Obwohl der Winter zumindest in den tieferen Lagen allmählich zur Neige geht und die Tage länger werden, lohnt es sich, über den Wärmehaushalt von Kälbern zu sprechen. Denn: Jungtiere brauchen Wärme. Das betonte Corinne Bähler anlässlich der UFA-Toro-Tagung Anfang März in Wangen an der Aare.

Vier Gründe für Frischluft

«Ferkeln stellt man Wärmelampen und alles Erdenkliche hin – beim Kalb hat man das Gefühl, man könne es raus stellen und gut ist». Diese leicht überspitze Aussage stellte die erfahrene Tierärztin Corinne Bähler den Munimästern in den Raum und begründete anschliessend, warum dieses teils beobachtete Verhalten ein Trugschluss ist, der das Tier sowie die tierhaltende Person teuer zu stehen kommt.

«Die Kälber überleben die Kälte im Winter meistens schon, aber es kostet sie unheimlich viel Energie und Kraft», stellte die Tierärztin klar. Kälber jeder Temperatur auszusetzen sei nicht vertretbar, dennoch zeigte Corinne Bähler auf, warum es Frischluft im Kälberstall braucht:

... um die Lunge möglichst wenig zu belasten: Rinder haben im Verhältnis zu ihrem Körpergewicht eine kleine Lunge, so dass das Rind im Vergleich zu einem Pferd beispielsweise dreimal mehr Luft umsetzen muss, um dieselbe Sauerstoffzufuhr zu erreichen. Zu beachten gilt es zudem, dass die Lunge eines Kalbes erst nach einem Jahr ausgereift ist (ungefähr dann, wenn ein Mastrind in die Schlachtung geht).

Weniger dehnbare Lunge

Das Rind hat einen weiteren anatomischen Nachteil im Hinblick auf die Lungengesundheit: Das Lungengewebe eines Rindes ist in viele Segmente eingeteilt, was das Organ unelastisch und somit weniger dehnbar macht, als das bei anderen Tieren der Fall ist. Die Segmentierung führt bei einer Entzündung zudem dazu, dass das entsprechende Segment schnell abstirbt. Aus diesen Gründen ist die Rinderlunge im Vergleich zu anderen Tierarten prädisponiert für Lungenkrankheiten.

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... um Sauerstoff zuzuführen: Denn die Ausatmungsluft enthält 100-mal mehr CO2 als die Einatmungsluft und ist somit der Gegenspieler des Sauerstoffgehalts. Ein Kalb (Körpergewicht 110 kg) produziert bei einer Umgebungstemperatur von 10 Grad 1,8 m3 CO2 pro Tag. Durch Frischluft muss gewährleistet werden, dass immer genügend Sauerstoff vorhanden ist, so dass der CO2-Gehalt möglichst unter 1000 ppm (parts per million) liegt.

... um Feuchtigkeit abzuführen: Ein Kalb mit einem Körpergewicht von 150 kg produziert bei einer Umgebungstemperatur von 10 Grad 4 kg Wasserdampf pro Tag. Je wärmer die Luft, desto mehr Feuchtigkeit kann sie aufnehmen und abtransportieren. Die relative Feuchtigkeit im Kälberstall sollte daher zwischen 60 und 80 % liegen. Bei natürlicher Lüftung schwankt die relative Luftfeuchtigkeit sehr stark und resultiert in einer schwankenden Lüftungsrate, während eine mechanische Lüftung zu weniger Schwankungen und einer stabileren Lüftungsrate führt.

... um Schadgase abzuführen: Ausländische Studien zeigten, dass ein Ammoniakgehalt unter 6 ppm zu einer Halbierungvon Atemwegserkrankungen bei Kälbern führte. Der Kälbergesundheitsdienst (KGD) empfiehlt allerdings einen Durchschnittswert von maximal 3 ppm.

Trockene Einstreu ist zentral

Die Ammoniakbildung erfolgt, wenn Urin und Kot in Kontakt kommen und somit Urease-bildende Bakterien aktiv werden. Mit einer trockenen Einstreu wird der Urin aufgesaugt und die Aktivität von Urease-bildenden Bakterien minimiert.

Für eine gute Frischluftzufuhr gilt folgende Faustregel:

  • Luftaustausch im Sommer = 20 × pro Stunde
  • Luftaustausch Winter =10 × pro Stunde

Kälbergeburten im Winter

Corinne Bähler wies in ihrem Referat auch auf den Widerspruch bei dem Zeitpunkt der Kälbergeburten hin: «In der Milchwirtschaft finden im Winter doppelt so viele Geburten wie im Sommer statt. Etwas, was die Natur nie machen würde, da das Sterblichkeitsrisiko von Jungtieren bei garstigen Bedingungen stark erhöht ist», so Bähler. Diese saisonale Abkalbung sei teilweise mit der Sömmerung zu begründen, aber nicht nur, da nur jedes vierte Rind gesömmert wird, so die Tierärztin.

Die Aufzucht im Winter sei ein Stress für das neugeborene Kalb, welches im Winter wie oben erwähnt viel mehr Energie braucht, um seine Körpertemperatur zu halten als in wärmeren Monaten, so Bähler. Somit haben solche Kälber auch geringere Tageszuwachsraten, was schlussendlich zu Mehrkosten beim Tierhalter führt. Bis 200 kg Körpergewicht ist die Wärme-Eigenproduktion beim Kalb ungenügend. Ab 200 kg Körpergewicht fungiert der Pansen als Heizung, ab 350 kg Körpergewicht ist der Pansen ziemlich ausgereift. «Der Herausforderung, Kälber im Winter fit und gesund zu halten, stellt sich die Natur nicht», betonte Bähler an der Tagung.

Einfacher kontrollierbar

Die vorherrschenden Stallsysteme sind offene und halboffene Ställe – sobald man aber eine Öffnung zur Aussenwelt im Stall hat, ist er dadurch nicht für jede Jahreszeit ideal, da die wechselhafte Witterung das Stallklima beeinflusst, erklärte die Tierärztin. Wie der optimale Stall aussehen sollte, sorgt aktuell für viel Gesprächsstoff: Gemäss Stimmen aus der Branche fordern Konsumenten zunehmend offene Ställe, bei denen die Tiere jederzeit nach draussen können, andererseits wissen Fachpersonen wie Corinne Bähler, dass ebendiese Ställe im Winter für die Kälber eine zusätzliche Herausforderung darstellen können, weil je nach Konstruktion zu viel Zugluft an die Jungtiere geraten kann. Zudem sei das Klima von geschlossenen Ställen einfacher zu kontrollieren, so der Wortlaut einiger Teilnehmer der Tagung.

Optimalen Stall gibt es nicht

Ob nun geschlossene, halboffene oder offene Stallsysteme die Lösung für eine robuste Kälbergesundheit sind, bleibt ungeklärt. Einen optimalen Stall für alle Verhältnisse gibt es offensichtlich nicht. Unabhängig vom Haltungssystem ist es zentral, dass Kälber eine trockene Einstreu und genügend Frischluft haben, keiner Zugluft ausgesetzt sind und eben mehr Wärme brauchen, als häufig propagiert wird.