Per 1. Juli dieses Jahres müssen alle Kälber, die den Geburtsbetrieb im Alter von weniger als 57 Tagen verlassen, 14 Tage vor dem Umzug geimpft werden. Eine zweite Impfung erfolgt innerhalb der ersten 28 Tage auf dem Mastbetrieb. In einem Fragenkatalog auf der Webseite des Qualitätsmanagements Schweizer Fleisch werden die für Tierhalterinnen und Tierhalter relevanten Fragen beantwortet. Die BauernZeitung hat eine Zusammenstellung gemacht.
Welche Absicht wird mit der Impfung verfolgt?
Die Impfung soll einen Schutz der Kälber gegenüber den Erregern der Kälbergrippe (auch genannt enzootische Bronchopneumonie, Rindergrippe) herbeiführen, wobei die viralen Erreger als Wegbereiter bakterieller Sekundärinfektionen im Fokus stehen. Es soll so die Tiergesundheit verbessert, der Einsatz von Antibiotika reduziert und in der Folge eine bessere Wirtschaftlichkeit erreicht werden. Nicht zuletzt ist es das Ziel, Nachfrage und Reputation von Schweizer Kalb- und Rindfleisch zu verbessern.
Was sind die typischen Symptome der Kälbergrippe?
Nach der Virusinfektion kommt es zunächst zu einer Infektion der oberen Atemwege, die klinisch gekennzeichnet ist durch Husten, Abgeschlagenheit und Fieber (> 39.3 °C). Ist der Infektionsdruck hoch und begünstigen die Umgebungsbedingungen die weitere Übertragung (insbesondere hohe Belegungsdichte, viel Ammoniak, hohe Luftfeuchtigkeit, ungenügende Energieaufnahme), entwickelt sich durch bakterielle Sekundärinfektion rasant eine schwere Lungenentzündung mit Verdichtung des Lungengewebes und Eiterherden, insbesondere im Spitzenlappenbereich der Lunge. Eine derartige Pneumonie ist bei Mensch und Tier akut lebensbedrohlich und hat überhaupt nichts zu tun mit einer simplen Erkältung. Innerhalb weniger Tage kann sich zudem eine Überblähung des restlichen Lungengewebes (Lungenemphysem) entwickeln, die nicht reversibel ist. Im Unterschied zur Grippe des Menschen sind Lungenentzündungen beim Kalb mit Kälbergrippe sehr häufig.
Warum soll es jetzt eine Impfpflicht geben?
Wenn möglichst viele Kälber geimpft auf dem Folgebetrieb ankommen, ergibt sich der Vorteil einer sog. Herdenimmunität. Wenn nur wenige Tiere einer Gruppe geimpft ankommen, verpufft der potenzielle Vorteil und man hätte sich den Aufwand auch gleich sparen können.
Was versteht man unter einer Herdenimmunität?
Herdenimmunität bedeutet, dass in einer Gruppe von Kälbern so viele Tiere dank Impfung immun gegen den Erreger sind, dass sich die Krankheit kaum noch ausbreiten kann. Der Erreger trifft dann hauptsächlich auf Tiere, denen er nichts anhaben kann – und die den Erreger daher auch nicht weitergeben. Die Infektionskette bricht ab.
Ich lehne Impfungen grundsätzlich ab. Kann ich entsprechend nun keine Tränker mehr verkaufen?
Doch, das wird weiterhin möglich sein – allerdings müssen die Kälber dann mindestens 57 Tage alt sein, bevor sie den Betrieb verlassen.
Wie wird kontrolliert, dass die Kälber auf dem Geburtsbetrieb tatsächlich geimpft wurden?
Die Kontrolle auf den Betrieben erfolgt stichprobenartig im Rahmen der QM-Kontrollen. Geprüft werden die Abgänge und Zugänge gemäss TVD, die Einträge im Behandlungsjournal mit Impfstoff und Impfdatum sowie die Beschaffung von Impfdosen plausibilisiert mit der Anzahl Kälber gemäss TVD.
Gibt es Sanktionen für Landwirte, die die Kälber nicht vorschriftsmässig impfen?
Ja, bei nicht vorschriftsmässig geimpften Kälbern greifen dieselben Sanktionsmassnahmen, die für Verstösse gegen andere QM-Anforderungen vorgesehen sind. Je nach Schwere des Falls erfolgt eine Auflage (Ermahnung), eine Verwarnung oder der Ausschluss aus dem Programm.
