Winterzeit ist Grippezeit. Dieser Satz bewahrheitete sich in den letzten Jahren auch beim Geflügel, bei dem sich die Infektionen mit der Vogelgrippe häuften. Es stellt sich die Frage, ob eine Impfung gegen das Virus die Lösung sein könnte.
Aktuell ist in der Schweiz kein Impfstoff gegen die hochpathogene Aviäre Influenza (HPAI, auch Vogelgrippe genannt) zugelassen. Eine Ausnahme ist die Impfung von Zoovögeln im Zoo Basel und im Tierpark Bern. Dabei handelt es sich um ein Forschungsprojekt des Instituts für Virologie und Immunologie (IVI).
«Die Impfung hat im August 2023 begonnen und erste Resultate zeigen, dass der Impfstoff sicher ist», schreibt das IVI auf Anfrage. Die Vögel hätten die Impfung gut vertragen, hätten Antikörper gebildet und seien daher vor einer Infektion geschützt, so das Institut.
Dringlichkeit für eine Impfung des Nutzgeflügels ist nicht gross
Das sind wichtige Erfahrungen, die künftig helfen könnten, das HPAI-Virus zu bekämpfen. In naher Zukunft wird der Impfstoff jedoch nicht für einen breiten Einsatz beim Nutzgeflügel genutzt werden, da er nicht kommerziell hergestellt wird. Das bestätigen sowohl das IVI als auch das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV).
Für Daniel Würgler, Präsident der Eierproduzenten-Organisation Gallo Suisse, ist das kein Grund zur Sorge: «Die Bedrohungslage ist bei uns nicht so gross wie beispielsweise in Frankreich, wo grosse Herden durch die Vogelgrippe verloren gingen.» Die verordneten Massnahmen hätten bisher geholfen, grosse Ausbrüche beim Schweizer Hausgeflügel zu verhindern. «Dabei sind wir sehr froh um das sorgfältige Monitoring des BLV», sagt Würgler.
Das bestätigt Adrian Waldvogel, Präsident der Geflügelproduzenten: «Solange diese Beobachtungszonen rund um einen Vogelgrippe-Ausbruch bei Wildvögeln aufrechterhalten bleiben und das Seuchengeschehen aufmerksam verfolgt wird, brauchen wir die Impfung nicht.»
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Unter diesen Bedingungen sei die Dringlichkeit für eine Impfung des Nutzgeflügels nicht gross. Das Schweizer Haltungssystem sorge ausserdem dafür, dass sich das Geflügel auch während eines Weideverbots frei im Aussenklimabereich bewegen könne: «Das Tierwohl ist somit auch sichergestellt», so Würgler.
Gleichzeitig erschwert die freie Haltung eine Impfung, wie sie heute verabreicht werden müsste. «Wir müssten jedes einzelne Tier einfangen und ihm die Impfung spritzen. Das bedeutet Stress für das Geflügel und einen grossen Aufwand für den Halter», erklärt Würgler. Sollten neue Impfstoffe auf den Markt kommen, die übers Trinkwasser verabreicht werden können, oder sollte sich die Seuchenlage zuspitzen, seien die Produzenten natürlich nicht gegen eine Impfung, betont Würgler.
Das BLV schliesst nicht aus, dass künftig geimpft wird: «Internationale Diskussionen sowie Forschungsprojekte für Impfungen bei Geflügel sind im Gang. Die Vogelgrippe ist ein globales Problem. Wir müssen länderübergreifend Lösungen finden.»
Wie ist die aktuelle Vogelgrippe-Situation?
In den letzten drei Wintern kam es zu immer stärkeren und länger andauernden Infektionswellen der hochpathogenen Aviären Influenza. Im Frühling 2023 entschärfte sich die Situation – anders als in anderen Jahren – nicht. Das Virus, das bis anhin meist von Zugvögeln in die Schweiz gebracht wurde, zirkulierte in den Möwenkolonien, die hierzulande angesiedelt sind.
Ist die Vogelgrippe also dauerhaft in der Schweiz angekommen? Dem widerspricht das BLV: «Momentan kann man nicht von einer endemischen Situation in der Schweiz sprechen.» 2023 habe es mehr als fünf Monate ohne Nachweis der Vogelgrippe gegeben (zwischen 6. Juli und 24. Dezember).
