Ich bin nicht besonders bibelfest, aber ich weiss, dass sich eine entscheidenden Szenen im Stall abgespielt hat. Und nachdem ich fast drei Wochen im Stall geschlafen habe, muss ich sagen, das ist durchaus eine gute Kulisse für lebensweisende Ereignisse.

Die Stute hat den längeren Atem

Vorgewarnt war ich ja, dass es mein Pferd mit der Trächtigkeitsdauer nicht so genau nimmt. Als es gleich drei Wochen Übertragen wurden, war meine nicht vorhandene Geduld arg auf dem Prüfstand. Aber von kaum einem Tier lernt man so viel, wie von einem Pferd. Und sei es nur, dass einer noch sturer ist als ich. Und: Ein Panel ist nicht nur eine mobile Begrenzung, sondern auch ein Musikinstrument oder ein Wecker, wenn man dagegen kickt. So kam der Tag, als meine Kinder dem Tier mit Kaiserschnitt drohten und ich mir eingestand, das Ross hat den längeren Atem als ich. Während Pferd tagsüber Kraft sammelte, hatte ich Homeschooling und Haushalt vor mir, ein ungleicher Wettkampf, so mein Trost. Und so erblickte mein Fohlen morgens mit dem Sonnenaufgang auf der Weide das Licht der Welt. Just an dem Tag, als ich das Vertrauen in die Natur wiederfand und ihr zugestand, nach all den Millionen von gesunden Fohlen auch meins ohne mein Zutun und Beisein hervorzubringen.

Die Krise hält weiter an

Und was die Bibel angeht, dann musste ich mir nachts unter dem Sternenhimmel eingestehen, da oben hat einer die Zügel in der Hand, der sehr viel weiser agiert als wir. Vor lauter Regeln, Gesetzen und Verkehrsschildern haben wir ja das Denken und Miteinander abgeschafft. Was das bedeutet, merkt man in der Krise. Da bekommt der Ausdruck «die Grossmutter verkaufen» eine neue Bedeutung. Nach sieben Wochen sind wir am Ende … also ich nicht, ich könnte ewig. Aber der Grossteil der Menschheit kämpft so sehr mit dem ungefärbten Haaransatz, den Kindern und der fehlenden Rankhilfe für die Gurken, dass sie lieber die Grossmutter opfert, statt zu lockdownen. Die Sommerferien stehen an, wenn man jetzt nicht diesen Bundesrat weichklopft, dass der einen zu McDonalds lässt, kann man am Ende nicht einmal ans Meer fliegen. Noch fünf Wochen unbetreut mit den eigenen Kindern!

Die Milch hat einen höheren Preis verdient

Und dann kam einer, der mochte nicht jammern, obwohl er in der Milchbranche arbeitet. Einer der sagt, dass es jeden Frühling viel Milch hat, dass halt der Franken mal einen Euro kostet, ein Virus ausbricht oder man unter den Bus kommt. Vielleicht sollte man in guten Zeiten an die schlechten denken und nicht den letzten Rappen in Chinaturnschuhe investieren. Statt zu jammern und Statistiken schönzurechnen, kann man damit leben und sogar den Bauern einen phänomenalen Milchpreis bezahlen. Einfach nur, weil man weiss, was man wert ist und kann. Im Leben geht es mal auf und mal ab und wer immer nur mit Aufs rechnet, ist entweder nicht ganz bei Trost oder produziert Gruyère-Käse. Denn davon braucht es jetzt plötzlich mehr – wie auch Eier und einheimische Butter. Jetzt wo die Leute zuhause kochen und die Zutaten verwenden, die sie immer geglaubt haben in ihrem Beizen und Take-Away-Food für Fr. 3.50 zu haben. So erfahren sie nach dem Einkauf im Hofladen erstmals, wie die Region schmeckt. Spargel frisch vom Feld, das Rindfleisch feinsäuberlich abgehangen, der Schinken vom Schwein statt aus dem Labor, echter Gruyère statt eine holländische Billigkopie und Eier von glücklichen Hühnern. Das Leben wäre toll, wenn man sich Zeit dafür nähme – und ab und zu im Stall schlafen würde.