Ende Januar 2024 ist die Frist für proaktive Wolfsregulationen ausgelaufen. Die Kantone informieren über die Ergebnisse der ersten Wolfsjagd dieser Art in der Schweiz wie folgt:

Graubünden: Von den bis Ende Januar 2024 bewilligten 31 Abschüssen konnten 20 umgesetzt werden.

Wallis: 34 Abschüsse waren bewilligt, 27 erfolgt, wovon 24 durch Jäger.

St. Gallen: Das gesamte Calfeisen-Rudel sollte eliminiert werden. Es gelang der Abschuss von zwei der acht Tiere.

Gesamthaft wurden also in den drei Kantonen 73 Abschuss-Bewilligungen vom Bundesamt für Umwelt erteilt, wovon die kantonalen Behörden mit teilweiser Unterstützung der Jägerschaft 49 umgesetzt haben. Allerdings fussen nicht alle Bewilligungen auf der «Regulation Rösti». Im Fall des Kantons Graubünden waren es nur sechs Abschüsse, die «proaktiv», also ohne von Rudeln im Vorfeld verursachte Schäden an Nutztieren erfolgten. Das St. Galler Calfeisen-Rudel war bekannt für eine grosse Anzahl Schafrisse und galt als «besonders schadenstiftend».

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Grosser Aufwand

24 Entnahmen aus Walliser Rudeln erfolgten nach Angaben von Departementsvorsteher Frédéric Favre durch Wildhüter in Begleitung einer Unterstützungstruppe, vier Wölfe hätten Jäger erlegt. Im Kanton Graubünden war während der ersten drei Wochen zur Unterstützung der Wildhut eine Sonderjagd anberaumt worden. Diese sei allerdings als Folge der Beschwerde von Umweltverbänden nur in vereinzelten Regionen und an wenigen Tagen zum Einsatz gekommen sei, so die Information des Bündner Amts für Jagd und Fischerei. In diesem Winter sei keinem Jäger in Graubünden ein Wolfsabschuss gelungen.

Calfeisen-Rudel hat sich aufgelöst

Über 400 Stunden habe die Wildhut für die Jagd auf das Calfeisen-Rudel aufgewandt, teilt der Kanton St. Gallen mit. Mehrheitlich sei man in der Nacht mit Wärmebildgeräten unterwegs gewesen, Revierjäger meldeten Sichtungen. «Das Rudel begann sich bereits Anfang Winter aufzulösen», heisst es weiter. Das dürfte damit zusammenhängen, dass die Behörden davon ausgehen, dass die beiden Leitwölfe abgeschossen worden sind. Zum letzten Mal als ganze Gruppe in eine Fotofalle getappt sei das Calfeisen-Rudel im vergangenen November.

Rudel entgehen Eliminierung

Die Beschwerde von Umweltverbänden hatte dazu geführt, dass die Walliser die Jagd auf drei und die Bündner jene auf vier Rudel einstellen mussten. Weitere sieben Abschüsse mussten aufgrund der Beschwerde laut dem Kanton Graubünden erzieherisch erfolgen, durch das Erlegen einzelner Wölfe eines Rudels.

Zwei Tage vor Ende der Regulierungsfrist hatten sich BirdLife, Pro Natura, WWF und die Gruppe Wolf Schweiz erneut zu Wort gemeldet. In einer Mitteilung gingen sie davon aus, dass in den letzten zwei Monaten rund 50 Wölfe geschossen und «mindestens» zwei ganze Rudel entnommen worden seien. Im Bündnerland gelang dies in keinem Fall: Vom Beverin-Rudel überlebten vier von sechs Wölfen, im Fall des 10-köpfigen Lenzerhorn-Rudels sind es deren sechs. Die Walliser Behörden listen zwar die Abschüsse auf dem Streifgebiet von fünf Rudeln auf, es ist aber nicht die Rede von einer vollständigen Entnahme.

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«Wo der Wille besteht»

Graubünden und Wallis wollen nun laut ihren Mitteilungen aus den Erfahrungen der winterlichen Wolfsjagd lernen. Dabei geht es auch um den künftigen Einsatz der Jägerschaft, so der Kanton Graubünden. «Dort, wo der Wille besteht, die präventive Wolfsregulation konsequent mit genügend Ressourcen umzusetzen, zeigt sie Wirkung», ist der Schweizer Bauernverband überzeugt. Im Wallis etwa seien viele Jäger erfolgreich gewesen. «Trotzdem rechnen wir damit, dass schlussendlich die Wolfspopulation immer noch hoch ist, ja es wahrscheinlich mehr Tiere hat als 2023.»

Die nächste Regulationsphase beginnt bereits am 1. September 2024 und soll bis zum 31. Januar 2025 dauern, teilt der Kanton Graubünden mit. «Inwiefern sich die Eingriffe auf den kantonalen Wolfsbestand und die Schadensentwicklung in der Landwirtschaft auswirken, wird erst im Verlauf des Jahres sichtbar werden.»

