Tierschutzkontrollen, vor allem unangemeldete, geben immer wieder Anlass zu Diskussionen. Rechtsanwalt Michael Ritter von der Kanzlei Ritter Koller AG im aargauischen Möhlin ist im Agrarrecht tätig und zunehmend mit dieser Problematik konfrontiert.

Michael Ritter, an einer Weiterbildung für Schweineprofis der Landi Sursee sagten Sie, dass Anfragen im Bereich Tierschutzkontrollen stark zunehmen. Weshalb?

Michael Ritter: Wir stellen im Bereich des Tierschutzes fest, dass die Fallzahlen in gewissen Kantonen stark zugenommen haben. Über die Gründe dieser Zunahme kann ich nur mutmassen. Die Tatsache, dass vermehrt unangemeldete Kontrollen stattfinden (müssen), führt sicherlich dazu, dass mehr Mängel festgestellt werden. Auch negative Fälle, welche in den Medien publiziert werden, können dazu führen, dass in einigen Kantonen intensiver kontrolliert wird. Möglich ist auch, dass die Neubesetzung von gewissen Stellen in Ämtern zu Praxisänderungen führen, was wiederum zu mehr Fällen führt.[IMG 2]

Einige Fragen tauchen immer wieder auf: Darf ein Tierschutzkontrolleur in Abwesenheit des Betriebsleiters Stallungen betreten und kontrollieren?

Nein, grundsätzlich dürfen Stallungen in Abwesenheit des Tierhalters nicht ohne Weiteres betreten und kontrolliert werden. Art. 39 TSchG sieht zwar ein Zutrittsrecht vor. Damit ein Kontrolleur jedoch in Abwesenheit einen Stall betreten kann, wird zwingend vorausgesetzt, dass ein dringender Verdacht besteht, dass Tiere erheblich leiden oder ihre Würde massiv missachtet wird. Diese Voraussetzungen erachte ich als sehr hoch und sie werden in der Regel nicht so rasch erfüllt.

Was, wenn die Behörden eine unangemeldete Kontrolle durchführen möchten, aber der Landwirt zu den üblichen Bürozeiten meist auswärts ist?

Auch hier bin ich der Ansicht, dass dem Tierhalter in der Regel die Möglichkeit gewährt werden muss, an der Kontrolle teilzunehmen. Kann der Tierhalter Gründe glaubhaft darlegen, weshalb eine Kontrolle nicht möglich ist, so muss die Kontrolle verschoben werden. Ist das Tierwohl massiv gefährdet, kann die Kontrolle in Abwesenheit erfolgen. Die Voraussetzungen sind jedoch sehr hoch. Verweigert ein Tierhalter die Kontrolle ohne nennenswerten Grund, drohen massive Kürzungen der Direktzahlungen bis zur gänzlichen Verweigerung der Beiträge. Ich rate deshalb jedem Tierhalter, alles Mögliche in Erwägung zu ziehen, damit eine Kontrolle durchgeführt werden kann (Art. 105 DZV).

Angenommen, die Kontrolle läuft – aus welchen Gründen auch immer – aus dem Ruder. Was raten Sie?

Wichtig ist immer, dass die Betroffenen ruhig bleiben. Gleichzeitig erachte ich es als wichtig, dass in solchen Situationen Unterstützung beigezogen wird. Infrage dazu kommen etwa der Bestandestierarzt oder auch der Vertrauensanwalt, auch Nachbarn können beigezogen werden. Dokumente und insbesondere der Kontrollbericht sollten nicht ohne Weiteres unterzeichnet werden. Es kann zudem sehr sinnvoll sein, selbst Fotos und Videos sowie ein eigenes Protokoll zu erstellen.

Und wenn man mit festgestellten Mängeln nicht einverstanden ist?

In solchen Fällen darf der Kontrollbericht nicht unterzeichnet werden. Gleichzeitig muss festgehalten werden, mit welchen Feststellungen der Betroffene nicht einverstanden ist. Eigene Fotos und Videos helfen in jedem Fall. Gegen Verfügungen kann anschliessend der Rechtsweg beschritten werden.

