Die Biberproblematik ist nicht nur im Kanton Bern, sondern schweizweit ein Thema. Da der Biber unter Schutz steht, kann er nur in Ausnahmefällen geschossen werden. Etliche Landwirtinnen und Landwirte haben aber zunehmend mit Biberschäden an ihren Ackerkulturen zu kämpfen. Die BauernZeitung fragte beim Bundesamt für Umwelt (Bafu) nach und wollte wissen, wie sie die Situation einschätzt. Reinhard Schnidrig, Leiter der Sektion Wildtiere & Artenförderung beim Bafu gibt Auskunft.
Welche Schäden richtet der Biber an?
Reinhard Schnidrig: Grosse Schäden durch Biber können im Zusammenhang mit Drainagesystemen entstehen. Aber im Moment erfolgten dadurch bis heute nur geringe bis keine Schäden. Frassschäden an landwirtschaftlichen Kulturen und Bäumen belaufen sich im Durchschnitt zwischen 30 000 bis 50 000 Franken pro Jahr (Grössenordnung). Infrastrukturschäden (die eigentlich teuren Schäden) werden nicht entschädigt und daher auch nicht erfasst, es handelt sich pro Jahr um ein paar Dutzend Fälle.
Wie viele Biber leben in der Schweiz und nimmt die Population noch weiter zu?
Der aktuelle Biberbestand in der Schweiz wird auf über 3500 Tiere geschätzt und nimmt nach wie vor jährlich um einige Prozent zu. Der Biber lebt im Mittelland an den grossen Flüssen und ihren Einzugsgebieten. Wenn er dort grosse Schäden oder eine Gefährdung von Infrastrukturanlagen im öffentlichen Interesse, zum Beispiel an Hochwasserschutzdämmen, verursacht, kann der Bestand mit Zustimmung des BAFU reguliert werden.
Warum hat man den Biber wieder angesiedelt?
Die Wiederansiedlungen erfolgten Mitte des 20. Jahrhunderts. Zu dieser Zeit wurden einige Tierarten angesichts der schwindenden Artenvielfalt wieder angesiedelt. Im Falle des Bibers waren es Private mit Bewilligung des Bundes, die teilweise aus Naturschutzgedanken wegen der ökologischen Funktion, die der Biber im Lebensraum Wasser wahrnehmen kann, die Tiere wieder ansiedelten.
Warum darf der Biber nicht gejagt werden?
Der Biber ist gemäss Bundesgesetz über die Jagd und den Schutz wild lebender Säugetiere und Vögel (Jagdgesetz, JSG) vom 20. Juni 1986 geschützt (Art. 7 Abs. 1). Zur Vermeidung von grossen Schäden oder einer Gefährdung von Infrastruktur in öffentlichem Interesse dürfen Biber ausnahmsweise geschossen werden.
Der Bund und die Kantone entschädigen die Schäden des Bibers, sofern zumutbare Präventionsmassnahmen getroffen wurden. Was heisst das genau?
Die Verknüpfung von Entschädigung und Präventionsmassnahmen besteht, damit die Bauern Massnahmen zur Schadensverhinderung oder -begrenzung treffen und so die Koexistenz mit Bibern ermöglicht wird. Dies ist auch bei anderen geschützten Arten der Fall. Zumutbar bedeutet, dass die Präventionsmassnahmen a) effektiv sein müssen (also Wirkung erzielen können) und b) nicht teurer sind als der Schaden, den man damit verhindern will.
Darf ein Landwirt einen Biberdamm einfach entfernen, wenn dieser Schäden an seinen Kulturen verursacht? Wenn ja, wie muss der Landwirt dabei vorgehen, wenn nein, warum nicht?
Nein, das ist nicht erlaubt. Die Biberdämme und -bauten sind wie das Tier selber geschützt, da der Biber diese Strukturen als überlebenswichtige Elemente seines Reviers erstellt. Deshalb ist es verboten, sie zu entfernen oder zu zerstören. In einem solchen Fall muss sich der Landwirt bei der kantonalen Jagdverwaltung oder direkt beim Wildhüter melden. Zusammen wird vor Ort abgeklärt, ob und wie eine Schadenspräventionsmassnahme erfolgen kann.
Gibt es Ausnahmen?
Wenn keine Massnahme möglich ist, erfolgt eine Interessenabwägung. Dafür steht den Kantonen ein Formular zur Verfügung, mit dem sie die Situation objektiv beurteilen können. Die Einschätzung von Schäden als «klein», «mittel» oder «gross» wurde mit verschiedenen Interessenvertretern, darunter auch der Berner Bauernverband, erarbeitet und die Resultate flossen in das Formular ein. Wird ein Schaden als «gross» beurteilt, kann der Wildhüter einen Eingriff machen. Dieser Eingriff muss jedoch dem Verhältnismässigkeitsprinzip entsprechen, will heissen, die mildeste zielführende Eingriffsmassnahme ist zu bevorzugen. Dammentfernungen sind als Ultima Ratio zu verstehen (vorher erfolgt zum Beispiel das Senken des Niveaus der gestauten Wasserfläche). Der Kanton muss Entscheide für Eingriffe verfügen, und sie müssen während eines Monats öffentlich aufgelegt werden. Berechtigte Naturschutzorganisationen können dagegen Einsprache erheben. Sie werden daher oft bereits bei der Begehung vor Ort miteinbezogen, damit vor Ort ein Konsens gefunden werden kann.
Wie ist ein friedliches Zusammenleben von Landwirtschaft und Biber möglich?
Es handelt sich grundsätzlich um einen Interessenskonflikt zwischen Landwirtschaft und Naturschutz. Wichtig ist eine genaue Analyse mit den betroffenen Interessensvertretern vor Ort. Wenn Gewässern genug Platz eingeräumt wird, entstehen deutlich weniger Biberschäden. Durch einen Gewässerraum von zehn Metern beidseits des Gewässers können Biberschäden erfahrungsgemäss um bis zu 95 % reduziert werden. Anders verhält es sich, wenn Biber in der Nähe von landwirtschaftlichen Drainagesystemen Infrastrukturschäden anrichten können. Hier können schon geringe Stauhöhen viel weitreichendere Folgen haben. Dies muss situationsspezifisch beurteilt werden.
Ein Beispiel, wie Landwirte und Biber miteinander leben können, gibt es im Aargauer Reusstal. Hier erfahren Sie, wie dortige Bauern vorgehen.