewichtung an den Schulen: Die betriebswirtschaftlichen Kenntnisse in der Grundausbildung beschränken sich auf das Buchhaltungsführen und Analysieren; eine Vertiefung ist im Bildungsplan nicht enthalten. Dies erfolgt dann in der Weiterbildung auf der Stufe BLS. Meiner Meinung nach reicht dieses Grundwissen für eine erfolgreiche Betriebsführung in Zukunft allein nicht mehr aus.

Ist die Position Viehzucht auf ihrem eigenen Betrieb ein Aufwand- oder Ertragskonto?

Wir führen in der Buchhaltung den Kostenträger Rindviehhaltung. Wir unterscheiden nicht, was die Nutztierhaltung und was die ‹Schautiere› finanziell abwerfen. Zuchttiere sind auf unserem Betrieb das Fundament für die Nachzucht. Die Zuchttiere müssen punkto Inhaltsstoffe, Milchqualität und Exterieur überdurchschnittlich gut sein. Tiere, die diese Qualitäten erfüllen, machen Freude, weil sie sich gut verkaufen lassen.

Worauf freuen Sie sich bei der anstehenden Viehschau-Saison am meisten?

Wir haben nun ein Jahr lang in der Zucht gearbeitet und die Tiere gehegt und gepflegt. Ich freue mich auf den Vergleich mit anderen Betrieben und deren Zuchttieren. Wenn die Teilnahme an der Viehschau etwas kostet und wenig abwirft, dann ist das halb so schlimm. Andere geben für ihr Hobby ebenfalls Geld aus. Ausserdem freue ich mich auf das Wiedersehen mit Leuten, die man unter dem Jahr selten antrifft. Wichtig sind mir dabei gute Gespräche, insbesondere über künftige Strategien in der Viehzucht.

Herbstzeit – Grossviehschauzeit
[IMG 3]
In den kommenden Wochen findet in der Zentralschweiz wieder eine grosse Zahl von Herbstviehschauen statt. Gestartet wird traditionsgemäss mit der Viehschau Ybrig in Unteriberg, die am 12. September über die Bühne geht.

Allein im Kanton Schwyz werden an den fünf Bezirk- und drei Gemeindeviehschauen, die alle bereits im September stattfinden, rund 3000 Stück Rindvieh aufgeführt. Am 3. Oktober werden an der Kantonalen Grossviehschau Obwalden bei der Reithalle in Sarnen um die 900 Stück Vieh ausgestellt. Einen Tag danach ist der grosse Tag der Urner Braunviehzüchter, die an ihrer Kantonalen Grossviehschau Uri auf der Bärenmatt in Schattdorf rund 650 Zuchttiere aufführen werden. Die Kantonale Grossviehschau Nidwalden findet eine Woche später, am 11. Oktober statt. Um die 550 Braunviehtiere werden in Wil-Oberdorf ausgestellt. In Luzern finden über das ganze Kantonsgebiet rund 10 Gemeinde- und Regionalviehschauen statt, dazu werden am 18. Oktober an der Braunvieh-Eliteschau die schönsten Tiere vom Amt Entlebuch ausgestellt.

Das Braunvieh ist in der Zentralschweiz am meisten verbreitet. Entsprechend hoch ist der Anteil der Rasse an den Viehschauen. Eine grosse Zahl der oben erwähnten Ausstellungen sind reine Braunvieh-Schauen. An einzelnen Anlässen wie an der Bezirksviehschau in Küssnacht (Holstein) oder der Bezirksviehschau Höfe (Jersey) werden heuer dazu auch andere Rassentiere präsentiert. Auch bei der Zuger Open Expo, welche am 29. November stattfindet, werden mehrere Rassen gezeigt.

Herbstviehschauen ohne Braunvieh sind die Viehschau Ob-/Nidwalden in Giswil, an der am 4. Oktober Jersey- und Holstein Tiere gezeigt werden. Am selben Tag findet auch die Entlebucher Amtsschau in Rot und Schwarz in Marbach statt. Im Kanton Aargau gibt es seit über 20 Jahren im Herbst keine regionalen Holsteinschauen mehr, auch Braunvieh-Herbstschauen finden sich im Schaukalender keine. Dafür wird jährlich Mitte März jeweils die Aargauer 3-Rassen-Eliteschau organisiert, bei der Tiere der Rassen, Brown Swiss, Swiss Fleckvieh, Holstein und Red Holstein präsentiert werden.