Warum ist zunächst nur eine dreijährige Pilotphase geplant?
Der nachhaltige Erfolg der Impfmassnahmen muss durch konkrete Zahlen bzgl. Tiergesundheit und Einsatz von Antibiotika belegt werden. Deshalb werden 2026–2028 Daten dazu erhoben und durch Rindergesundheit Schweiz (RGS) ausgewertet. Ende 2028 wird dann Bilanz gezogen und in der Fachkommission Viehwirtschaft über eine definitive Aufnahme in die Richtlinien entschieden.
Warum ist eine Impfung gegen Kälbergrippe wichtig?
Die Kälbergrippe ist diejenige Erkrankung der Kälber, die die höchsten wirtschaftlichen Schäden verursacht. Insbesondere Folgebetriebe kämpfen mit gehäuften Atemwegserkrankungen, vor allem in den ersten vier Wochen nach Aufstallung der zugekauften Tiere, indem in grossem Umfang Antibiotika eingesetzt werden. Die Impfung der Tränkerkälber soll dies Problem wesentlich verringern.
Gegen welche Erreger der Kälbergrippe wird geimpft?
Die verschiedenen Impfstoffe auf dem Markt enthalten die wichtigsten Viren, die zu Kälbergrippe führen. Dies sind das bovine respiratorische Synzytialvirus (BRSV) und Parainfluenza-Typ 3. Im Impfstoff befinden sich abgeschwächte oder inaktivierte Erreger, die zwar eine Immunreaktion hervorrufen, das geimpfte Tier aber nicht krank machen.
Was kostet der Impfstoff für den Geburtsbetrieb sowie für den Mäster?
Der Preis für eine Impfstoffdosis liegt gegenwärtig zwischen 10 und 15 Franken. In Abhängigkeit von Tierarzt, Bezugsmengen und Gebindegrössen differieren die Preise.
Warum müssen die Kälber bereits auf dem Geburtsbetrieb geimpft werden?
Weil sich ein guter Immunschutz nur bei Tieren entwickelt, die gesund und in guter Verfassung sind. Das ist in den ersten Lebenswochen auf dem Geburtsbetrieb der Fall. Bei Eintreffen der Tränker auf dem Folgebetrieb sind die Tiere dagegen durch den Transport, die neue Umgebung und das neue Tränkesystem stark belastet – dieser Zeitpunkt ist für die erste Impfung deshalb nicht geeignet.
Warum müssen die Kälber auf dem Geburtsbetrieb bereits zwei Wochen vor dem Verkauf geimpft werden?
Weil es etwa zwei Wochen dauert, bis sich nach der Impfung eine belastbare Immunität beim Tier entwickelt. Die Immunantwort des geimpften Tiers ist sehr komplex und erfordert deshalb Zeit: Es entwickeln sich nach der Impfung einerseits bestimmte Zellen im Blut, die den Erreger vernichten (sog. zytotoxische T-Zellen) und andererseits Antikörper.
Warum muss der Impfstoff auf dem Geburtsbetrieb in die Nase verabreicht werden?
Erstens entspricht die intranasale Verabreichung dem natürlichen Eintrittsweg des Erregers und stimuliert somit besonders die Schleimhautzellen, die für die Immunantwort entscheidend sind. Zweitens können intranasal abgeschwächte Erreger («Lebendimpfstoff») eingesetzt werden, die zu einer besonders effektiven zellulären Immunantwort führen. Drittens können bei intranasaler Verabreichung Antikörper aus der Biestmilch das Impfantigen nicht inaktivieren – ein Risiko bei Impfung sehr junger Kälber per Injektion.
Wann soll die intranasale Impfung des Kalbes auf dem Geburtsbetrieb erfolgen?
Grundsätzlich soll das zu impfende Kalb gesund sein, ein krankes Kalb wird erst nach seiner Gesundung geimpft. Der korrekte Zeitpunkt der Verabreichung unterscheidet sich zwischen den verschiedenen zugelassenen Impfstoffen (Zulassung ab dem ersten/neunten/zehnten Lebenstag) und sollte mit dem Bestandestierarzt besprochen werden.
