Er ist geliebt und gehasst: Der Wolf. Geht es um ihn, wird das Thema emotional, sehr emotional sogar. Die Einen möchten das Raubtier am liebsten schon heute wieder ausgerottet sehen, die Anderen sehen in ihm eine grosse Bereicherung der freien Wildbahn. Acht nachgewiesene Wolfsrudel sind zurzeit in der Schweiz unterwegs, 70 bis 80 Wölfe sollen es insgesamt sein. "Es hätte sicher noch genügend Platz für zusätzliche Wölfe, falls wir dies zulassen", ist Christina Steiner, Präsidentin vom Verein CHWolf überzeugt. Denn ein Rudel benötigt ungefähr ein Streifgebiet von rund 250 Quadratkilometern. Laut Kora (Koordinierte Forschungsprojekte zur Erhaltung und zum Management der Raubtiere in der Schweiz) würde es hierzulande mindestens 17 Wolfsrudel vertragen.

Die Schweiz begrüsst den Wolf

Die Schweiz hat sich dafür ausgesprochen, der natürlichen Rückkehr der einst heimischen Grossraubtiere wohlwollend zu begegnen. Gleichzeitig wird der Nutztierhalter im Tierschutzgesetz verpflichtet, seine Tiere angemessen zu hegen. Der Bauer darf seine Schafe nicht einfach vom Wolf fressen lassen. Wie er das verhindert, bleibt seine Entscheidung. Eine der effizientesten Methoden stellt der Herdenschutz dar. Sei es mit Herdenschutzhunden oder Hirten. Damit der Herdenschutz auch gut funktioniert, bietet der Verein CHWolf betroffenen Schafhaltern und Landwirten Unterstützung im Bereich Beratung und Kostenbeteiligung an. Wie ein optimaler Herdenschutz aussieht, wurde letzten Samstag im Turtmanntal im Mittelwallis präsentiert. Die Exkursion wurde vom Verein CHWolf durchgeführt und organisiert von Peter Imboden, einem einheimischen ausgebildeten Ranger. Das Ausflugsziel war der hinterste Teil des Turtmanntales. Die zwei Alpen, die besichtigt wurden, liegen in der Augstbordregion, dort wo ein Wolfsrudel nachgewiesen ist. Dementsprechend wurden in dieser Region die Schutzmassnahmen laufend verbessert. Vor allem Zäune sollen die Herden schützen. Diese sind mindestens 90 cm hoch und stehen unter Strom. «Den perfekten Herdenschutz gibt es aber nicht, er muss von Alp zu Alp entwickelt und mit geeigneten Massnahmen umgesetzt werden», weiss Peter Imboden. "Es ist wichtig, dass die Bauern immer wieder kontrollieren, ob der Zaun auch unter Strom steht, dabei sollte die Spannung auf der gesamten Zaunlänge bei mindestens 3000 Volt liegen", sagt Christina Steiner. Erfahrungen zeigen, dass Wölfe eher versuchen, den Zaun zu untergraben als ihn zu überspringen. "Herrscht bei der Zäunung der kleinste Fehler, nutzt dies der Wolf gnadenlos aus", sagt Imboden.

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Auf der Alp ist der Wolf weniger beliebt

Auch die Schafhirtin Sarah Müri, weiss, wie wichtig ein guter Herdenschutz ist. Schon den dritten Sommer hütet sie die 220 Schafe einer Alpgenossenschaft an der rechten Flanke des Turtmanntales. Die junge Hirtin hat sich den Herdenschutz quasi selber angeeignet. Jeweils mit zwei Hütehunden treibt sie die Schafe jeden Tag auf die Bergweide, bleibt den ganzen Tag bei ihnen, bevor sie die Herde am Abend wieder zusammentreibt, um sie in eine raubtiersichere Koppel zu bringen. Diese ist mit einem Zaun und Strom gesichert. Dazu sind um die Koppel herum mehrere Lampen aufgestellt, welche in der Nacht mit grellem Blinken den Wolf abschrecken sollen. "Diese Massnahme stellt einen hohen Schutz dar und lässt das Schaf ruhig schlafen", ist die Hirtin überzeugt. Da aber wegen der hohen Tierdichte Überdüngung und Schäden an der Grasnarbe entstehen, müsse sie den Pferch regelmässig verschieben. Sarah Müri ist Schafhirtin durch und durch. Wegen der Wolfspräsenz, nimmt die junge Frau auch die Natur anders war. "Wenn ich sehe, dass das Rotwild oder die Gämsen unruhig sind, weiss ich, dass in der Nähe ein Tier gerissen wurde. Dann heisst es für mich, jetzt muss ich doppelt aufpassen, dass meinen Schafen nichts passiert", sagt die Hirtin.

Einen guten Überblick

Dank der Behirtung hat Sarah Müri auch einen guten Überblick über den Gesundheitszustand der Herde. "Die Zeiten sind vorbei, in denen die Bauern im Frühling die Schafe auf den Berg treiben können, sie den Sommer hindurch dem Schicksal überlassen und im Herbst den Rest, der noch übriggeblieben ist, wieder ins Tal nehmen", sagt die Präsidentin von CHWolf. Kamen früher durch Steinschlag, Krankheit oder Absturz schweizweit noch 10 000 Schafe pro Jahr ums Leben, seien es heute, dank der zunehmenden Behirtung, nur noch die Hälfte. Der wohl grösste Nachteil an einem intensiven Hirten ist der Hirte selber. Denn er kostet Geld, Geld mit dem man bis zum Ende der Saison einige Zäune hätte anschaffen können. Und einen Hirten können sich nicht alle Alpgenossenschaften leisten. Zudem sind diese gar nicht mal so leicht zu finden. 3000 Franken bekommt Sarah Müri im Monat als Schafhirtin. Ein Lohn, für den wohl nicht jeder bereit wäre, einen Sommer lang hart auf einer Alp zu arbeiten.