Weiterhin proaktiv regulieren

Der Fahrplan von Umweltminister Albert Rösti sieht als nächsten Schritt das Nachholen einer ordentlichen Vernehmlassung zur Jagdverordnung vor. Dies erklärte er im Herbst 2023 in einer Fragestunde vor dem Parlament. Eine definitive Version soll demnach am 1. Februar 2025 in Kraft treten und auch aus Sicht der Umweltverbände weiterhin proaktive Abschüsse ermöglichen: «Mögliche, grössere Schäden durch Wölfe sollen durch proaktive Regulierung reduziert werden können. Das ist unbestritten und im Jagd- und Schutzgesetz so vorgesehen», schreiben Pro Natura, BirdLife, WWF und die Gruppe Wolf Schweiz in ihrer Mitteilung. Genauso setze das Gesetz aber sowohl Verhältnismässigkeit als auch die Achtung des Wolfs als Teil des Ökosystems Wald sowie eine weitere Stärkung des Herdenschutzes voraus. Die Vernehmlassung dürfte demnach für weitere Diskussionen sorgen.

Beschwerde erfolglos

Pro Natura und Co. kritisieren die «handstreichartig verfügte» Jagdverordnung als Schnellschuss mit bedenklichen Folgen. Gegen diesen «Schnellschuss» war von einer Privatperson vor Bundesgericht Ende November 2023 eine Beschwerde eingegangen. Die Beschwerdeführerin hatte versucht, einen Aufschub der Inkraftsetzung der revidierten Jagdverordnung zu erwirken und argumentierte mit einem ungenügenden Vernehmlassungsverfahren. Das Bundesgericht ist nicht auf die Beschwerde eingetreten, stellt der Unbekannten gemäss dem kürzlich veröffentlichten Urteil aber keine Gerichtskosten in Rechnung.    
Die Umweltverbände hoffen nun auf das noch bevorstehende, ordentliche Vernehmlassungsverfahren zur bereits vorläufig umgesetzten Jagdverordnung. Es müsse eine Version aufgegleist werden, die auf Fakten basiere, mit den Artenschutz-Verpflichtungen im Einklang stehe und breit abgestützte Lösungen im Umgang mit dem Wolf anbiete. In diesem Zusammen kritisieren Pro Natura und Co. den Entscheid des Bundes, die Herdenschutzhunde-Programme an die Kantone zu delegieren. Damit werde ein kantonaler Flickenteppich zu Ungunsten der Tierhalter in Kauf genommen.

 Neue Initiative startet

Gewisse Wolfsgegner wollen aber offenbar sichergehen, dass Wölfe auch in Zukunft reguliert werden dürfen. Ein mehrheitlich aus dem Kanton Bern stammendes Komitee hat sich um die Berner Grossrätin Madeleine Amstutz zusammengeschlossen und die Volksinitiative «Für wirksame Regulierungsmassnahmen gegen eine unkontrollierte Ausbreitung von Wolf, Luchs, Bär und Raubvögeln aller Art» lanciert. Die genannten Tiere sollen gemäss Initiativtext «mit dem Ziel einer wirksamen Bestandesregulierung und der Verhinderung einer unkontrollierten Ausbreitung» bejagt werden dürfen.

«Bald 50 Rudel»
Nachdem die Initiative erst kürzlich im Bundesblatt publiziert worden ist, müssen sich die Meinungen dazu erst bilden. Der Vorstand werde sich in Kürze damit befassen, versichert Ronald Sommer, Geschäftsführer des Vereins zum Schutz der ländlichen Lebensräume vor dem Grossraubtieren auf Anfrage. Die Problematik mit zu hohen Raubtierdichten wie etwa Raubvögeln sieht er in einer möglichen Rufschädigung für Landwirtschaft oder Jäger: Trotz aller Bemühungen, den Lebensraum von beispielsweise Hasen zu fördern und kantonalen Jagdverboten für diese Art könnten sich die Bestände nämlich nicht erholen. Dies führt Sommer darauf zurück, dass Raubvögel Hasen erbeuten. «Und das ist nur ein kleines Beispiel, man könnte noch viele andere Arten aufzählen», ist er überzeugt.
Das Ergebnis der Wolfsregulierung bezeichnet der Vereins-Geschäftsführer als «gemischt». Einerseits hätten Jäger und Wildhut eine «hervorragende Arbeit geleistet». Andererseits sei er enttäuscht über den Erfolg der Klage seitens der Umweltverbände. «Die Folgen werden sein, dass wir bis Ende des Jahres fast 50 Rudel in der Schweiz haben werden», warnt Sommer.

SBV setzt Priorität beim Jagdgesetz
Der Schweizer Bauernverband (SBV) zeigt auf Anfrage Verständnis für die neue Initiative zur Wolfsregulation. Er verweist noch auf eine zweite unter dem Titel «Zum Schutz von Mensch, Haus- und Nutztier vor dem Wolf», deren Unterschriftensammlung bis im Mai läuft. Die Volksbegehren wertet der SBV als Zeichen dafür, dass sie Situation speziell beim Wolf für viele Gebiete untragbar geworden sei. «Wir haben erst mit der Lancierung von dieser Initiative erfahren und werden uns vertieft damit befassen, wenn sie zustande gekommen ist», so der SBV zum neusten Vorstoss aus der Region Bern. Erste Priorität habe aber das revidierte Jagdgesetz, das die Grundlage bildet für die präventive Regulation der Wolfsbestände. «Wir engagieren uns dafür, dass nun auch eine wirkungsvolle Regulation passiert.»