Dürfen auch Kälber auf dem Geburts- oder Folgebetrieb geimpft werden, die aktuell unter der Wirkung anderer Medikamente stehen?
Handelt es sich um Kälber, die prophylaktisch eine Injektion von Eisen oder Selen erhalten haben, so können diese bedenkenlos geimpft werden. Sofern Kälber aufgrund von Erkrankungen Medikamente erhalten haben, sollten sie nicht geimpft werden. Insbesondere darf keine Impfung nach Verabreichung von steroidalen Entzündungshemmern (wie Dexamethason) durchgeführt werden, da diese die erwünschte Immunreaktion des Kalbes verhindern.
Woher bekommt der Landwirt auf dem Geburtsbetrieb den Impfstoff?
Auf Betrieben mit Tierarzneimittel-Vereinbarung (TAMV) wird der Impfstoff vom Bestandestierarzt an den Landwirt abgegeben.
Darf der Landwirt die intranasale Impfung selbst durchführen?
Ja, das ist auf Betrieben mit Tierarzneimittel-Vereinbarung (TAMV) zulässig. Allfällige Fragen zur praktischen Durchführung sollten gemeinsam mit dem Bestandestierarzt geklärt werden.
Kann ich mir auch Einzeldosen vom Bestandestierarzt geben lassen?
Ja, die Impfstoffe sind in verschiedenen Gebindegrössen verfügbar und dazu gehören auch Einzeldosen. In einer derartigen Packung befinden sich i. d. R. fünf Einzeldosen.
Wie wird die Impfung dokumentiert?
Der Landwirt trägt die Impfung mit Datum, Ohrmarkennummer des geimpften Tieres und Impfstoff in das Behandlungsjournal ein.
Kann man aufgelösten Impfstoff in einer Flasche für fünf Impfdosen bis zum Impfen des nächsten Kalbes aufbewahren?
Nein, der mittels Lösungsmittel aufgelöste Impfstoff muss zwingend innerhalb von zwei Stunden einem Kalb verabreicht werden.
Warum ist auf dem Folgebetrieb eine zweite Impfung notwendig?
Ein Impfstoff gegen Kälbergrippe muss zweimal verabreicht werden, um eine nachhaltige Immunität zu erreichen. Nach der zweiten sog. «Booster-Impfung» werden schneller als nach der ersten Impfung Antikörper und cytotoxische T-Zellen gebildet und die Zahl der Gedächtniszellen steigt drastisch an. Das Prinzip dieser sog. Grundimmunisierung kennen wir von Impfungen des Menschen. So sind bei Kleinkindern wiederholte Impfungen gegen z. B. Rotaviren, Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten und Kinderlähmung notwendig, bevor ein belastbarer Schutz vor diesen gefährlichen Krankheitserregern erreicht wird.
Wann sollte die Impfung auf dem Folgebetrieb erfolgen?
Die Tränker sollen sich auf dem Folgebetrieb zunächst von der Belastung durch Transport und Umstallung erholen, um bei der zweiten Impfung in einem stabilen, gesunden Zustand zu sein. Das wird meist in der dritten bis vierten Woche nach Anlieferung der Fall sein.
Warum muss der Impfstoff auf dem Folgebetrieb nicht wie auf dem Geburtsbetrieb in die Nase verabreicht werden?
Erstens sind die Kälber bei der zweiten Impfung bereits 8–10 Wochen alt, sodass die Antikörper aus dem Kolostrum der Muttertiere die Impfreaktion kaum noch beeinflussen können. Zweitens sind die Tiere wesentlich grösser und schwieriger zu fixieren – eine Injektion ist deutlich einfacher. Drittens gibt es keine Studien, die einen wesentlichen Vorteil einer zweiten intranasalen Impfung gegenüber der Auffrischungsimpfung per Injektion belegen. Es ist aber durchaus zulässig, auch die zweite Impfung intranasal durchzuführen.
Kann man alle Kälber einer Gruppe zu einem Zeitpunkt impfen?
Ja, das ist unkompliziert möglich. Allerdings gilt es zu berücksichtigen, dass die Kälber zum Zeitpunkt der Impfung gesund sein müssen. Bei Tieren mit Fieber und/oder Husten, erhöhter Atemfrequenz und Pumpen sollte die zweite Impfung erst nach der vollständigen Gesundung stattfinden.