Mit dem nachgewiesenen HPAI-Virus in einem tot aufgefundenen Höckerschwan im Kanton Zürich wurde diese ruhige Periode im Dezember 2023 beendet. Seither kam es zwar bis Redaktionsschluss zu keinen weiteren Fällen. Laut BLV könnte es aber in der zweiten Hälfte des Winters zu einem Anstieg der Vogelgrippefälle kommen. Die Dynamik werde daher schweizweit beobachtet, so das Bundesamt.
Auswirkungen auf die Bezeichnung «Freilandhaltung»
Eine der wichtigsten Massnahmen zum Schutz des Nutzgeflügels vor der Vogelgrippe ist die Kontaktvermeidung mit Wildvögeln. Das bedeutet, dass das Geflügel während der behördlich angeordneten Schutzmassnahmen nicht auf die Weide darf – respektive nur in einen geschützten und somit eingeschränkten Auslauf. Damit werden die Anforderungen an eine «Freilandhaltung» nicht erfüllt. Da es sich um eine temporäre Einschränkung handelt, dürfen Eier und Fleisch aber weiterhin mit «Freilandhaltung» ausgelobt werden.
Dieser Zustand durfte nach EU-Recht nicht länger als 16 Wochen dauern. Nur dann sei davon auszugehen, dass Konsument(innen) beim Kauf von als «Freiland» deklarierten Eiern oder Geflügelfleisch nicht getäuscht würden. Das schrieb das BLV in einem früheren Infoschreiben, in dem das Amt auf die EU abstützte.
Nun hat die EU Ende 2023 diese 16 Wochen aus ihrer Verordnung gestrichen. «Die Schweiz wird die neue EU-Regelung übernehmen», schreibt das BLV auf Anfrage. Konkret bedeutet das: Wenn Massnahmen zum Schutz des Geflügels erlassen werden, dürfen Eier und Fleisch weiterhin mit «Freiland» bezeichnet werden, ohne zeitliche Beschränkung.
«Eines ist wichtig zu wissen: Abgesehen von den Vorgaben an den Auslauf müssen die Tiere weiterhin gemäss allen Vorgaben zur Freilandhaltung gehalten werden», erinnert das BLV.
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Tierwohlbeiträge werden auch künftig ausgezahlt
Auch die Auszahlung der Tierwohlbeiträge wird weitergeführt. Das war bis anhin so und werde auch künftig geschehen, bestätigt das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) auf Anfrage: «Die Tierwohlbeiträge werden weiterhin weder gekürzt noch verweigert, wenn aufgrund Seuchen-polizeilich angeordneter Massnahmen einzelne Programmanforderungen nicht eingehalten werden.»
Da aktuell die Situation der Vogelgrippe nicht als endemisch eingestuft werde, würden behördliche Massnahmen nur punktuell bei auftretenden Fällen angeordnet, begründet das BLW: «Die Nichteinhaltung der RAUS-Anforderungen stellt in diesem Zusammenhang eine Ausnahmesituation dar.»Deborah Rentsch
Was bei angeordneten Schutzmassnahmen gilt
1. Auslauf: Das Geflügel muss überdacht und mit Gittern oder Netzen geschützt gehalten werden. Ideal ist ein vergitterter Aussenklimabereich, auch bei kleineren Geflügelhaltungen. Alternativ kann die Weide mit einem Netz überspannt werden (Maschenweite 2 × 2 cm).
2. Zugang zu Wasserbecken: Die vom Tierschutz für gewisse Arten vorgeschriebenen Wasserbecken müssen vor Wildvögeln geschützt werden.
3. Wasser und Futter: Tränke- und Futterstellen dürfen für Wildvögel nicht zugänglich sein.
4. Geschlossene Ställe: Können diese Massnahmen (1–3) nicht umgesetzt werden, muss das Hausgeflügel in geschlossenen Stallsystemen (d. h. mit seitlichen Begrenzungen und winddichtem Dach) gehalten werden.
5. Verschiedene Arten: Gänsevögel und Laufvögel (Enten, Gänse, Strausse usw.) müssen getrennt vom anderen Hausgeflügel gehalten werden.