Seit 2019 ist das Informationssystem Antibiotika in der Veterinärmedizin in Betrieb. Kürzlich erschien der erste – wenig aussagekräftige – Bericht zu den gesammelten Daten. Damals stellte das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) in Aussicht, die Datenbank selbst und die Auswertungen zu verbessern, damit künftig der Antibiotikaverbrauch zwischen Praxen und Tierhaltungen verglichen werden kann. Mit einer Änderung der Tierarzneimittelverordnung legt der Bundesrat nun fest, was auf so identifizierte «Vielverbraucher» zukommt.

Vergleich über die Schweiz hinweg

Zunächst soll das BLV ab 2023 jedes Jahr über alle Nutztierhaltungen und Tierarztpraxen Vergleichsdaten berechnen, heisst es in der angepassten Verordnung. Daraus abgeleitet wird die Grenze zwischen normalem und erhöhtem Verbrauch (Signalwert) sowie jene zum übermässigen Verbrauch (Aktionswert). Anschliessend ist es an den Kantonen, die verbrauchten Mengen in ihren Zuständigkeitsgebieten zu vergleichen sowie jene Tierhaltenden oder Tierärzt(innen) zu informieren, die über dem Signalwert liegen.

Nur informieren

Wer innert dreier Jahre zweimal den Aktionswert überschreitet, also einen per Definition übermässigen Antibiotikaverbrauch hat, wird ebenfalls benachrichtigt. Darüber hinaus muss der oder die Betroffene auf eigene Kosten die Ursachen abklären sowie einen schriftlichen Massnahmenplan zur Reduktion des Verbrauchs erstellen und umsetzen. Ein Tierarzt oder ein Tiergesundheitsdienst sei hierbei beizuziehen, so die Verordnung. Die Behörden verfügen demnach keine Massnahmen, sondern informieren, was zu tun ist. Massnahmen würden erst angeordnet, wenn die Betroffenen ihren Pflichten nicht nachkommen. Bei «besonderen betrieblichen Gegebenheiten» ist es möglich, die Dreijahresfrist zu verlängern. Die Umstände werden nicht näher erläutert.

Keine Sanktionen

Wenn die Verbrauchszahlen in weiteren zwei Jahren nach der Überschreitung des Aktionswerts zu hoch liegen, verfügt der Kanton keine Strafen, heisst es weiter. Es handle sich vielmehr um Massnahmen. Im Falle von Nutztierhaltenden:

  • Beiziehen tierärztlicher Fachleute für Beurteilung und Umsetzung des oben erwähnten Plans zur Reduktion des Antibiotikaverbrauchs auf dem Betrieb.
  • Auflagen zur Haltung, falls diese als Ursache ausgemacht werden kann.
  • Verbot der selbstständigen Anwendung von vorrätigen Antibiotika.
  • Weiterbildungskurse zum Thema Antibiotika.

Bei der Wahl der richtigen Massnahme sei das Verhältnismässigkeitsprinzip zu beachten. Zwar tritt die geänderte Verordnung am 1. Juli 2022 in Kraft, um sich auf gute Daten abstützen zu können, berechnet des BLV erste Signal- und Aktionswerte aber erstmalig im kommenden Jahr.

Aktuell ist es schwierig, genügend Medikamente zu bekommen (wir berichten laufend). Dies unter anderem wegen der grossen Abhängigkeit der Schweiz vonImporten. Die Versorgung mit Medikamenten ist aus Kostengründen auch bei den Nutztieren von China und Indien abhängig. Die Anfang Jahr in der EU umgesetzten Anpassungen auf Verordnungsebene (siehe Kasten unten) haben auch Folgen für die Schweiz. Unter anderem wurden dadurch Antibiotika für Nutztiere gestrichen, wie die Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte (GST) weiss.

Billig ist gefragt

Wirkstoff-produzierende Firmen liegen häufig in Fernost, wo die Schweiz keinen Einfluss geltend machen kann. Können diese Firmen aus irgendwelchen Gründen nicht mehr liefern (Bspw. Pandemie), kann das in vielen Ländern zu Engpässen in der Versorgung mit Tierarzneimitteln führen. Aber der immer lauter gewordene Ruf nach billigen Arzneimitteln – sei es im Bereich der Veterinär-, aber auch der Humanmedizin – hat die sicherere Produktion hierzulande in Länder, die billiger produzieren können, verdrängt.

Versorgung verbessern

Der Bundesrat hat nun die Tierarzneimittelverordnung auch in der Hinsicht angepasst, um die Versorgung zu verbessern: So werde der Bezug von Medikamenten aus dem Ausland für Tierärzt(innen) vereinfacht, da sie künftig keine Sonderbewilligung mehr dafür brauchen. Weiterhin müssten aber die Vorgaben zur Gewährleistung der Arzneimittel- und Lebensmittelsicherheit eingehalten werden.

