Guido Baumann fliegt seit 33 Jahren Helikopter. Aber einen solchen Einsatz hat der 52-Jährige noch nicht erlebt. Am Mittwoch vor einer Woche gerieten im Gebiet des kleinen Schlierentals im Kanton Obwalden im Einzugsgebiet des Wängenschlierenbaches an die 30 Rinder in einen Graben und konnten sich nicht mehr aus eigener Kraft befreien. «Die ganze Bergungsaktion dauerte über fünf Stunden», sagt Baumann gegenüber «20 Minuten».
Rinder wehrten sich
Gerettet wurden die Rinder mit speziellen Tierbergungsnetzen. Diese waren an einer 50 Meter langen Leine am Helikopter befestigt. Die Aktion war für die Helfer nicht ungefährlich. Die meisten der bis 500 Kilogramm schweren Rinder mussten zuvor von einer Tierärztin ruhig gestellt werden. Doch auch unter Betäubungsmitteln wehrten sich einige Tiere vehement, wie der Pilot der Zeitung weiter erzählt: «Es ist ein Wahnsinn, wie viel Energie diese Tiere besitzen.»
Die Schweizerische Rettungsfluchtwacht (Rega) nimmt Meldungen für Einsätze entgegen, bei denen kranke, verletzte oder verstiegene Rinder und Kühe per Helikopter transportiert werden. Geflogen werden sie dann von sieben regionalen kommerziellen Helikopterfirmen – unter anderem von der Alpinlift Helikopter AG aus Buochs NW, die den erwähnten Grosseinsatz übernahm.
Rega-Mediensprecher Adrian Schindler kann sich nicht an einen Einsatz dieser Grösse erinnern, wie er auf Anfrage der BauernZeitung sagt. 2013 kam es zu einer ähnlichen fünfstündigen Rettung: 16 Tiere einer Mutterkuhherde waren am Eingang zum Val Forno südlich des Malojapasses im Kanton Graubünden in Not geraten. Die unerfahrenen Tiere waren durstig und wagten sich oberhalb eines Wasserschutzdamms zu weit vor. Das Wasser riss sie mit und spülte sie durch den Damm.
Die Tiere suchten Schutz in höhlenartigen Unterspülungen oder standen bis zum Hals im strömenden Wasser. Von dort mussten sie aus dem schluchtartigen Gelände gerettet werden. Mit Seilen und Helikoptern konnten 14 Tiere lebend geborgen werden. Zwei überlebten nicht.
Kosten: Bauer sollte Rega-Gönner sein
Im Schnitt kommt es jährlich zwischen 1000 bis gut 1300 Einsätzen für Kühe und Rinder. 1287 Einsätze waren es 2018, wie Adrian Schindler sagt.
Per Helikopter wird Rindvieh geborgen, Schafe oder Ziegen aber nicht, wie es auf dem Merkblatt Lufttransporte für die Berglandwirtschaft der Rega heisst. Wenn ganze Schaf- oder Ziegenherden in Not sind, können Hirten, Futter oder Rettungsmaterial zur Herde geflogen werden.
Sofern die Tiereigentümer natürliche Personen sind und über eine Gönnerschaft «Landwirtschaft» der Rega verfügen, werden die Kosten übernommen, falls eine Versicherung nicht oder nur teilweise dafür aufkommt. Die Gönnerschaft kostet 70 Franken pro Jahr. Bei Betriebsgemeinschaften muss jeder einzelne Tiereigentümer Gönner sein. Wie viele Bauern eine solche Gönnerschaft haben, weise die Rega nicht aus, sagt Adrian Schindler. Insgesamt wurde die Rega 2018 von 3,483 Millionen Gönner(innen) unterstützt. Bei Transportanfragen von Landwirten ohne Gönnerschaft, verweist die Rega direkt an die kommerziellen Helikopterunternehmen. «Diese unterbreiten dann ihren Kostenvoranschlag für einen Transportflug direkt dem betroffenen Landwirt», erklärt Adrian Schindler.
Tierschutz muss gewährleistet sein
Geflogen werden die Tiere bis zur nächsten, mit einem anderen Transportmittel erreichbaren Stelle. Die Transportfähigkeit muss im Einklang mit den Tierschutzbestimmungen sein. Der für die Alp zuständige Kontrolltierarzt entscheidet, ob das Tier vor dem Transport getötet werden muss. Lebend geflogen werden nur leicht verletzte, noch stehende bzw. verstiegene und kranke Tiere. Aggressive und eingeklemmte Tiere werden nur unter Beizug eines Tierarztes geflogen.
Verletzte, nicht transportfähige Tiere sind nach Rücksprache mit dem Tierarzt vor dem Transport an Ort und Stelle fachgerecht zu töten. Tierkadaver müssen der zuständigen Instanz der Alpgemeinde gemeldet werden, die den Auftrag weiter gibt. Sie müssen gut sichtbar markiert werden (etwa mit einer Plane).
Viehzäune markieren
Damit ein Rettungshelikopter landen kann, braucht er einen 25 mal 25 Meter grossen hindernisfreien Landeplatz. Seilbahnen und Kabel sind für Helikopter, aber auch für Segelflugzeuge und Gleitschirme eine grosse Gefahr. Beschädigungen durch Kabel und Seile können gar zum Absturz führen. Immer wieder haben deshalb Rega und Schweizer Armee in den letzten Jahren dazu aufgerufen, nicht mehr benötigte Kabel und Seile zu melden. Diese werden im Rahmen des Projekts «Remove» kostenlos abgebrochen und entsorgt.
Auch Viehzäune können eine Gefahr darstellen. Dies besonders dann, wenn elektrische Drähte bei Alphütten oder möglichen anderen Landeplätzen auf Alpweiden in Höhen über zwei Meter zur Stromversorgung von Zäunen gespannt werden. Die dünnen Drähte sind für die Heli-Besatzung oft nicht sichtbar. Die Rega bittet deshalb darum, diese gut mit Plastik- oder Stoffbändern zu markieren.
Weitere Informationen: www.rega.ch
Diese Angaben muss der Tierhalter machen
Folgende Angaben muss der Tierhalter an die Einsatzzentrale der Rega (Telefon 058 654 39 40) machen:
- Tiereigentümer: Name, Vorname, Adresse, Sachversicherung, Rega-Gönnernummer
- Nummer der TVD-Ohrenmarke
- Kontaktperson: Hirt, Alpmeister ec.
- Aufnahmeort; Gemeinde, Alpname, Koordinaden, Geländebeschaffenheit, Hindernisse
- Abladeort: Gemeinde, Lokalität, Koordinaden, Hindernisse
Weitere Infos gibts im Merkblatt Lufttransporte für die Berglandwirtschaft