Die Stimmung wegen dem Wolf sei sehr angespannt bei den Urner Tierhaltern, sagen sowohl Wendelin Loretz, Präsident Urner Bauernverband, wie auch Damian Gisler, Leiter Landwirtschaftsamt Uri. «Es brodelt bei der Basis.» Die Frustration nach der Ablehnung des Jagdgesetzes letzten Herbst sei noch immer gross in den Bergkantonen. Und die laufende Revision der Jagdverordnung sei völlig ungenügend. Diese sieht zwar eine leichte Senkung der Schwellenwerte für die Anzahl Risse von Nutztieren vor, ab welcher ein Wolf abgeschossen werden kann. Bestimmen soll aber weiterhin der Bund, beziehungsweise das Bundesamt für Umwelt, statt den Kantonen, was diese in ihren Stellungnahmen kritisieren.
Starke Zuwanderung
Jedenfalls rechnen die Betroffenen damit, dass dieses Jahr die Probleme eher grösser denn kleiner werden, wegen der zunehmenden Population von Wölfen. Ins Urnerland würden viele Raubtiere von Graubünden und dem Glarnerland her einwandern. Selbst letzten Winter habe es laufend Sichtungen gegeben, nicht nur im Urschnertal, Schächental und Isenthal, sondern sogar im Talboden der Reuss. Die SMS-Warnungen liefen heiss.
Peter Küchler vom Plantahof bestätigt die hohe Bündner Population, neue Wolfsrudel im Prättigau und zahlreiche Sichtungen schon im Januar 2021. Im Kanton habe man die Kommission Grossraubtiere geschaffen, als klare Anlaufstelle. Eine gute Koordination sei sehr wichtig, damit die Betroffenen wüssten, wo sie Hilfe erhalten. Erarbeitet wurden auch einzelbetriebliche Herdenschutzkonzepte für die Alpen, damit es künftig weniger Diskussionen gebe, ob denn die zumutbaren Massnahmen ergriffen wurden. Zumal es solche Bedingung sind, wenn nach Rissen durch Wölfe Entschädigungsgesuche gestellt werden.
Der Urner Bauernpräsident Wendelin Loretz weist ebenfalls auf die unerwartet vielen Risse durch Wölfe im vergangenen Jahr hin, vor allem schon im Frühling. Das lasse für das laufende Jahr nichts Gutes erahnen. Die Erfahrungen 2020 hätten gezeigt, dass viele betroffene Tierhalter mit der Situation nach Rissen überfordert waren und auch die Unterstützung nicht gereicht habe.
«Die bisherigen Möglichkeiten genügen nicht, und die Herdenschutzbeauftragten sind entweder überfordert oder es fehlt ihnen die Zeit, rasch reagieren zu können», betont Wendelin Loretz.
Rindvieh wird aggressiver
Loretz sagt auch, dass auf vielen Alpen herkömmlicher Herdenschutz gar nicht möglich sei. Betroffen seien übrigens keineswegs nur abgelegene Schafalpen im Hochgebirge. Die steigende Wolfspopulation bereite auch auf Weiden mit Jungvieh oder Mutterkühen zunehmend Sorgen. Rinder würden teils auch auf felsigen steilen Alpen gesömmert. Hier könne allein schon die Präsenz des Wolfes zu Unfällen führen, wenn aufgeschreckte Rinder durchbrennen und abstürzen. Ähnliches gelte auf Alpen mit Mutterkühen, wenn diese durch ihren mütterlichen Instinkt wegen möglicher Bedrohung durch Wölfe wachsamer und aggressiver würden, auch gegenüber Wanderern. Einig sind sich Loretz und Gisler, dass «bald etwas gehen muss, sonst kocht es diesen Sommer in den Bergkantonen».
Nach Riss rasch helfen
Deshalb habe der Bauernverband zusammen mit dem Landwirtschaftsamt und der Jagdverwaltung die Problematik analysiert und nach Möglichkeiten gesucht, wie betroffenen Tierhaltern nach Wolfsangriffen auf Nutztiere schneller geholfen werden könnte. Sei es mit Material oder auch Manpower, sagt Loretz. Konkret müsse jeweils aufgeräumt, rasch Tiere zusammengeholt, neu eingezäunt oder umgezäunt werden, wenn der Wolf in einer Herde zugebissen habe. So habe man eine Gruppe von Helfern gesucht, erfahrene Landwirte und Schafhalter, welche kurzfristig aufgeboten werden können.
Für die Wolfsfeuerwehr konnten bisher acht interessierte Personen gefunden werden, welche diesen Montag an einem Informationsabend auf ihre Aufgaben vorbereitet werden.
Start noch diesen Monat
Die Wolfsfeuerwehr startet als Pilotprojekt noch diesen Juni. Finanziert wird das Projekt durch den Kanton, die Leitung obliegt dem Bauernverband. Alarmiert werden die «Feuerwehrleute» allerdings nicht durch die betroffenen Tierhalter selber, sondern nach Rissmeldungen durch die Wildhüter oder Herdenschutzbeauftragten.
Es sei derzeit offen, wie gefragt die neue Dienstleistung sei und ob die richtigen Massnahmen ergriffen würden, erklärt Wendelin Loretz. Im Herbst nach der Alpsaison soll Bilanz gezogen werden.