Antibiotika- und Homöopathie-EInsatz in Deutschland eingeschränkt

Deutschland hat vor wenigen Monaten im Bereich der Tierarzneimittelgesetzgebung einschneidende Änderungen vollzogen. Mit dem neuen Tierarzneimittelgesetz (TAMG) gilt ab dem 28. Januar 2022 in Deutschland ein eigenständiges Tierarzneimittelrecht. Weiter trat gleichentags noch die neue Tierarzneimittelverordnung in der EU in Kraft.

Ziel dieser gesetzlichen Neuerung ist es, den Belangen von Tierhaltern, Tierärzten und Verwaltung besser Rechnung zu tragen, teilte das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) Anfang Jahr mit.

Einfachere Umwidmung: Tierärztinnen und Tierärzte haben mehr Spielräume bei der Umwidmung von Tierarzneimitteln erhalten. Das heisst, das Verfahren, ein Medikament aus der Humanmedizin in der Veterinärmedizin einzusetzen, ist einfacher möglich.

Präventive Antibiotika eingeschränkt: Der Einsatz von Antibiotika bei Tieren wurde weiter eingeschränkt; z. B. indem die prophylaktische Anwendung von Antibiotika bei Tiergruppen verboten wurde.

Keine Reserveantibiotika: Die Zulassung und Anwendung von Antibiotika, deren antimikrobielle Wirkstoffe der Humanmedizin vorbehalten bleiben müssen (Reserveantibiotika), sind untersagt.

Antibiotika-Liste lässt auf sich warten

Die Liste dieser nicht mehr oder nur eingeschränkt einsetzbaren Antibiotika soll im Laufe des Jahres auf EU-Ebene erstellt werden. Bislang ist das aber noch nicht passiert, obschon Deutschland Druck zu machen scheint: «Es ist wichtig, dass diese Liste der Reserveantibiotika, die nur für Menschen sein sollen, schnell von der EU-Kommission vorgelegt wird. Denn die neuen Vorschriften der Verordnung (EU) 2019/6 zu sog. Reserveantibiotika dienen dazu, der Verbreitung antimikrobieller Resistenzen entgegenzuwirken und die umsichtige und verantwortungsvolle Verwendung antimikrobieller Wirkstoffe bei Tieren zu fördern.»

Die Neuerungen im nördlichen Nachbarland haben also mit sich gebracht, dass deutsche Tierhalter(innen) ihren Tieren keine apothekenpflichtigen und frei verkäuflichen Humanarzneimittel ohne eine tierärztliche Verordnung verabreichen dürfen. Davon betroffen sind auch homöopathische Heilmittel. Im Gegensatz zu seiner Schweizer Kollegin, kann der deutsche Tierhalter demnach nicht mehr in der Drogerie um die Ecke ein Fläschchen Arnica-C-30-Kügelchen zum Therapieren einfacher Verletzungen im Stall einkaufen. Denn, fehlt dem Mittel die Veterinär-Zulassung, darf es dort auch nicht mehr eingesetzt werden. Das muss er neu beim Tierarzt besorgen. Denn diesem ist vorbehalten, eben diese für die Humanmedizin vorgesehenen Mittel «umzuwidmen». Aber eigentlich ist das in Deutschland nichts Neues.

Neu ist nur, dass diese Gesetzgebung bei allen Tieren zur Anwendung kommt, also auch bei Haustieren. Bei Nutztieren durften diese Mittel auch bisher schon nur durch Tierärzte angewandt werden, wenn sie keine Zulassung für das entsprechende Tier hatten. Und wenn sie eine Zulassung für das entsprechende Tier hatten oder heute haben, dann müssen sie eben auch durch einen Tierarzt abgegeben werden und brauchen ein Abgabedokument.

Faktisches Berufsverbot

Die Anwendung von Human-arzneimitteln, also auch Globuli, durch Tierhalterinnen oder auch ausgebildete Tierheilpraktiker ist heute demnach ordnungswidrig. Die deutschen Tierheilpraktiker-Verbände monierten schon länger, dass eine solche Gesetzgebung nicht nurden Tieren schade, sondern für die Tierheilpraktiker(innen) einem faktischen Berufsverbot gleichkomme. Derzeit sieht es in unserem nördlichen Nachbarland in diesem Bereich allerdings nicht nach einer Änderung oder Lockerung aus. Mehrere Eilanträge gegen das in Kraft getretene Tierarzneimittelgesetz am deutschen Bundesverfassungsgericht sind gescheitert.