Der Kälbergesundheitsdienst (KGD) fordert eine Änderung der Direktzahlungsverordnung (DZV). Die darin aufgeführte Anforderung einer minimal ungedeckten Fläche von 1 m² für Kälber (unter 120 Tagen) sei zu streichen. Martin Kaske, KGD-Geschäftsführer, nennt die Hauptfrage, die sich in diesem Bereich stellt: «Überfordern wir das Anpassungsvermögen der Kälber mit der Forderung nach dieser Haltung im Aussenklima?»
Anpassungsfähigkeit nicht überfordern
Die Sachlage ist klar. Kann diese Frage mit Ja beantwortet werden, würde die Haltungsform der Kälber unter freiem Himmel im Grunde – entgegen dem guten Willen – gegen das Tierschutzgesetz verstossen. Grundlage dafür ist, dass die Tierschutzverordnung vorschreibt, dass Tiere so zu halten sind und mit ihnen so umzugehen ist, dass ihre Körperfunktionen und ihr Verhalten nicht gestört werden und ihre Anpassungsfähigkeit nicht überfordert wird.
Im Grunde nicht erlaubt
Viele Kälber in der Schweiz werden in Einzeliglus gehalten. Diese Haltungsform hat den entscheidenden Vorteil, das tiefste Infektionsrisiko für die Kälber zu haben.
«Das hat verheerende Konsequenzen.»
Martin Kaske, Geschäftsführer Schweizer Kälbergesundheitsdienst.
Die Tierschutzverordnung fordert für Kälber bis vier Monate grundsätzlich Gruppenhaltung. Im Sinne einer Ausnahme ist gemäss demselben Artikel aber eine Haltung von einzelnen Kälbern in Hütten (Iglus) mit dauerndem Zugang zu einem Gehege im Freien gestattet. Bei der Einzelhaltung in Hütten werden den Kälbern direkte Kontakte zu Artgenossen vorenthalten. Als Kompensation muss ihnen in Iglus aber Sichtkontakt zu Artgenossen sowie jederzeit Zugang zu frischer Luft, Aussenklima- und Umweltreizen geboten werden. Genau diese Umweltreize würden aber eine Überforderung darstellen, ist Tierarzt und Kälberspezialist Martin Kaske sicher und betont dabei die negativen Einflüsse durch das Wetter.
KGD ist regelmässig auf Betrieben
Wie Martin Kaske an der Tierärztetagung in Freiburg vergangene Woche ausführte, ist der Schweizer Kälbergesundheitsdienst im Rahmen der Bestandesdiagnostik regelmässig auf Milchviehbetrieben und Kälbermastbetrieben, um dort gehäufte Probleme mit Jungtiererkrankungen abzuklären. Dazu gehöre auch die Erfassung von Risikofaktoren im Kontext mit Haltung, Fütterung und Hygiene. Immer wieder falle dabei auf, dass Kälberiglus im Freien aufgestellt würden, um die RAUS-Anforderung einer ungedeckten Auslauffläche zu erfüllen – «mit teilweise verheerenden Konsequenzen für die Tiergesundheit», so Kaske. Auch auf Kälbermastbetrieben – insbesondere in den Bergregionen – führe der ungedeckte Auslauf in den Wintermonaten überdurchschnittlich häufig zu gesundheitlichen Problemen, indem das Fell der Kälber bei Schnee und Regen durchnässt und die Wärmeregulation des Körpers gestört werde.
Keine Tiere der Arktis
Was laut Fachpersonen also tierschutzwidrig sein könnte, fördert zum einen der Bund mit dem RAUS-Beitrag und verlangen zum anderen die Labels in ihrem Anforderungskatalog. Bio-Suisse-Betriebe sowie IP-Suisse-Kälbermastbetriebe müssen nämlich die RAUS-Anforderungen erfüllen.
«Rinder sind keine arktischen Tiere», sagt Martin Kaske. Zu den in der Schweiz üblichen 150 Regentage kämen vielerorts noch etwa 50 bis 70 Nebeltage hinzu. Nebel schade den Kälbern und Regen sei fatal. «Wir wissen, dass ein bedeutender Anteil der Rehkitze aufgrund des Regens stirbt. Das ist wissenschaftlich erwiesen. Die mit Abstand häufigste Todesursache ist Regen, und wir zwingen unsere Kälber, diese ungünstigen Verhältnisse auszuhalten, denen wir uns nicht mal selber aussetzen würden. Das ist Gift für die Tiergesundheit», schlussfolgert der Tierarzt.
Beim Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) habe man schon mehrfach für dieses Anliegen geworben, sagt Kaske gefragt nach der Meinung des Bundes. «Wir werden noch mal nachhaken», so Kaske.
Die Anfrage der BauernZeitung zu den Gründen für diese anscheinend fehlgeleitete Förderung konnte das BLW bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe nicht beantworten. Sie wird daher in der nächsten Ausgabe erscheinen.
