Die Wolfspräsenz nur 100 Meter neben unserem Heimbetrieb führte bei mir schon zu einem Umdenken», erklärt Landwirt und Älpler Heinz Gwerder. Anfang April dieses Jahres hat ein Wolf unmittelbar neben seinem Stall im Muotathal ein Reh gerissen. «Beim Weidestart hatte ich heuer ein sehr ungutes Gefühl. Aber vielleicht brauchte es dieses Ereignis für meinem Gesinnungswandel», so der 49-Jährige weiter.

Eine Alp mit Kühen und Schafen

Zusammen mit seiner Frau Fränzi und den vier Kindern bewirtschaftet Heinz Gwerder das Heimet Wiezenen mit rund 15 Kühen, 25 Stück Jungvieh und 100 Schafen. Den Sommer verbringt die Familie Gwerder rund 600 Höhenmeter weiter oben auf der Alp Vordere Rotmatt, wo sie mit ihrem eigenen Rindvieh z Alp ist. Dazu bewirtschaftet sie auch die grossflächige Schafalp Belgerts-Rupperslaui mit rund 400 Tieren.

Wie es auf allen grösseren Kleinviehalpen im Kanton Schwyz geplant ist, fand auf der Schafalp Belgerts-Rupperslaui kürzlich eine Begehung statt. Älpler Heinz Gwerder, Herdenschutzspezialist Cornel Werder und Theo Pfyl von der landwirtschaftlichen Beratung des Kantons Schwyz hatten einen langen Marsch vor sich, über rund 200 Hektaren erstreckt sich das weitläufige Alpgebiet, welches im Besitz der Oberallmeindkorporation Schwyz ist.

Schon beim Einstieg zur Alp zeigt sich, die Zaunarbeit ist in diesem Gebiet eine grosse Herausforderung. «Im steilen und felsigen Gebiet Belgerts ist es infolge des Steinschlags nicht möglich, mit Flexinetzen zu zäunen», erklärt Älpler Gwerder. Der Zaun beim Alpzugang besteht aus diesem Grund aus einem besonders massiven Knotengittergeflecht und Holzpfählen. «Es ist wichtig, dem Wolf diesen rund 100 Meter breiten Zugang möglichst zu erschweren», erklärt Cornel Werder. Er schlägt vor, den bestehenden Zaun mit einer stromführenden Litze zu ergänzen.

Zugang zu Wasser muss gewährleistet bleiben

Die Bäche im lang gezogenen Weidegebiet Belgerts präsentieren sich aktuell als bescheidene Rinnsale, Wasser ist nicht nur in diesem Sommer ein rares Gut. «Dadurch ist es nicht möglich, die drei Koppeln der Umtriebsweide noch weiter zu unterteilen. Das wäre aber hier für den Einsatz von Herdenschutzhunden nötig, denn nur so haben diese die Übersicht und können ihren Schutzaufgaben nachkommen», erklärt Fachmann Werder weiter. Auch das Anlegen von Nachtpferchen beurteilt er auf dem unteren Teil der Alp infolge der kaum vorhandenen geeigneten Flächen mit Skepsis. Hier wären umzäunte Nachtweiden sinnvoller, aktuell aber nicht umsetzbar. Über steile Geröllhalden geht der Aufstieg weiter.

«Massnahmen müssen tragbar sein.»

Berater Theo Pfyl kennt die Situation des Alppersonals.

«Herdenschutz-Massnahmen müssen zumutbar und auch wirtschaftlich tragbar sein», betont der lokale Alpkenner Theo Pfyl nach rund drei Stunden Fussmarsch. «Auch wenn bei einer allfälligen Wolfspräsenz auf allen Alpen ein Gefahrenpotenzial besteht, wird es vor allem für kleinere Schafalpen im Waldgebiet sehr schwierig», betont Pfyl mit Blick auf eine tiefer gelegene Schafalp, die von ihm kürzlich als «nicht zumutbar schützbar» eingestuft werden musste.

Für ständige Behirtung zu klein

Die Gruppe ist im oberen Teil der Alp, im Gebiet Rupperslaui angekommen. Den rund 400 Schafen scheint es da oben wohl zu sein, friedlich fressen sie das kurze und nahrhafte Gras. «Die Tiere legen hier auf 2000 Metern über Meer viel Gewicht zu, was natürlich die Tierbesitzer und mich freut», so Heinz Gwerder. Mit den rund 400 Schafen hat die Alp eine ansprechende Grösse. Diese Tierzahl reicht allerdings bei den aktuellen Beiträgen nicht aus, eine ständige Behirtung zu finanzieren. «Dazu kommt, dass es vor Ort auch keine geeignete Unterkunftsmöglichkeit gibt.»

Heinz Gwerder bezweifelt, dass sich bei einer Wolfspräsenz überhaupt noch geeignetes Personal finden lässt. «Wer will schon auf einer Alp arbeiten, wo er immer mit der Angst vor verletzten oder toten Tieren arbeiten muss.»

Eintrittspforten auszäunen

Auf einem weiteren rund zweistündigen Fussmarsch werden im Gebiet Rupperslaui die möglichen Zutrittsmöglichkeiten des Wolfes auf das Alpgebiet begutachtet und auf den Plänen eingezeichnet. Trotz des sehr steinigen Geländes sieht Heinz Gwerder hier Möglichkeiten, diese Eintrittspforten mit Flexinetzen abzuzäunen. «Dafür werde ich wohl rund 25 Netze und fünf Weidezaungeräte benötigen.» Er kann sich vorstellen, diese Massnahmen auf die nächste Alpsaison hin umzusetzen.

«Es ist wichtig, den Zugang zu erschweren.»

Herdenschutzspezialist Cornel Werder weiss, wo es Zäune gegen den Wolf braucht.

Nach sieben Stunden geht die Begehung dem Ende entgegen. Der Herdenschutzexperte rühmt die konstruktive Zusammenarbeit: «Im Vergleich zu früheren Jahren arbeiten die verschiedenen Akteuren viel konstruktiver zusammen. Heute wird über Herdenschutzmassnahmen diskutiert und nicht nur mehr über Sinn oder Unsinn der Wolfspräsenz.» Auch Älpler Gwerder zeigt sich vorsichtig optimistisch. «Ich kann die Schafalp schon heute nur dank der Unterstützung meines Bruders bewirtschaften. Die nun vorgeschlagenen Herdenschutzmassnahmen können wir wohl noch zusätzlich auf uns nehmen.» Weitere Mehraufwände wären für seine Familie allerdings nicht mehr zu stemmen.

Präsenz kaum zu verhindern

Der erfahrene Schafälpler schaut realistisch in die Zukunft: «Wenn der Wolf einmal gemerkt hat, wie viel Rotwild es in den Wäldern des Muotathals hat, wird seine Präsenz wohl kaum mehr zu verhindern sein.»

Um eine Übersicht über die aktuelle Situation beim Herdenschutz zu erhalten, finden im Kanton Schwyz diesen Sommer auf rund 60 Schaf- und Ziegenalpen Begehungen statt. Dabei nehmen Älpler und Fachpersonen die Ist-Situation auf und entwickeln zusammen mögliche Strategien im Bereich des Herdenschutzes. Ziel ist, gemäss BAFU- und RKGK-Kriterien zumut-bare Massnahmen zur Schützbarkeit dieser Alpen zu eruieren, um so besser auf eine mögliche Wolfspräsenz vorbereitet zu sein.