Vergangenen November wurde in einer Hobby-Hühnerhaltung in Hüntwangen, im Zürcher Unterland, der erste Fall von Vogelgrippe in der Schweiz gemeldet. Nun tritt die Newcastle-Krankheit (ND) ebenfalls im Zürcher Unterland, in einem Geflügelbetrieb in Niederglatt, auf. Hat der Kanton Zürich ein Problem mit den Geflügelhaltungen?
Die Newcastle-Krankheit
Bei der Newcastle-Krankheit (Newcastle-Disease ND) handelt es sich um eine Virus-Erkrankung, von der nicht nur das Geflügel betroffen ist, sondern alle Vögel. Je nach Virusstamm ist der Verlauf der Krankheit verschieden. Es können bis zu 100 Prozent des Geflügels innert weniger Tage sterben. Die Infektion kann sich auch im Rückgang der Legeleistung und durch fehlende Eischalen zeigen. Die Krankheit ist in der Schweiz meldepflichtig. Wird auf einem Betrieb ND diagnostiziert,wird er umgehend gesperrt und alle Tiere des betroffenen Bestands müssen getötet werden.
Um eine Verschleppung des Virus zu vermeiden, wird um den Seuchenherd eine Schutz- und Überwachungszone mit einem Radius von 3 bzw. 10 Kilometern eingerichtet. In diesen Zonen, die für mindestens 21 Tage bestehen bleiben, gelten Einschränkungen im Tier- sowie im Personen- und Warenverkehr.
Bei dieser Krankheit handelt es sich um eine sogenannte Zoonose. Das heisst, sie ist auch auf den Menschen übertragbar. Davon betroffen sind in seltenen Fällen Personen, die engen Kontakt zu den Tieren hatten. Beim Menschen kann das Virus eine Bindehautentzündung hervorrufen.
Mehr Informationen auf der temporären Spezialseite des Veterinäramts Zürich.
«Es ist wie mit dem Hagel»
«Nein. Das ist reiner Zufall», meint Roger Bolt, Geflügelexperte am Strickhof. «Es ist wahrscheinlich wie mit dem Hagel. Wenn es in einer Gegend hagelt, tut es das meist mehrmals hintereinander.» Gemäss Bolt ist die ND kein neues Phänomen für die Schweiz. «Vor elf Jahren trat sie im Welschland auf.» Das Veterinäramt des Kantons Zürich antwortet auf die Frage ebenfalls, dass von einem Zufall ausgegangen werden müsse. Woher die zwei Einträge stammen, könne nicht sicher bestimmt werden. Die Vermutung liege jedoch nahe, dass die Viren durch Wildvögel in die Geflügelhaltungen gelangten, so das Veterinäramt weiter.
Von der BauernZeitung auf die Wildvögel angesprochen, meint Martina Schybli von der Schweizerischen Vogelwarte: «Beim Auftreten von Newcastle-Disease- oder Vogelgrippe-Fällen beim Geflügel fällt der Verdacht oft schnell auf die Wildvögel.» Zwar könnten beide Erreger bei Wildvögeln vorkommen, es seien aber nicht alle Wildvogelarten gleichermassen betroffen. «Bevor Wildvögel als Ursache angesehen werden, muss eine Übertragung innerhalb der Geflügelindustrie ausgeschlossen sowie der Virusstamm identifiziert und mit möglichen in Wildvögeln zirkulierenden Stämmen abgeglichen worden sein.» Bezüglich der Virenstämme seien noch Abklärungen im Gange, heisst es vonseiten Veterinäramt. Die möglichen Eintragswege aus der Geflügelindustrie wurden abgeklärt und alle seien als sehr unwahrscheinlich zu beurteilen.
In Zahlen
600'000 bis 700'000 Hühner gibt es im Kanton Zürich laut Veterinäramt.
2901 Hühnerhaltungen waren 2020 im Kanton Zürich gemeldet.
421 Hühnerhaltungen befinden sich in derÜberwachungs- bzw. 55 in der Schutzzone aufgrund der ND.
1 Geflügelbetrieb in Niederglatt war bis jetzt von der ND betroffen.
Laut Veterinäramt Zürich befinden sich zurzeit 421 Hühnerhaltungen in der Überwachungs- und 55 in der Schutzzone. Die meisten davon seien Klein- und Kleinsthaltungen. Roger Bolt rechnet nicht damit, dass der zweimalige Ausbruch einer Geflügelseuche weitere Konsequenzen für die Geflügelhaltung im Kanton Zürich haben wird. «Wir müssen mit diesen Viren und den davon ausgehenden Risiken leben.»
Andere Länder impfen gegen die ND
Umso wichtiger ist laut Roger Bolt, dass die Betriebe jederzeit die allgemeinen Biosicherheitsmassnahmen einhalten: «Bevor man in einen Hühnerstall eintritt, wechselt man die Kleider.» Man müsse aufpassen, dasskeine Erreger durch Menschen eingeschleppt würden. Ausserdem sollte der Kontakt zu Wildvögeln möglichst vermieden werden. In geschlossenen Ställen sei das einfacher machbar. «Mit den Ethoprogrammen BTS und RAUS haben wir jedoch einen Zielkonflikt zugunsten des Tierwohls.»
In anderen Ländern werde Geflügel gegen die ND geimpft, fährt der Geflügelexperte fort. In einem frühen Stadium würde dabei den Jungtieren über das Wasser der Impfstoff verabreicht. «Die Schweiz hat sich dagegen entschieden. Die ND wird als Tierseuche eingestuft und in befallenen Betrieben werden die Tiere deshalb gekeult.»
«Das Risiko muss jeder selber abschätzen»
Roger Bolt beurteilt die Situation nicht als dramatisch, sofern durch die erstellten Sperr- und Überwachungszonen die Krankheit isoliert werden könne. «Klar, für den einzelnen betroffenen Betriebsleiter ist die Situation katastrophal.» Im Falle der ND, komme der Staat für die Tierausfälle auf. Zudem gebe es Epidemieversicherungen, mit denen man sich weiter gegen Tierseuchen absichern könne. «Das Risiko muss aber schlussendlich jeder Betrieb für sich abschätzten.»
Fragt man beim Branchenverband Gallo Suisse nach, wie die Abgeltung der betroffenen Betriebe geregelt sei, heisst es, es gebe folgende drei Aspekte zu beachten:
- Die Nationale Tierseucheregelung durch den Bund.
- Einzelne Kantone, wie z. B. der Kanton Zürich, hätten eine kantonale Tierseucheregelung.
- Die private Epidemieversicherung.
Der Verband habe zurzeit noch einen Kollektivvertrag mit der AXA. «Über uns können sich Aufzüchter(innen) und Legehennenhalter(innen) versichern», sagt Geschäftsführerin Edith Nüssli. Die Versicherung zahle nicht nur die Tierverluste, sondern entschädige bis zu 90 Tage auch den Einkommensausfall durch den Unterbruch des Betriebs. «Die Versicherung übernimmt Schäden, welche Bund und Kantone nicht decken», so Nüssli.