 

«Eigene Fotos und Videos helfen.»

Meinungsverschiedenheiten sollten festgehalten werden.

Was sind mögliche finanzielle Folgen für Betriebe?

Die Problematik besteht darin, dass die finanziellen Folgen einer Tierschutzkontrolle, bei welcher Mängel festgestellt werden, vielseitig sind. Neben den Kosten des Tierschutzverfahrens führen Mängel oft zu Kürzungen bei den Direktzahlungen sowie zu einem Strafverfahren. Werden Mängel festgestellt, sind damit oft drei Verfahren verbunden. Hauptsächlich im Bereich der Direktzahlungen drohen hohe Kürzungen.

Immer wieder Thema sind die tierärztlichen Kontrollen an grossen Schlachthöfen …

Wird ein Tier zur Schlachtung an einen grossen Schlachthof geliefert, wird dieses Tier immer durch einen Amtstierarzt kontrolliert. Ob ein Tier übermässig verschmutzt ist und zum Beispiel Rollen aufweist, ist eine subjektive Wahrnehmung. Auch wenn ein Tier aus Sicht des Tierhalters nicht verschmutzt ist, könnte dies der Amtstierarzt anders beurteilen. Der betroffene Landwirt muss sich somit immer bewusst sein, dass bei grossen Schlachthöfen sehr hohe und meines Erachtens teilweise auch zu hohe Anforderungen gestellt werden. In grossen Schlachthöfen scheint es oft wichtig zu sein, dass der Schlachtablauf nicht gestört wird, weshalb sehr hohe Anforderungen gestellt werden. In kritischen Fällen rate ich, dass vorgängig der Bestandestierarzt beigezogen wird und zum Beispiel die Transportfähigkeit dokumentiert oder andere Schlachthöfe angeliefert werden.

Werden Tierschutzfälle vor dem Strafgericht verhandelt, ist das Verfahren öffentlich. Lohnt sich dieses Risiko?

Bevor ein Strafverfahren vor dem Strafgericht verhandelt wird, stellt die Staatsanwaltschaft in der Regel einen Strafbefehl aus. Strafbefehle können zwar ein-gesehen werden, es gibt jedoch keine öffentliche Verhandlung. Wird ein Strafbefehl nicht akzeptiert, hat die Staatsanwaltschaft die Möglichkeit, das Verfahren einzustellen oder Anklage beim Strafgericht zu erheben. Da die Staatsanwaltschaft im Zweifelsfalle Anklage erheben muss, ist es üblich, dass eine Überweisung ans Strafgericht erfolgt. Dort ist die Verhandlung öffentlich. Die Frage, ob ein Strafbefehl akzeptiert werden soll, hängt auch davon ab, ob mit einer Veröffentlichung ein grosser Reputationsschaden verbunden ist. Ich bin aber der Ansicht, dass dies nicht der Hauptgrund sein darf, vielmehr muss auch abgewogen werden, ob Aussichten auf Erfolg bestehen. Ist ein Landwirt davon überzeugt, dass er freizusprechen ist, so sollte ein Strafbefehl nicht akzeptiert werden. Erfahrungsgemäss kommt es durchaus oft vor, dass vor dem Strafgericht ein Freispruch erzielt werden kann.

«Oft kann ein Freispruch erzielt werden.»

Ritter zu den Erfolgsaussichten vor dem Strafgericht.

Ist es in manchen Fällen nicht einfacher, Strafbefehle zu akzeptieren und kleinere finanzielle Einbussen in Kauf zu nehmen?

Dies erachte ich als sehr heikel. Wird ein Strafbefehl akzeptiert, gilt der darin festgestellte Sachverhalt grundsätzlich als anerkannt. Dies wiederum hat Folgen bei der Kürzung von Direktzahlungen. Da der Strafbefehl für andere Verfahren Auswirkungen hat, rate ich davon ab, einen Strafbefehl einfach so aufgrund der tiefen Kosten zu akzeptieren. Zu beachten ist auch, dass vorwiegend im Wiederholungsfalle hohe Kürzungen bei den Direktzahlungen drohen.